PARIS/LONDON (awp international) - Europas Börsen haben am Freitag ihrer jüngsten Erholungsrally Tribut gezollt und deutlich nachgegeben. Im weiter offenen Ausgang der US-Wahlen vom Dienstag scheint der demokratische Herausforderer Joe Biden bessere Karten für das Präsidentenamt zu haben als der republikanische Amtsinhaber Donald Trump. Doch vor dem Wochenende rückte dieses Thema etwas in den Hintergrund. Der Blick der Anleger richtete sich wieder mehr auf die sich verschärfende Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben.

Gegen Mittag verlor der EuroStoxx 50 0,71 Prozent auf 3192,89 Punkte. Damit würde das Wochenplus für den Leitindex der Eurozone immer noch knapp acht Prozent betragen. Der französische Cac 40 sank zuletzt um 0,68 Prozent auf 4950,00 Punkte, während der britische FTSE 100 nur um 0,18 Prozent auf 5895,78 Zähler nachgab.

?Die Frage, wer der nächste US-Präsident sein wird, spielt für die grundsätzliche Richtung an den internationalen Aktienbörsen mittel- und langfristig nur eine untergeordnete Rolle - zumal weder Biden noch Trump über eine geschlossene Mehrheit im Kongress verfügen würden und ihre geplanten Vorhaben nur mit Abstrichen umsetzen können?, schrieb Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. ?Die wesentlichen Einflussfaktoren für Zinsen, Aktien & Co. bleiben der Fortgang der Corona-Pandemie, die wirtschaftliche Erholung von der globalen Rezession sowie die vielfach ultra-expansive Ausrichtung der Notenbanken.?

Im europäischen Branchenvergleich gab es vor dem Wochenende fast nur Verlierer. Mit am meisten Federn lassen mussten im marktbreiten Stoxx Europe 600 die Aktien von Unternehmen aus der Autoindustrie sowie Reise- und Freizeitunternehmen: Ihre Subindizes büssten knapp anderthalb beziehungsweise ein Prozent ein. Beide Branchen sind besonders anfällig für die Auswirkungen neuer Lockdown-Massnahmen infolge steigender Corona-Infektionszahlen.

Am besten behauptete sich im schwachen Marktumfeld die als defensiv geltende Telekommunikationbranche, deren Index um 0,3 Prozent zulegte. Als Stütze erwies sich zudem das rund dreiprozentige Kursplus der Deutschen Telekom. Die Aktie profitierte von starken Quartalszahlen der US-Tochter T-Mobile US .

Beim Uhren- und Schmuckkonzern Richemont konnten sich die Aktionäre über einen Kursanstieg von fast neun Prozent freuen. Die gute Nachfrage in China im zweiten Geschäftsquartal half den Schweizern, die deutlichen Einbussen in Europa, den USA und Japan abzufedern.

Die Aktien von Enel hielten sich mit einem knapp halbprozentigen Plus einigermassen gut, obwohl Italiens grösster Versorger wegen der Corona-Krise für die ersten neun Monate des Jahres einen Umsatzeinbruch berichtete. Bernstein-Analystin Mike Becker sprach indes von einer erwartungsgemässen Entwicklung und hielt ebenso wie andere Experten an ihrem positiven Anlageurteil für die Aktie fest. Zudem zählen auch Versorgeraktien zu den eher defensiven Titeln, die ihre Stärken in einem negativen Marktumfeld ausspielen.

Derweil büssten die Anteilsscheine von Amadeus IT anderthalb Prozent an Wert ein. Der spanische Buchungssystem-Anbieter ringt weiter heftig mit den Folgen der Corona-Pandemie. Im Vergleich zum zweiten Quartal besserte sich zwar die Lage. Aber der Umsatz ging auch im Sommer drastisch zurück, und unter dem Strich steckt das Unternehmen weiter tief in den roten Zahlen.

AMS -Titel verbilligten sich um mehr als drei Prozent, nachdem der österreichische Sensorspezialist und Osram -Mehrheitseigner für das dritte Quartal tiefrote Zahlen vorgelegt hatte. Dennoch sind beide Unternehmen optimistisch für die Zukunft./gl/fba