FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rücktritt von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zum Jahresende wirft zwangsläufig die Frage nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin auf sowie nach der geldpolitischen Richtung dieser Person.

Isabel Schnabel, Claudia Buch, Veronika Grimm, Marcel Fratzscher und Jakob von Weizsäcker sind die Namen, die Berenberg-Volkswirt Holger Schmieding ins Rennen wirft. Eine entscheidende Rolle gibt er Olaf Scholz, dem Noch-Finanzminister in einer großen Koalition und möglicherweise künftigen Bundeskanzler einer Ampel-Koalition.

Denn die Entscheidung trifft die Bundesregierung, doch ob es die alte oder neue ist, macht für Schmieding keinen großen Unterschied. Vielmehr müsse eine geeignete Person für diese Aufgabe mit hohem Anforderungsprofil benannt werden.

So lautet die Einschätzung zu den fünf Kandidatinnen und Kandidaten:

CLAUDIA BUCH wäre als Vizepräsidentin der Bundesbank eine offensichtliche Kandidatin. Da sie sich aus Sicht von Schmieding in ihrer Position vergleichsweise bedeckt gehalten hat, sieht er sie eher nicht als offensichtliche Wahl für die Entscheider in Berlin. Ihre Ansichten würden innerhalb der EZB wahrscheinlich auf der etwas falkenhafteren Seite liegen, wenn auch wohl nicht so prominent "hawkish" wie Weidmann.

Dagegen habe sich ISABEL SCHNABEL seit ihrem Eintritt in das EZB-Direktorium 2020 zu einer wichtigen Kraft innerhalb der EZB entwickelt. Mehr als alle ihre deutschen Vorgänger in dem Gremium habe sie der Öffentlichkeit in Deutschland und der Eurozone die Gründe für die EZB-Politik erklärt und verteidigt, lobt der Berenberg-Volkswirt. Sollte sie zur Bundesbank wechseln, könnten andere potenzielle Kandidaten für jenen Posten ihre derzeitige EZB-Position einnehmen. Schnabels Ansichten scheinen dem Mainstream der EZB zu entsprechen. Im Gegensatz zu Weidmann gilt sie nicht als falkenhafte Außenseiterin und konnte so die Debatte in der EZB prägen.

Mit VERONIKA GRIMM hat Schmieding eine weitere Frau auf der Liste: Als Mitglied des Sachverständigenrats seit 2020 ist sie zu einer prominenten Stimme in der deutschen politischen Debatte geworden. Obwohl ihr Hintergrund eher in der Energie- als in der Geldpolitik liegt, hat die neue Position ihren Aufgabenbereich ausgeweitet. Inmitten der Diskussionen über den Spielraum für eine grünere Geldpolitik könnten viele in Berlin ihr fundiertes Wissen über grüne Themen vielleicht nicht als Nachteil ansehen, vermutet Schmieding.

Zu den beiden männlichen Kandidaten zählt Schmieding zum einen JAKOB VON WEIZSÄCKER, Chefvolkswirt im Bundesfinanzministerium. Er arbeite eng mit Scholz zusammen. Als prominenter Abgeordneter der SPD im Europaparlament von 2014 bis 2019 genieße er auch in der rechten Mitte ein recht hohes Ansehen. Seine Ansichten scheinen dem Mainstream der EZB nahe zu sein.

Zum anderen wäre MARCEL FRATZSCHER eine Option, meint der Berenberg-Experte. Bevor Fratzscher 2013 Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW in Berlin wurde, leitete er die Abteilung Internationale Politikanalyse bei der EZB. Damit sei er ein naheliegender Kandidat. Da er jedoch als sehr SPD-nah gilt, könnte er auf Einwände aus der rechten Mitte stoßen. Seine Ansichten könnten innerhalb der EZB auf der moderat taubenhaften Seite eingestuft werden.

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DJG/smh/apo

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October 20, 2021 08:38 ET (12:38 GMT)