--Kommunikation dürfte einfacher werden

--EZB dürfte Zins-Guidance ändern

--Eventuell Neuigkeiten zum Fortgang des PEPP

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) wird bei seinen Beratungen am 21. und 22. Juli mit der Umsetzung der neuen geldpolitischen Strategie beginnen. Während sich ein Teil der strategischen Änderungen nur nach und nach umsetzen lässt, dürften die Forward Guidance zu Zinsen und Anleihekäufen sowie die Sprache des geldpolitischen Statements sofort angepasst werden.

Mit unmittelbaren Änderungen von Zinsen oder Anleihekäufen ist für Donnerstag jedoch nicht zu rechnen. Alle 44 von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte rechnen damit, dass die Leitzinsen unverändert bleiben. Die EZB veröffentlicht ihre geldpolitischen Entscheidungen am Donnerstag um 13.45 Uhr, die Pressekonferenz mit Präsidentin Christine Lagarde beginnt gegen 14.30 Uhr.


   Kommunikation 

EZB-Präsidentin Lagarde kündigte nach der unerwartet früh beendeten Strategieprüfung an, dass die EZB die Ergebnisse der nächsten Ratssitzung in etwas abgewandelter Form präsentieren werde. Eine der Erkenntnisse, die die EZB aus ihren "Zuhör"-Events mitgenommen hat, ist, dass sie besser von der Öffentlichkeit verstanden werden muss. Marktteilnehmer, Analysten und Journalisten müssen sich also auf ein verändertes Statement einstellen, das nicht ohne weiteres mit dem vom 10. Juni vergleichbar sein wird.

Eine Folge könnte sein, dass die EZB etwas "dovisher" als beabsichtigt klingt, weil sie sich möglichst deutlich ausdrücken will, um die Glaubwürdigkeit ihres Inflationsziels - glatt 2 Prozent anstelle von nahe, aber unter 2 Prozent - zu unterstreichen.


   Leitzinsen 

Sie stehen gleich am Anfang jedes Statements. Bisher stand dort: "Der EZB-Rat geht davon aus, dass die EZB-Leitzinsen so lange auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden, bis er feststellt, dass sich die Inflationsaussichten in seinem Projektionszeitraum deutlich einem Niveau annähern, das hinreichend nahe, aber unter 2 Prozent liegt, und dass sich diese Annäherung in der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation durchgängig widerspiegelt."

Zumindest müsste der Rat also das "nahe, aber unter" vor den "2 Prozent" weglassen, was schon für sich genommen ein etwas höheres Inflationsziel als die bisher angesetzten 1,7 bis 1,9 Prozent beinhaltet. Viele Analysten vermuten aber, dass das Gremium seine neue Strategie an dieser Stelle deutlicher machen wird.

Diese beinhaltet nämlich die Aussage, dass die EZB an der Zinsuntergrenze (wenn sie zum Beispiel aus Gründen der Finanzstabilität zögert, die Zinsen weiter zu senken) besonders "kraftvoll oder hartnäckig" agieren und dabei auch ein zeitweises Überschießen der Inflation zulassen wird.

Letzteres ist ein besonders heikler Punkt, dessen Erörterung vermutlich einen großen Teil von Lagardes Pressekonferenz beherrschen wird. Klargemacht hat die Präsidentin schon, dass im aktuellen Umfeld keine besonders kraftvolle (höhere Anleihekäufe), sondern eher eine hartnäckige (Verlängerung der Anleihekäufe?) Aktion gefragt ist.


   APP-Anleihekaufprogramm 

Die Dauer des APP-Programms, das bis zur Corona-Pandemie alleine zur Lockerung der Finanzierungsbedingungen diente, ist an das Zinsniveau gekoppelt. Die EZB stockt erst dann ihre APP-Anleihebestände nicht mehr weiter auf, wenn sie sicher ist, demnächst die Zinsen erhöhen zu können.

Mit einem Monatsvolumen von 20 Milliarden Euro wird das APP derzeit klar vom Pandemiekaufprogramm PEPP mit einem Monatsvolumen von derzeit 80 Milliarden Euro in den Schatten gestellt. Es könnte aber nach dessen Ende oder schon in einer Übergangsphase wieder an Bedeutung gewinnen.

