Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)--Das erste Quartal wird für die europäischen Banken sowieso schon schwierig gewesen sein. Aber mit dem zunehmenden Risiko eines wirtschaftlichen Abschwungs könnte die nächste Zeit noch turbulenter verlaufen. Die Quartalsergebnisse der Deutschen Bank, von Barclays, UBS und Credit Suisse werden in dieser Woche wahrscheinlich ein gemischtes Gesamtbild des europäischen Bankensektors zeichnen.

So bremste zwar die russische Invasion in der Ukraine den jüngsten Boom im Investmentbanking, führte aber auch zu Marktschwankungen, insbesondere bei Rohstoffen und Zinserwartungen. Dies wird einigen Händlern zu höheren Erträgen verholfen haben, ist aber auch mit potenziell höheren Kapitalanforderungen und Risiken wie Marktwertabschreibungen oder Kontrahentenverlusten verbunden.


   Wertberichtigungen als Bremse 

Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang sind Kreditverluste. Die meisten Kreditgeber haben noch pandemiebedingte Rückstellungen in den Büchern stehen, die sie auflösen könnten. Viele werden jedoch auch Wertberichtigungen für ihr Russland-Geschäft vornehmen müssen. Die Raiffeisen Bank und Unicredit haben das größte Gesamtrisiko, aber auch viele andere sind betroffen, darunter die Deutsche Bank, Intesa Sanpaolo, UBS und BNP Paribas. Und die Credit Suisse kündigte vergangene Woche eine Wertberichtigung von 212 Millionen US-Dollar für russische Vermögenswerte an, als Teil einer umfassenderen Gewinnwarnung im Zusammenhang mit ihren rechtlichen Problemen.


   Euro-Leitzinsen hängen wie Damoklesschwert über den Geldhäusern 

Für Außenstehende ist es schwer abzuschätzen, welche finanziellen Auswirkungen der Abbau des Russland-Engagements der Banken hat, das sich über verschiedene Anlageklassen erstreckt. Ein typisches Beispiel: Die Société Générale hatte ein Gesamtengagement in Russland in Höhe von etwa 18 Milliarden Euro, verbuchte aber eine Abschreibung von 3,1 Milliarden Euro, als sie ihren Ausstieg bekannt gab. Der Prozess ist kompliziert und wird einige Zeit in Anspruch nehmen.

"Eine Bank ist keine Würstchenbude, die innerhalb einer Woche geschlossen werden kann", unterstreicht Johann Strobl, Chef der Raiffeisen Bank. All diese beweglichen Teile sorgen für eine unberechenbare Ergebnissaison. Was jedoch sicherer scheint, ist der sich verdüsternde Ausblick aus.

Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, warnte, dass die "Abwärtsrisiken für die Wachstumsaussichten infolge des Krieges in der Ukraine erheblich zugenommen haben". Und die Aussicht auf ein Embargo für russische Energielieferungen hat die angespannte Lage auf den Rohstoffmärkten verschärft sowie die Öl- und Gaspreise in die Höhe getrieben. Dies hat die Kosteninflation weiter angeheizt und den Druck auf die Lebenshaltungskosten in der Region verschärft. Die Banken gehören zu den ersten, die die Auswirkungen dieser makroökonomischen Kräfte zu spüren bekommen.


   Double Dip als Worst Case 

Die EZB könnte darüber hinaus gezwungen sein, der US-Notenbank Fed bei der Anhebung der Zinssätze zu folgen, obwohl die Wachstumsaussichten schwächer sind, was die erhoffte wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie eintrüben könnte. Im schlimmsten Fall könnte dies alles zu einem Double-Dip-Abschwung zu führen.

Einige europäische Kreditgeber sind weniger stark in Europa engagiert. Barclays hat ein großes Kreditgeschäft in den USA, die Kundschaft der UBS, die eher aus globalen Milliardären besteht, könnte über den Problemen schweben, und die Aussichten von HSBC sowie Standard Chartered hängen vor allem am großen Hongkong-Geschäft. Die Ergebnisse der US-Banken für das erste Quartal waren uneinheitlicher als üblich, und das Gleiche könnte auch für die europäischen Kreditinstitute gelten.


   Ausschüttungen sprechen für europäische Banken 

Ein Argument für den Besitz von europäischen Bankaktien sind derzeit die Ausschüttungen. Wegen der durch die Pandemie aufgebauten Kapitalpuffer erwarten viele Anleger in diesem Jahr hohe Cash-Renditen. Was die Führungskräfte über Dividenden und Rückkäufe sagen, wird ein wichtiger Lackmustest sein, nicht nur für diese Erwartungen, sondern auch dafür, wie die Banken selbst die Aussichten für die vom Krieg überschatteten Volkswirtschaften sehen.

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April 25, 2022 09:46 ET (13:46 GMT)