FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Nach den starken Kursverlusten insbesondere seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine erholen sich die Kryptowährungen zeitweise. Pläne der USA, diese Anlageklasse nicht zu verbieten, sondern zu regulieren, stützen die Stimmung. Entwarnung gibt es aber nicht.

10. März 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Die Berg- und Talfahrt der Krypto-Währungen geht analog zu den etablierten Kapitalmärkten weiter. Zur Wochenmitte erzielten der Bitcoin und andere große Krypto-Währungen den dritten großen Tagesgewinn seit Anfang Februar. Sie konnten damit einen Teil der Verluste der Vorwochen wettmachen. Am Donnerstagmittag notiert der Bitcoin bei 39.043 US-Dollar mit gut 6 Prozent im Minus. Ether verliert 5 Prozent auf 2.589 US-Dollar. Die Lage bleibt fragil

Politische Börsen haben kurzfristig extremen Einfluss

"Es ist unabsehbar, in welche Richtung der politische Konflikt geht, deshalb ist eine Erholung des Marktes noch nicht absehbar", sagt Nils von Schoenaich-Carolath, zuständig für digitale Assets beim Bankhaus Scheich. "Politische Börsen haben langfristig kurze Beine, aber kurzfristig haben sie einen extremen Einfluss."

Jan Duisberg von der ICF Bank erklärt: "Nach der weitreichenden Konsolidierung seit Jahresbeginn zeichnet sich Licht am Ende des Tunnels ab." Es komme nun auf eine allmähliche Bodenbildung an. "Andernfalls sind noch deutlich tiefere Kurse realistisch. Die sehe ich derzeit aber nicht." Viele Marktteilnehmer seien trotzdem nach wie vor nervös.

Adrian Fritz von 21Shares beschreibt einen eher ruhigeren Handel im Vergleich zum Vormonat. "Hier zeigt sich die Unsicherheit der Anleger." Sie fragten sich, wo sie jetzt anlegen sollen, da vor allem kleinere Kryptowährungen sehr volatil sind. "Die meisten Anleger bleiben derzeit erst einmal abwartend an der Seitenlinie."

Kein Verbot: US-Präsident will konstruktive Regulierung

Für Zuversicht sorgte eine Verordnung von US-Präsident Joe Biden zur künftigen Regulierung von Kryptowährungen. Sie solle erarbeitet werden, um einen verantwortungsvollen Umgang mit den Coins zu ermöglichen. Zugleich wolle die Regierung nach Aussagen von Biden prüfen, inwieweit ein digitaler US-Dollar Chancen und Risiken für die Zukunft des Geldes berge. US-Finanzministerin Janet Yellen nannte die Pläne "historisch".

"Grundsätzlich ist eine gesunde, vernünftige Regulierung aus institutioneller Sicht begrüßenswert, weil sie Sicherheit und Stabilität bringt und Investoren ermuntert, die Blockchain-Technologie zu nutzen", urteilt von Schoenaich-Carolath. Der Fokus müsse darauf liegen, Innovation und vernünftige Regularien in Einklang zu bringen. Darüber hinaus wolle die US-Regierung den digitalen US-Dollar, kurz CBDC, voranbringen. "Dieses Vorhaben, in Einklang mit durchdachter Regulierung des Krypto-Marktes, ist eine gute Nachricht."

Duisberg kommentiert: "Damit scheint ein Verbot der Krypto-Währungen vom Tisch." Auch Fritz bewertet die Aussagen des US-Präsidenten positiv: "Institutionelle Anleger waren im Vorfeld nervös, doch der Präsident hat sich konstruktiv geäußert." Vor allem der Fokus auf den Verbraucherschutz, die Finanzstabilität und auf illegale Aktivitäten sei nachvollziehbar. Im Vorfeld der Verordnung hatten Spekulationen, dass die USA Kryptowährungen verbieten könnten, immer wieder für Kurseinbrüche gesorgt. Allein schwankt der Bitcoin zwischen 35.091 und 47.777 US-Dollar.

Sanktionen mit Kryptos umgehen?

