Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag eine Fortführung der aktuellen Geldpolitik beschließen, nachdem er im März ein höheres Kauftempo im Rahmen des Pandemieprogramms PEPP auf den Weg gebracht hatte. Analysten erwarten, dass die EZB ihre Leitzinsen und ihre Kaufprogramme sowie die sie betreffende Forward Guidance unverändert lassen wird. Nach entsprechenden Vorstößen einzelnen Ratsmitglieder ist aber wohl eine Diskussion über Zeitpunkt und Modalitäten einer schrittweisen Verringerung der PEPP-Käufe (Tapering) unausweichlich. Thema könnte zudem die laufende Strategieüberprüfung sein.

Die EZB veröffentlicht die geldpolitischen Entscheidungen um 13.45 Uhr, die Pressekonferenz mit Präsidentin Christine Lagarde beginnt gegen 14.30 Uhr. Die von Dow Jones Newswires befragten 44 Volkswirte erwarten, dass die EZB ihren Hauptrefinanzierungssatz bei 0,00 Prozent belassen wird und den Bankeinlagensatz bei minus 0,50 Prozent.

Im März hatte der Rat beschlossen, die Zinsen auf dem aktuellen oder noch niedrigeren Niveau zu halten, bis sich die Inflation überzeugend in Richtung des Zielwerts von knapp 2 Prozent bewegt und sich dies auch dauerhaft in den Kerninflationsraten widerspiegelt. Die Nettokäufe unter dem APP-Programm sollen bis kurz vor der ersten Zinserhöhung mit einem Monatsvolumen von 20 Milliarden Euro fortgeführt werden und die Nettokäufe unter dem Pandemieprogramm PEPP bis zum Ende der "Corona-Krisenphase".


   ING: Ökonomisches Szenario der EZB weiter intakt 

"Das ökonomische Szenario der EZB ist mehr oder weniger intakt, und das gilt auch für den Willen, bis auf weiteres die Finanzierungsbedingungen günstig zu halten - es sind also kaum Änderungen zu erwarten", schreibt ING-Analyst Peter Vanden Houte in seinem Ausblick. Und Carsten Mumm von Donner & Reuschel meint: "Vorerst stehen die coronabedingten konjunkturellen Risiken weiter im Vordergrund. Im Jahresverlauf dürfte die Entlastung von Banken vom Negativzins zur besseren Unterstützung der Kreditvergabe ein Thema werden."

Die von Dow Jones Newswires befragten Experten erwarten laut aktueller Umfrage für 2021 und 2022 einen BIP-Anstieg von 4,0 (bisher: 4,0) und 4,2 (4,1) Prozent. Die Inflationsrate sehen sie bei 1,6 (1,5) und 1,3 (1,3) Prozent. Für den Euro-Wechselkurs werden auf Sicht von drei, sechs und zwölf Monaten 1,20 (1,21), 1,21 (1,23) und 1,22 (1,23) US-Dollar prognostiziert und für die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen minus 0,28 (minus 0,30), minus 0,20 (minus 0,25) und minus 0,10 (minus 0,20) Prozent.

Die EZB hatte am 11. März außerdem beschlossen, das monatliche Volumen ihrer PEPP-Käufe im zweiten Quartal - also bis Juni - deutlich zu erhöhen. Was genau das bedeutet, wollte sie nicht sagen, und die Urteile von Analysten zur Umsetzung des Beschlusses gehen auseinander. Die Einen finden die Käufe auf Basis der bisher vorliegenden Daten immer noch zu niedrig, die Anderen verweisen auf die seit März mehr oder weniger stabilen Renditen und Zinssätze - das Programm wirke, meinen sie. Und so sieht das wohl auch die EZB selbst.

Für Juni deutet sich allerdings eine Diskussion über das weitere Vorgehen an: Sollen die PEPP-Käufe ab Juni mit dem erhöhten Volumen fortgeführt oder sollen sie wieder verringert werden? Auch hierüber gehen sowohl die Meinungen als auch die Prognosen auseinander. Der EZB-Rat ist in diesem Punkt wie eh und je in Tauben und Falken gespalten, wobei die Tauben, also die Befürworteter einer möglichst lockeren Geldpolitik, eine strukturelle Mehrheit haben.


   Erste Vorschläge für geringere PEPP-Käufe ab dem dritten Quartal 

Die Agenda wird derzeit aber von den Falken bestimmt. So schlug jüngst Ratsmitglied Klaas Knot (Niederlande) vor, die Käufe ab dem dritten Quartal schrittweisen zu verringern (Tapering). Pierre Wunsch (Belgien) sprach davon, die Käufe "ab einem bestimmten Punkt" zu reduzieren. Dem widersprachen prominente Tauben. Gegenwärtig sind die Käufe so eingestellt, dass das PEPP noch bis Ende März 2022 laufen kann, ohne dass das Gesamtvolumen von 1.850 Milliarden Euro erhöht werden müsste.

Eine Verlängerung der höheren Monatsvolumina würde aber eine Diskussion über die Zukunft des PEPP - langsames Aussteigen oder Gesamtvolumen aufstocken? - mit sich bringen. Manche Analysten erwarten, dass der Rat hierüber auch schon im April diskutieren wird.

Auswirkungen auf die weitere geldpolitische Ausrichtung dürfte auch die laufende Strategieprüfung haben, deren Ergebnisse im September vorgestellt werden sollen. Viele Analysten erwarten nach entsprechenden Andeutungen von EZB-Offiziellen, dass sich die EZB ein symmetrisches Inflationsziel von 2 Prozent geben wird, nachdem sie bisher eine Inflation von "unter, aber nahe 2 Prozent" anstrebt. Das ließe höhere Inflationsraten tolerabel erscheinen - wenn sie sich denn einstellen.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/jhe

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April 19, 2021 10:37 ET (14:37 GMT)