PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Eine Verkaufswelle hat am Donnerstag die europäischen Aktienmärkte erfasst. Insbesondere die Angst vor steigenden Corona-Infektionszahlen infolge der zunehmenden Verbreitung der besonders ansteckenden Delta-Variante belastete, aber auch die Sorgen vor staatlichen Interventionen Chinas. Der EuroStoxx 50 sackte auf den tiefsten Stand seit sieben Wochen ab. Am Ende büßte er 2,1 Prozent auf 3991,66 Punkte ein, im Tief hatte er sogar rund 30 Zähler mehr verloren.

Für den französischen Cac 40 ging es um gut zwei Prozent auf 6396,73 Zähler nach unten. Der britische FTSE 100 fiel um 1,68 Prozent auf 7030,66 Punkte.

Die Verkaufswelle hatte am Donnerstag schon in Asien und dort vor allem in Hongkong begonnen. Marktbeobachter Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets sah dort und in China das "Epizentrum des Ausverkaufs", nachdem Chinas Regierung am Vortag eine deutlich schärfere Kontrolle von im Ausland an der Börse gehandelten chinesischen Unternehmen angekündigt hatte.

Gesprächsstoff lieferte auch die Europäische Zentralbank (EZB) mit einer Überprüfung der geldpolitischen Strategie, die an den Finanzmärkten aber eher wenig bewegte. Beim Thema Inflation beschaffen sich die Währungshüter nach dem Vorbild der US-Notenbank Fed mehr Spielraum, indem sie bei ihrem Inflationsziel flexibler werden. Dabei will die Notenbank zumindest zeitweise eine Teuerung moderat über zwei Prozent akzeptieren.

Im europäischen Branchenvergleich gab es am Donnerstag nur Verlierer. Die geringsten Verluste gab es in einigen Sektoren mit eher defensiven Qualitäten, namentlich waren dies die Immobilien- und Gesundheitssektoren mit Abschlägen von 0,8 respektive 0,6 Prozent.

Mit am schlimmsten traf es die Banken sowie die konjunktursensiblen Rohstoff- und Autowerte: Ihre Subindizes im marktbreiten Stoxx Europe 600 fielen im Bereich zwischen 2,3 und 2,9 Prozent. Zum Schlusslicht in der Branchentabelle wurde aber der Einzelhandelssektor mit einem Abschlag von 3,1 Prozent.

Im Bankensektor machten sich anhaltend fallende Marktzinsen einmal mehr negativ bemerkbar. Im schwachen Autosektor ging es unter anderem für Stellantis deutlich bergab, trotz positiver Aussagen zum ersten Halbjahr verloren die Papiere des Opel-Mutterkonzerns 3,2 Prozent an Wert.

Ansonsten kamen die kursbewegenden Unternehmensnachrichten vor allem aus London. Bei Persimmon mussten die Anleger ein fast fünfprozentiges Kursminus verkraften. Das britische Bauunternehmen konnte weder mit einem deutlichen Umsatzanstieg im ersten Halbjahr noch mit dem bekräftigten Ziel einer Kapitalausschüttung überzeugen.

Schwache Quartalsumsätze auf dem britischen Heimatmarkt ließen die Aktien des Handelskonzerns B&M außerdem um fünf Prozent absacken, er trug damit maßgeblich zur Schwäche des gesamten europäischen Einzelhandelssektors bei.

Anfänglicher Schwung beim Essenslieferdienst Deliveroo versiegte: die Papiere schlossen in London 2,3 Prozent tiefer, obwohl das Unternehmen für das laufende Geschäftsjahr optimistischer wurde und Bernstein Research ihnen in einer Erstbewertung ein positives Votum aussprach.

Eine positive Londoner Ausnahme waren die Aktien von Cairn Energy, die 1,3 Prozent gewannen. Der schottische Ölkonzern erreichte vor einem französischen Gericht die Beschlagnahmung von Vermögenswerten des indischen Staates in Paris. Dabei geht es um die Zahlung einer Summe von 1,7 Milliarden US-Dollar, die ein internationales Schiedsgericht im Rahmen eines Steuerstreits zugesprochen hatte./tih/mis