Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte die Überarbeitung ihrer geldpolitischen Strategie nutzen, um einen Ausstieg aus den Negativzinsen und der unkonventionellen Geldpolitik zu ermöglichen. Das hat der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) gefordert. Derzeit verfolgt die EZB ein Inflationsziel von unter, aber nahe zwei Prozent, welches in der mittleren Frist erreicht werden soll - die Inflationserwartungen für diesen Zeitraum verharrten aber ungeachtet negativer Zentralbankzinsen und umfangreicher unkonventioneller Maßnahmen deutlich unter dem angestrebten Ziel.

"Die EZB sollte im Rahmen ihres Strategieprozesses ein durchschnittliches Inflationsziel ins Auge fassen, bei dem nach Phasen eines besonders geringen Preisanstiegs, wie er in den vergangenen Jahren zu beobachten war, eine vorübergehende Überschreitung des Inflationsziels toleriert wird", verlangte BVR-Vorstand Gerhard Hofmann. Als Folge würden niedrige Notenbankzinsen bei höheren Inflationserwartungen die Konjunktur ankurbeln und die Wachstumserwartungen im Euro-Währungsgebiet stärken. "Dies könnte den notwendigen Ausstieg aus der Negativzinspolitik und eine Rückführung der Anleihekäufe ermöglichen", meinte Hofmann.

Negativzinsen und hohe Anleihekäufe befeuerten nicht nur die Aktien- und Immobilienmärkte, sondern sie belasteten zugleich Banken, die auf das traditionelle Einlagen- und Kreditgeschäft ausgerichtet seien, gab der BVR-Vorstand zu bedenken. Im Rahmen ihres Strategieprozesses solle die EZB auch eine Berücksichtigung der Preise für selbstgenutzten Wohnraum in Erwägung ziehen. Die aktuell diskutierte aktivere Rolle der EZB in der Industriepolitik, etwa durch eine bevorzugte Behandlung "grüner" Banken und Wertpapiere im Rahmen von Refinanzierungsgeschäften und Anleihekäufen, sah der BVR kritisch. Den bisher gültigen Grundsatz der Marktneutralität sollte die EZB nicht ohne Not aufgeben.

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April 08, 2021 06:14 ET (10:14 GMT)