Andererseits wird auch an den Kryptomärkten die Wirksamkeit von Sanktionen diskutiert, nachdem Russland weitgehend vom weltweiten Finanzsystem ausgeschlossen worden war. Seitdem sind Käufe von Kryptowährungen in Rubel auf ein Rekordhoch gestiegen. Das Forschungsinstitut CryptoCompare meldet eine Verdreifachung des Handelsvolumens Krypto-Rubel.

Allein dem Aufruf der Ukraine nach Hilfe explizit in Kryptowährungen folgen viele Menschen: Die Human Rights Foundation hat nach eigenen Angaben 60 Millionen US-Dollar in Kryptos zur Unterstützung der Ukraine mit militärischen wie humanitären Mitteln erhalten. "Das hat die Kurse nicht bewegt, weil die Summen recht gering sind", sagt Duisberg. "Aber es ist ein weiterer Hinweis, dass Kryptowährungen ein akzeptiertes Zahlungsmittel sind." Die Frage sei nun, wie Staaten darauf reagieren.

Berichte, wonach russische Institutionen und Vermögende mit Hilfe der digitalen Währungen Sanktionen umgehen, sorgen seit Tagen für Aufsehen. Das US-Finanzministerium hatte Kryptobörsen aufgefordert, sanktionierte Organisationen und Personen zu sperren. Die größten Plattformen, Binance, Coinbase und Kraken verhängen kein generelles Verbot für Transaktionen mit russischen Adressen. Sie sperrten aber nach eigenen Angaben Konten von sanktionierten Personen.

Ohnehin seien die Möglichkeiten begrenzt: "Es ist rein technisch nicht möglich, ein Wallet einzufrieren, wenn eine Person den Private Key dazu selbst besitzt", erklärt von Schoenaich-Carolath die Gegebenheiten. Jedoch könnten Dienstleister, so genannte Anti Money Laundering Services, kurz AML, per Gesetz ermächtigt werden, verbotene Transaktionen zu melden. Den Aufwand der AML dürfe man nicht unterschätzen. Doch mit einer entsprechenden Gesetzgebung würden Transaktionen nicht mehr über eine regulierte Börse abgewickelt werden können. "Privater Handel mit Kryptowährungen lässt sich aber nicht verhindern."

Fritz sieht hier ein allgemeines Missverständnis der Marktteilnehmer und der Gesellschaft: Kriminelle Aktivitäten hätten den Anfang der Kryptowährungen geprägt. Jetzt machten sie laut Chainalysis Crime Report 0,215 Prozent aller Transaktionen aus. "Heute sind Krpytos transparent, alle Transaktionen sind einsehbar, verifizierbar." Außerdem sei die Liquidität des Kryptomarktes zu klein, als dass eine große Volkswirtschaft Sanktionen mittels dieser Asset-Klasse vollständig umgehen könne.

"Das ist die Kehrseite der Medaille", resümiert Duisberg. Der institutionsunabhängige Charakter der Kryptowährungen zeige, dass jedermann sie nutzen könne. "Damit bestätigt sich aber auch: Die Kryptos funktionieren, unabhängig von Staaten und Institutionen."

Im Handel derzeit Baskets und Bitcoin besonders gefragt

Den Handel der Privatanleger würden bei 21Shares aktuell vor allem Zuflüsse in Baskets prägen, um breiter zu diversifizieren. Darüber hinaus seien Produkte vor allem auf den Bitcoin (CH0454664001) gefragt.

Bei der ICF Bank auf dem Frankfurter Parkett findet ein Mix aus Käufen und Verkäufen statt. Hierbei sind nach Angaben von Duisberg vier Produkte besonders gefragt: Der Bitcoin-Trakcer von VanEck (DE000A28M8D0), das Pendant auf Ether (DE000A3GPSP7), ein Solana-Tracker von 21Shares (CH1114873776) sowie ein Basket (CH0445689208). "Der jüngste Anstieg von 7 bis 8 Prozent bei vielen Krypto-Währungen macht die Titel wieder für viele Anleger interessant."

von: Antje Erhard 10. März 2022, © Deutsche Börse AG

Über die Autorin: Antje Erhard ist Journalistin und Moderatorin mit den Schwerpunkten Börse, Wirtschaft und Finanzen.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)