BERLIN (Dow Jones)--Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat erneut die zögerliche Auszahlung der Corona-Hilfen an notleidende Unternehmen verteidigt und vor einer Instrumentalisierung des Themas zu Wahlkampfzwecken gewarnt. "Ich kann verstehen, wenn Gastronomen, Hoteliers, Inhaber von Geschäften mit körpernahen Dienstleistungen und Kulturschaffende darauf warten, dass die Hilfen endlich ausgezahlt werden", sagte Altmaier anlässlich der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts 2021 vor dem Deutschen Bundestag. Er verstehe die Unzufriedenheit vieler Betroffener. Aber er habe "wenig Verständnis", wenn damit Wahlkampfzwecke verfolgt würden und versucht werde, "politisches Kapital zu schlagen".

Dass Gelder für die November-Hilfen noch nicht im November ausgezahlt wurden, habe auch damit zu tun, dass auf Wunsch der Betroffenen und ihrer Steuerberater die Fristen für die Antragstellung bis April verlängert worden seien, da nicht alle ihre Unterlagen bereits am ersten Tag der Antragstellung hätten einreichen konnten. Die Bundesregierung tue alles, damit das Geld "so schnell wie möglich" bei den Betroffenen ankomme. Wo dies nicht möglich sei, werde die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen nochmals bis Ende April ausgesetzt.


   Nochmals 50 Milliarden Euro für Hilfen bis Juni 

Über die Abschlagszahlungen sei aber bereits "eine Rekordzahl von Hilfen in einer kurzen Zeit ausgezahlt" worden, betonte Altmaier - insgesamt flossen demnach seit Beginn der Corona-Pandemie 80 Milliarden Euro an die Unternehmen. Hinzu kämen 23 Milliarden Euro für das Kurzarbeitergeld sowie 130 Milliarden Euro im Rahmen des Konjunkturpakets. In den kommenden sechs Monaten kämen für die November- und Dezemberhilfe und die Überbrückungshilfe III nochmals weitere 50 Milliarden Euro hinzu. Gleichwohl habe die Regierung eine Verpflichtung gegenüber den Steuerzahlern, Missbrauch zu verhindern.

Die AfD kritisierte, die Wirtschaft brauche "endlich eine verlässliche Perspektive". Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Leif-Erik Holm warf der Bundesregierung vor, dass es falsch gewesen sei, die im vergangenen Jahr temporär gesenkte Mehrwertsteuer weiterlaufen zu lassen. Auch hätte der steuerliche Verlustrücktrag deutlich ausgeweitet müssen.

Aus Sicht der SPD ist der Erhalt und Ausbau der sozialen Gerechtigkeit der Kern des Wirtschaftsberichts. "Sicherheit durch Wandel" sei Motto mit Blick auf die Modernisierung der Wirtschaft und den Klimaschutz, sagte der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bernd Westphal.


   FDP fordert Öffnungsperspektive wie in Schleswig-Holstein 

Die FDP verwies auf den dringenden Appell aus der Wirtschaft, weil von den Hilfen noch nichts angekommen sei. Die Bundesregierung täte besser daran, "das Betriebsergebnis der Vorjahre zur Grundlage zu machen und unbürokratisch auszuzahlen", forderte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Auch eine Auszahlung eines Unternehmerlohns wäre sinnvoll und "nicht nur eine Sache des Respekts". Zugleich forderte Lindner eine Perspektive für weitere Öffnungen. In Schleswig-Holstein habe die Koalition aus CDU, FDP und Grüne einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt, der "richtungsweisend für die ganze Republik" sei.

Aus Sicht der Linksfraktion befindet sich die Wirtschaft in einer dramatischen Lage. "Der Wirtschaftsbericht macht das nur zum Teil deutlich", mahnte der wirtschaftspolitische Sprecher Klaus Ernst. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte, es gelte nun "alles, aber auch wirklich alles dafür zu tun, die Impfgeschwindigkeit zu beschleunigen". Es gebe keine wichtigere Aufgabe. Der Bundesregierung warf Hofreiter hier Versäumnisse vor.

Im Jahreswirtschaftsbericht 2021, der am Mittwoch vorgestellt wurde, prognostiziert die Bundesregierung für dieses Jahr nur noch ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent. In ihrer Herbstprognose hatte sie noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 4,4 Prozent gerechnet.

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January 28, 2021 04:29 ET (09:29 GMT)