FRANKFURT (awp international) - Erneute Verzögerungen beim Brexit-Drama haben die Anleger am deutschen Aktienmarkt zur Wochenmitte nur wenig verunsichert. Der Dax machte seine bescheidenen anfänglichen Verluste wett und stand um die Mittagszeit 0,07 Prozent im Plus bei 12 764,22 Punkten. In der Vorwoche war der Leitindex erstmals seit August vergangenen Jahres wieder über 12 800 Punkte geklettert.

Marktanalyst Milan Cutkovic von AxiTrader sprach von einem kleinen Rücksetzer nach dem starken Wochenauftakt. Doch "solange sich der Dax über der Marke von 12 500 Punkten halten kann, bleibt der kurzfristige Ausblick aus charttechnischer Sicht positiv". Zudem erscheine "ein ungeregelter Austritt (Grossbritanniens aus der EU) mit all seinen negativen wirtschaftlichen Konsequenzen" nun etwas weniger wahrscheinlich.

Der MDax für mittelgrosse Werte verlor zuletzt noch 0,19 Prozent auf 26 196,45 Punkte und der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 sank um 0,26 Prozent auf 3595,29 Zähler.

Beim Abschied Grossbritanniens aus der Europäischen Union (EU) stehen die Zeichen auf eine erneute Verschiebung. Der 31. Oktober als Wunschtermin von Premierminister Boris Johnson ist nach einem nervenaufreibenden Auf und Ab bei Abstimmungen im britischen Unterhaus wohl nicht mehr zu halten: Die Abgeordneten billigten am Dienstagabend zwar Johnsons Gesetzesrahmen für den Brexit-Deal im Grundsatz, liessen seinen straffen Zeitplan für die Brexit-Beratungen aber durchfallen.

Daraufhin legte Johnson das gesamte Gesetzgebungsverfahren zum EU-Austritt auf Eis. Er muss nun wider Willen erneut das Gespräch mit Brüssel suchen. Nun wollen die 27 bleibenden EU-Staaten am späteren Nachmittag über eine mögliche Verschiebung beraten. Aus diplomatischen Kreisen in Brüssel hiess es, die Länge der neuen Frist sei noch zu klären.

Aus der Halbleiterbranche litten nur die Aktien von Infineon und des Chipindustrie-Ausrüsters Aixtron dauerhaft unter einem schwachen Ausblick des US-Chipkonzerns Texas Instruments : Mit Verlusten von knapp anderthalb und dreieinhalb Prozent zählten sie zu den grössten Verlierern im Dax beziehungsweise im Nebenwerte-Index SDax . Dagegen dämmte der Apple -Zulieferer Dialog Semiconductor seinen Kursverlust auf knapp 0,3 Prozent ein, und Papiere des Halbleiterwafer-Herstellers Siltronic drehten sogar mit mehr als anderthalb Prozent ins Plus.

KWS Saat überzeugte mit vorläufigen Resultaten für das vergangene Geschäftsjahr sowie mit dem Ausblick: Die Aktien eroberten dank eines Kursanstiegs um über vier Prozent die SDax-Spitze. Der Saatguthersteller konnte dank guter Geschäfte mit Getreide- und Maissaat den Umsatz sowie die Gewinne steigern und will im neuen Jahr noch einen Zahn zulegen. Dank der starken Schlussspurts im Zuckerrübengeschäft als profitabelster Sparte habe KWS die operativen Ergebniserwartungen übertroffen, lobte Knud Hinkel vom Analysehaus Pareto Securities.

Ansonsten sorgten Analystenkommentare für Bewegung. Die Aktien des Kunststoffspezialisten Covestro gewannen nach einer Kaufempfehlung der Commerzbank rund 1,3 Prozent, was einen der vorderen Plätze im Dax bedeutete. Nach einem trägen ersten Halbjahr könnten die Verkaufszahlen in der zweiten Jahreshälfte und ins Jahr 2020 hinein wieder anziehen, schrieb Analyst Michael Schäfer. Das sollte sich auch gewinnseitig bemerkbar machen.

Beim Autozulieferer und Reifenhersteller Continental stand derweil einer Hochstufung durch Mainfirst einer Gewinnwarnung des finnischen Branchenkollegen Nokian Renkaat gegenüber. Mit fast 0,3 Prozent Plus reihten sich die Conti-Titel im Dax-Mittelfeld ein.

Die Anteilseigner von Gerresheimer konnten sich über einen Kursanstieg um gut viereinhalb Prozent und den ersten Platz im MDax freuen, nachdem die US-Bank JPMorgan die Aktie hochgestuft hatte und sie nun "Neutral" sieht. Das insgesamt erwartungsgemäss verlaufene dritte Quartal des Spezialverpackungsherstellers liefere den Optimisten mehr Argumente als den Pessimisten, begründete Analyst David Adlington seine Neubewertung./gl/jha/

--- Von Gerold Löhle, dpa-AFX ---