Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Europas Industrie wird nach Ansicht von Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding in den nächsten Jahren von dauerhaft höheren Gaspreisen zu Energieeinsparung durch Innovation gezwungen werden. In einem Kommentar zu den unerwartet schwachen Zahlen zur deutschen Industrieproduktion im Dezember schreibt der Ökonom: "Als Reaktion auf den Preisanreiz und die Aufforderung der Unternehmensleitung, die Energiekosten so weit wie möglich zu senken, werden die Unternehmen wahrscheinlich mit Innovationen aufwarten."

Mit der Zeit könnten die Unternehmen wahrscheinlich viele dieser Innovationen gewinnbringend in andere Teile der Welt verkaufen. "Europa ist gezwungen, sich zu einem weltweit führenden Unternehmen im Bereich der Energieeffizienz zu entwickeln", kalkuliert Schmieding. Im Zeitalter des Klimawandels könne ein Vorsprung bei der Verringerung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe zu einem Vorteil werden.

Schmieding geht davon aus, dass viele der Produktionsprozesse, die in den vergangenen neun Monaten stillgelegt wurden, nicht wieder in Betrieb genommen werden, zumindest nicht vollständig. "Deutschland wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich etwa 2 bis 3 Prozent seiner industriellen Kapazitäten an die USA und Arabien verlieren", schätzt er. Der Versuch, den Energiekostennachteil für die am meisten betroffenen Unternehmen durch Subventionen auszugleichen, wäre nach seiner Überzeugung eine Verschwendung von Steuergeldern.

Stattdessen wäre es billiger, die gasintensiven Produkte aus dem Ausland zu importieren. "Der starke Rückgang der gasintensiven Industrieproduktion ist ein wesentlicher Grund dafür, dass der deutsche Gasverbrauch in den letzten sechs Monaten um rund 15 Prozent gesunken ist, zusätzlich zu den Einsparungen durch den meist milden Winter. In diesem Sinne sei der Produktionsrückgang in der energieintensiven Industrie ein Teil der Lösung und nicht nur ein Teil des Problems.

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February 07, 2023 05:53 ET (10:53 GMT)