FRANKFURT (dpa-AFX) - So schnell kann es wieder in die andere Richtung gehen: Die Angst vor schneller steigenden Zinsen in den USA hat den jüngsten Höhenflug des Dax am Donnerstag vorerst abrupt beendet. Am Vortag dank nachlassender Omikron-Sorgen noch fast auf Rekordhoch, tauchte der deutsche Leitindex am vorletzten Handelstag der ersten Börsenwoche 2022 zeitweise wieder unter die runde Marke von 16 000 Punkten. Zum Handelsschluss stand er bei 16 052,03 Punkten, ein Minus von 1,35 Prozent. Der MDax der mittelgroßen Börsentitel notierte vorübergehend unter 35 000 Punkten und ging mit minus 1,30 Prozent auf 35 168,32 Zählern ähnlich geschwächt über die Ziellinie.

Positiv sei, dass Schnäppchenjäger im Dax unter der 16 000er-Marke schon wieder eingestiegen seien, versuchte Analyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets dem Tag etwas Gutes abzugewinnen. "Ob sie mit dieser Strategie richtig liegen, werden die kommenden Tage zeigen."

Im Technologiesektor suche man die Schnäppchenjäger, die im Dax einsteigen, aber vergeblich, so Stanzl. Die stark wachstumsorientierten Tech-Unternehmen gelten als besonders anfällig bei höheren Zinsen, weil dadurch ihre Finanzierungskosten steigen. Am Donnerstag standen sie europaweit erheblich unter Druck. Im Dax etwa fielen die Chip-Titel von Infineon um 2,7 Prozent, im MDax büßten die Software-Aktien von Nemetschek 6,8 Prozent ein.

Marktbeobachter sehen in einem erkennbar strafferen geldpolitischen Kurs der US-Notenbank (Fed) die Hauptursachen für die Kursverluste am Aktienmarkt. Aus dem am Vorabend veröffentlichten Protokoll der Dezember-Sitzung der Fed ging hervor, dass einige ihrer Mitglieder dafür plädierten, schon kurz nach der ersten Zinserhöhung mit der Verringerung der Bilanzsumme der Notenbank zu beginnen. Damit würden auslaufende Anleihen nicht mehr ersetzt, was die Anleihekurse drücken und die Renditen entsprechend erhöhen dürfte. Dies wiederum würde Aktien im Vergleich zu festverzinslichen Wertpapieren weniger attraktiv erscheinen lassen.

Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 verlor am Donnerstag 1,53 Prozent auf 4324,81 Punkte. In Frankreich ging es für den am Vortag noch rekordhohen Cac 40 noch etwas mehr bergab. In London fielen die Verluste für den FTSE 100 nicht ganz so deutlich aus. In New York notierte der Dow Jones Industrial zum europäischen Handelsende 0,3 Prozent schwächer, die Technologiebörse Nasdaq erholte sich nur wenig von ihrem jüngsten Ausverkauf.

Die Fed betonte erneut, dass sowohl die Wirtschafts- als auch die Inflationsentwicklung für einen rascheren Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik sprächen. Die Inflation ist auch in Deutschland ein Thema, sie erreichte im Dezember den höchsten Stand seit fast 30 Jahren. Zusätzlich unter Druck setzten die Daten den deutschen Aktienmarkt am Nachmittag zwar nicht. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, warnte aber: Die Inflationsrisiken wiesen klar nach oben. Es sei an der Zeit, dass nun auch die Europäische Zentralbank (EZB) den Fuß vom Gas nehme. Marktbeobachter erwarten dann in diesem Fall eine etwas schwierigere Phase für Investments am Aktienmarkt.

Die Sorge vor rasch steigenden Zinsen in den USA ließ am Donnerstag auch Papiere von Unternehmen aus dem Bereich Alternative Energien abrutschen. Ohnehin teure Finanzierungen beispielsweise von Windkraft- und Solarprojekten werden für sie in diesem Szenario dann noch teurer.

So verloren im Nebenwerteindex SDax die Titel von Encavis mehr als fünf Prozent. SMA Solar und Nordex gaben um jeweils mehr als dreieinhalb Prozent nach. Für die Aktien des Biokraftstoffherstellers Verbio ging es um mehr las siebeneinhalb Prozent abwärts. Noch schlechter waren im SDax nur Flatexdegiro mit minus 8,9 Prozent. Das vierte Quartal und der Ausblick des Online-Brokers auf das laufende Jahr hatten die Anleger enttäuscht.

Zudem machten Börsianer weiterhin einen großen Bogen um Aktien aus den Corona-Gewinnerbranchen. Im Dax lagen die Papiere des Lieferdienstes Delivery Hero mit minus fünfeinhalb Prozent auf dem letzten Platz, die des Online-Modehändlers Zalando sanken um 4,2 Prozent. Hintergrund der Kursverluste bei den sogenannten "Stay-at-Home-Aktien" ist die Hoffnung, dass das Coronavirus bald keine relevante Bedrohung mehr für das Gesundheitssystem darstellt.

Der Euro notierte nach dem Börsenschluss bei 1,1308 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs am Nachmittag auf 1,1315 (Mittwoch: 1,1319) Dollar festgesetzt, der Dollar damit 0,8838 (0,8835) Euro gekostet.

Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von minus 0,23 Prozent am Vortag auf minus 0,19 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,12 Prozent auf 143,66 Punkte. Der Bund-Future sank um 0,13 Prozent auf 170,31 Punkte./ajx/he

--- Von Achim Jüngling, dpa-AFX ---