BERLIN (dpa-AFX) - In der Debatte um Engpässe und angespannte Lieferketten bei Arzneien warnt die deutsche Pharmabranche vor einer weiter wachsenden Abhängigkeit von China und Indien. Noch würden die Wirkstoffe für innovative Biopharmazeutika etwa für Krebstherapien vorrangig in Europa und Nordamerika produziert, teilte der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) am Freitag in Berlin mit. China und Indien entwickelten sich aber auch hier zu ernstzunehmenden Konkurrenten, warnte vfa-Präsident Han Steutel. Halte der Trend an, entstünden neue Abhängigkeiten. China und Indien seien längst nicht mehr nur die "verlängerte Werkbank" der westlichen Industrien.

Der Preisdruck in den Gesundheitssystemen und der internationale Standortwettbewerb stellten den Pharmastandort Deutschland in Frage, erklärte Steutel. Daher sei es nötig, den Heimatmarkt durch schnelle Genehmigungsverfahren, besseren Zugang zu Wagniskapital und "wettbewerbsfähige" Steuersätze für innovative Pharmafirmen attraktiv zu machen. Auch bei der Digitalisierung gebe es Aufholbedarf.

Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und des Healthcare Supply Chain Institut aus Heilbronn im Auftrag des vfa zeigt, dass die USA und Europa stark von asiatischen Wirkstoffherstellern abhängig sind. So lägen 68 Prozent der Produktionsorte von für Europa bestimmte Wirkstoffe im kostengünstigeren Asien. Bei den USA sind es demnach 46 Prozent. Die gute Nachricht sei, dass sich die Arznei-Lieferketten auch in der Corona-Pandemie als robust erwiesen hätten, sagte Steutel.

Arzneiengpässe machen Ärzten und Apotheken in Deutschland seit Jahren zu schaffen. Gewerkschaften sehen die komplexen Lieferketten in der Globalisierung als Ursache und fordern eine stärkere Produktion in Deutschland. Kommt es in China oder Indien zu Fertigungsproblemen, Verunreinigungen oder gar zum Stillstand in der Produktion, kann sich das in Deutschland niederschlagen. Die Versorgungsengpässe will auch die EU mit einer neuen Arzneistrategie angehen.

Der Verband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen monierte, dass erst das "hohe Versorgungsniveau" durch die gesetzliche Krankenversicherung der Pharmabranche hohe Gewinne ermögliche. "Die Pharmaindustrie kann nicht einerseits beeindruckende Gewinnspannen und Umsatzsteigerungen feiern und andererseits immer mehr vom Staat fordern", sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, der dpa. "Sie hat auch selbst die Verantwortung, für stabile Lieferketten innerhalb ihrer eigenen Produktionsabläufe zu sorgen."/als/DP/ngu