Analysten spekulieren, dass das APP nach dem Ende des PEPP deutlich aufgestockt werden könnte, dass es beim Ankauf von Staatsanleihen eine ähnliche Flexibilität wie das PEPP erhalten oder dass sein Volumen direkter an das Erreichen des Inflationsziels gebunden werden könnte.


   PEPP-Anleihekaufprogramm 

Seit dem zweiten Quartal kauft die EZB monatlich Anleihen für 80 Milliarden Euro, deutlich mehr als zu Jahresbeginn. Das PEPP ist an die Dauer der Corona-Krise gekoppelt, wobei die EZB bisher klare Aussagen dazu vermieden hat, unter welchen Umständen sie diese Krise als beendet betrachten würde. Wenn die sogenannte Herdenimmunität erreicht ist? Wenn die coronabedingten Einschränkungen aufgehoben sind? Wenn der Wachstums-/Inflationspfad von vor der Krise wieder erreicht sind?

Nach dem Bekenntnis der EZB zu einer größeren Hartnäckigkeit fehlt es nicht an Stimmen, die eine Fortführung des PEPP über den vorläufigen Endtermin 31. März 2022 hinaus fordern. Andere bestehen dagegen auf einer möglichst raschen Reduzierung (Tapering) oder Beendigung.

Ein teilweiser Ersatz der PEPP-Käufe durch mehr APP-Käufe wäre möglicherweise eine Lösung - die Frage ist nur: Zu welchen Konditionen? Denn unter dem APP darf die EZB bei Staatsanleihen bestimmte Obergrenzen im Hinblick auf ihren Anteil an den insgesamt ausstehenden Anleihen (Emittentenlimit) oder einer Emission (Emissionslimit) nicht überschreiten.

Deshalb erwarten Analysten wahlweise die Anhebung dieser Limits bzw. die Anwendung der flexibleren PEPP-Regeln. Diese besagen, dass die EZB falls nötig vorübergehend mehr Anleihen eines Staats kaufen darf, als dessen Anteil am eingezahlten EZB-Eigenkapital nahe legt.


   Finanzstabilität 

Ihre Geldpolitik erzeugt unerwünschte Nebenwirkungen, wie die EZB selbst einräumt. Sie hat deshalb ihren Analyserahmen um die Finanzstabilität erweitert, die künftig Teil der monetären Analyse ist. Analysten der Bank of America vermuten, dass die EZB wegen der größeren Rolle der Finanzstabilität keine weitere Zinssenkung mehr in Aussicht stellen wird. Das, so meinen sie, könnte sogar schon bei der nächsten Ratssitzung passieren.


Wachstums- und Inflationsausblick 

Auch wenn der Fokus bei der aktuellen Sitzung auf der Umsetzung der neuen Strategie liegen wird, werden Analysten trotzdem auf die Einschätzung des Rats zu Wachstums- und Inflationsausblick achten. Wie schätzt die EZB die Risiken durch die Delta-Variante des Coronavirus ein? Betrachtet sie die Wachstumsrisiken weiter als ausgewogen? Auch die aktuelle Einschätzung zu den Inflationsaussichten ist von Interesse.

Die von Dow Jones Newswires im Vorfeld der Sitzung befragten Volkswirte prognostizieren, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Euroraums 2021 um 4,5 (zuvor: 4,2) Prozent steigen wird und 2022 um 4,4 (4,2) Prozent. Für die Verbraucherpreise werden Anstiege von 1,9 (1,8) und 1,5 (1,4) Prozent erwartet. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sehen die Experten auf Sicht von drei, sechs und zwölf Monaten bei minus 0,10 (minus 0,13), minus 0,05 (minus 0,05) und 0,05 (0,00) Prozent und den Euro-Kurs bei 1,20 (1,21), 1,21 (1,21) und 1,20 (1,21) US-Dollar.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/smh

(END) Dow Jones Newswires

July 19, 2021 10:00 ET (14:00 GMT)