PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Nach dem jüngsten Rückschlag haben Europas wichtigste Aktienmärkte am Mittwoch erneut einen Stabilisierungsversuch gestartet. Unterstützung kam ein weiteres Mal von den US-Börsen. Diese hatten am Vortag nach einer Talfahrt überwiegend ins Plus gefunden und zeigen sich derzeit schwankend zwischen leichten Gewinnen und leichten Verlusten. Die Risiken sind aber unverändert hoch, denn "die Anzeichen einer Rezession verdichten sich", wie Analyst Christian Henke vom Broker IG Markets schrieb.

Der EuroStoxx 50 beendete den Handel mit plus 1,85 Prozent auf 3421,84 Punkte. Am Dienstag hatte der Leitindex der Eurozone auf dem tiefsten Stand seit November 2020 geschlossen. Der französische Cac 40 erholte sich zur Wochenmitte um 2,03 Prozent auf 5912,38 Punkte. Der britische FTSE 100 gewann 1,17 Prozent auf 7107,77 Zähler. In Italien rückte der FTSE MIB um 1,04 Prozent vor. Hier stand im Fokus, dass eine Regierungskrise vorerst abgewendet wurde. Die Fünf-Sterne-Bewegung bekannte sich dazu, zunächst weiter in der regierenden Mehrheit zu bleiben.

Was eine mögliche Rezession in Europa angeht, steht der Kontinent laut Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege vom Broker RoboMarkets, besonders unter Druck. Die steigende Inflation sowie geopolitische und wirtschaftliche Verwerfungen durch den Krieg in der Ukraine inklusive der drohenden Energiekrise träfen Europa besonders stark. So muss sich die EU nach Einschätzung ihrer Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für den Fall eines vollständigen Ausfalls von Gaslieferungen aus Russland wappnen.

Branchen, die in den vergangenen Wochen besonders nachgegeben hatten, zählten an diesem Mittwoch zu den größten Gewinnern. Selbst schlechte Nachrichten verhinderten die Gegenbewegung nicht.

Der Technologiesektor legte um etwas mehr als 3 Prozent zu und mit ihm im Gleichschritt auch ASML. Und das, obwohl die US-Regierung Insidern zufolge auf ein Exportverbot für bestimmte Anlagen des Chipindustrieausrüsters nach China drängt. US-Offizielle hätten ein Verkaufsverbot für Anlagen älteren Typs mit der sogenannten Deep Ultraviolet-Technik (DUV) ausgesprochen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Sache vertrauten Personen.

Die Öl- und Gasbranche gab als einzige indes erneut spürbar nach und litt unverändert unter Rezessionssorgen. Die Anfang Juni noch auf ein Mehrjahreshoch gestiegenen Aktien von Totalenergies etwa büßten im EuroStoxx nun 2,9 Prozent ein. Eni, Shell oder BP gaben ebenfalls nach.

Die einzige weitere Branche mit Verlusten - allerdings nur leichten - war die der Banken. Auch dort spiegelten sich die Rezessionsängste wider. Zu den größten Verlierern unter den Finanzinstituten zählten Santander mit minus 1,7 Prozent sowie ING, BNP Paribas und HSBC, die um etwa ein Prozent nachgaben.

Unter den Einzelwerten stachen die Anteile von Just Eat Takeaway heraus mit einem Plus von 15,5 Prozent. Amazon sicherte sich Rechte zum Erwerb von Anteilen des zu Just Eat gehörenden US-amerikanischen Lieferdienstes Grubhub. Für einen Deal zur Vermarktung des Abo-Modells Grubhub+ bekommt Amazon zunächst Optionen für eine zweiprozentige Beteiligung an dem Essenslieferdienst. Die Optionen können auf bis zu 15 Prozent des verwässerten Stammkapitals erweitert werden.

Für Air France-KLM ging es um 1,6 Prozent nach oben, während die Aktien der Lufthansa 0,4 Prozent verloren. Die italienische Regierung prüft Medienberichten zufolge die Kauf-Angebote für die Nachfolgerin der früheren Alitalia, Ita Airways. Zu den Bietern für die Fluggesellschaft zählen demnach die Groß-Reederei MSC zusammen mit der deutschen Lufthansa und der US-Investmentfonds Certares mit Delta Air Lines sowie Air France-KLM./ck/stw