FRANKFURT (dpa-AFX) - Aktienanleger bleiben angesichts der hohen Inflation und der erwarteten geldpolitischen Straffungen in den USA sehr nervös. Nach der jüngsten Stabilisierung herrschte am deutschen Aktienmarkt am Freitag Ausverkaufsstimmung. Der Dax verlor zeitweise fast drei Prozent, aus dem Handel ging er mit minus 1,94 Prozent beim Stand von 15 603,88 Punkten. Mit der 200-Tage-Linie riss der deutsche Leitindex zudem eine wichtige charttechnische Unterstützung. Die Wochenbilanz fällt mit einem Minus von rund 1,8 Prozent ebenfalls sehr schwach aus.

Kam der Dax aufgrund seiner hohen Zahl an werthaltigeren Papieren aus klassischen Industrien Im Vergleich mit den Technologie-Indizes an der New Yorker Nasdaq bislang recht glimpflich davon, scheint er sich nun dem Druck aus dem Technologiesektor nicht mehr länger entziehen zu können. Auch der MDax der mittelgroßen Börsentitel geriet am Freitag in den Abwärtssog, er schloss 2,03 Prozent tiefer auf 33 642,36 Punkten.

Die hohe Inflation könnte die US-Notenbank zwingen, schneller und stärker zu agieren als erwartet. Problematisch könnte das irgendwann für höher verschuldete Unternehmen werden. Zudem zehrt der Druck durch höhere Kosten für Material und Löhne an den Gewinnmargen der Unternehmen. Die US-Leitzinsentscheidung in der kommenden Woche wird vor diesem Hintergrund ebenso mit Spannung erwartet wie Quartalszahlen und Prognosen von US-Schwergewichten aus dem Techsektor.

Ein schwacher Ausblick des US-Streaminganbieters Netflix setzte bereits vor dem Wochenende der angeschlagenen Stimmung weiter zu. "Steigende Zinsen und dann noch niedrigere Wachstumserwartungen", kommentierte dies Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. Seiner Ansicht nach könnten die hohen Kursverluste für Netflix "symptomatisch sein für das, was dem Aktienmarkt in den kommenden Wochen und Monaten noch bevorsteht". Unter den Techwerten und Pandemie-Gewinnern im Dax verloren am Freitag die Aktien des Chipkonzerns Infineon 3,4 Prozent und jene des Essenslieferdienstes Delivery Hero 5,6 Prozent.

Noch viel schlimmer aber sah es für Siemens Energy aus mit einem Kurseinbruch von 16,6 Prozent. Unter der Last einer erneuten Gewinnwarnung der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa wurden die Anteile erstmals seit Ende 2020 wieder unter 20 Euro gehandelt und kosteten zum Handelsende etwas mehr als 19 Euro. Oddo BHF stufte sie ab. Die abermalige Gewinnwarnung von Gamesa sei nun eine zu viel, hieß es. Analyst Akash Gupta von JPMorgan bezeichnete den Windkraft-Anlagensektor wegen der Unsicherheiten sogar als derzeit "nicht investierbar".

Die Aktien von Siemens Gamesa rutschten in Madrid um 14 Prozent ab. Hierzulande traf die Verkaufswelle auch die Papiere des Windkraftkonzerns Nordex, die im Nebenwerteindex SDax 8,1 Prozent verloren.

Nach Jahreszahlen und Ausblick rutschten im SDax zudem die Titel von Secunet um 5,3 Prozent ab. Im November hatte der IT-Dienstleister mit einer pessimistischeren Prognose die Anleger geschockt. Diese Prognose wurde nun zwar bestätigt, im Abwärtssog der Techwerte reichte das den Anlegern aber nicht.

Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 schloss am Freitag 1,63 Prozent schwächer auf 4229,56 Punkten. Während der französische Cac 40 ähnlich schwach abschnitt, hielt sich der britische FTSE 100 etwas besser. In New York taten sich der Leitindex Dow Jones Industrial und der technologielastige Nasdaq 100 erneut schwer und notierten etwas im Minus.

Der Euro machte seine Vortagesverluste nahezu komplett wett. Die Gemeinschaftswährung stieg bis auf 1,1360 US-Dollar und kostete nach dem Xetra-Schluss noch 1,1344 Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs auf 1,1348 (Donnerstag: 1,1338) Dollar festgesetzt, der Dollar damit 0,8812 (0,7474) Euro gekostet.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von minus 0,16 Prozent am Vortag auf minus 0,19 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,15 Prozent auf 143,52 Punkte. Der Bund-Future gewann 0,28 Prozent auf 170,27 Zähler./ajx/he

--- Von Achim Jüngling, dpa-AFX ---