FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Der Jahresanfangsrallye ist die Puste ausgegangen. Nicht nur die Aktien-, sondern auch die Anleihemärkte haben diese Woche geschwächelt, die Zinsen stiegen wieder. Denn nach kleineren Zinsschritten sieht es nun doch nicht aus.

20. Januar 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Stimmung hat sich gedreht an den Märkten, auch am Anleihenmarkt. "Nach dem fulminantem Jahresstart rücken Rezessionsängste wieder in den Vordergrund", berichtet Tim Oechsner von der Steubing AG. Der Auslöser: Die US-Notenbank Fed hatte am Mittwoch von einer weitgehend stagnierenden US-Wirtschaft berichtet. "Zudem belasteten jüngste Daten, die einen Rückgang der US-Verbrauchernachfrage und der Unternehmensinvestitionen signalisierten." Die Volatilität an den Finanzmärkten ist jedenfalls erhöht. "Das ist wohl auch damit zu erklären ist, dass es Unsicherheit über den geldpolitischen Ausblick gibt", erklärt Anleiheanalyst Ralf Umlauf von der Helaba.

Zuvor hatte viel Zuversicht geherrscht: Die Inflationsraten waren etwas zurückgegangen, der zuletzt deutlich gesunkene Gaspreis hatte Hoffnungen auf ein schnelleres Ende der Inflation geschürt. Gerüchte waren aufgekommen, dass nun nur noch kleinere Leitzinserhöhungen nötig seien.

Dem machte auch EZB-Chefin Christine Lagarde einen Strich durch die Rechnung: Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos erklärte sie am gestrigen Donnerstag, dass die Inflation nach wie vor viel zu hoch sei und die Notenbank beim Kampf gegen die Teuerung weiter "auf Kurs" bleiben müsse. "Von EZB-Präsidentin Lagarde gab es gestern keine Hinweise darauf, dass sich das Tempo der Zinserhöhungen abschwächen könnte", bemerkt Umlauf. Und Ratsmitglied Knot rechne mit mehreren Erhöhungen um jeweils 50 Basispunkte.

Gute Nachfrage im Börsenhandel

"Die große Frage bleibt letztlich: Wie geht es weiter mit den Zinserhöhungen?", fasst es Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank zusammen.

In Reaktion stiegen die Renditen, die seit Jahresanfang kräftig zurückgegangen waren, wieder. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen, die diese Woche unter 2 Prozent gerutscht war, liegt am Freitagmittag wieder bei 2,13 Prozent.

Anleihen bleiben unterdessen gesucht. "Es wird beherzt zugegriffen, auch wenn es für den Inflationsausgleich nicht reicht", berichtet Daniel. Gut an komme etwa eine bis 2043 laufende Spanien-Anleihe mit Kupon von 3,45 Prozent (ES0000012K95).

"Bonität muss gut, Name bekannt und Geschäftsmodell intakt sein"

Die "drei" muss draufstehen - das gilt vor allem auch im Geschäft mit Unternehmensanleihen. Das heißt: Anleihen mit 3 Prozent Rendite und Laufzeiten von zwei bis fünf Jahren werden gerne genommen. "Allerdings müssen die Bonität gut, die Namen bekannt und die Geschäftsmodelle intakt sein", stellt Oechsner fest.

Gesucht sind dem Steubing-Händler zufolge Papiere von Mercedes-Benz International Finance mit Kupon von 0,85 Prozent und Fälligkeit 2025 (DE000A2DADM7), LVMH mit 0,75 Prozent bis 2024 (FR0013257623), Hochtief mit 0,5 Prozent bis 2027 (DE000A2YN2U2), Deutsche Telekom mit 0,625 Prozent bis 2024 (XS1732232340) und Evonik mit 0,375 Prozent bis 2024 (DE000A185QA5). Alle bieten Renditen um 3 Prozent. "Immobilienanleihen bleiben allerdings unter Abgabedruck, etwa Papiere von Vonovia (DE000A1ZY989)."

"Die Kaufseite überwiegt", erklärt auch Gregor Daniel. Gut angenommen werde weiterhin die neue E.on-Anleihe mit 3,5 Prozent bis 2028 (XS2574873266). Neu auf den Einkaufslisten steht dem Händler zufolge ein Papier der Mercedes Benz Group, das noch bis 2028 läuft und 1,375 Prozent bietet (DE000A169NC2). Bei aktuellem Kurs ergibt das eine Rendite von 2,95 Prozent.

Emissionswelle läuft aus

So langsam wird es ruhiger bei den Neuemissionen. Petz berichtet von einer frischen EnBW-Anleihe mit 3,5 Prozent im Jahr, Fälligkeit 2028 (XS2579293619) und Stückelung von 1.000 Euro. "Da geht schon einiges um. 3,5 Prozent für fünf Jahre, das kommt schon gut an." Bis 2035 läuft die ebenfalls neue 4 Prozent-Anleihe von EnBW (XS2579293536), die bei der Steubing AG gehandelt wird.

Neues im Bereich der Staatsanleihen gab es von Seiten Griechenlands: Das Land kam mit einer bis 2033 laufenden Anleihe mit Kupon von 4,25 Prozent und Stückelung von 1.000 Euro auf den Markt, wie Daniel meldet. "Umsatz sehen wir noch nicht."

Emissionsvolumen so hoch wie nie: Noch nie wurden am Jahresanfang so viele Anleihen emittiert wie in diesem Jahr. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg meldet, wurde die Marke von 200 Milliarden Euro neu emittierter Bonds am europäischen Anleihenmarkt schon nach zwölf Arbeitstagen erreicht. 2022 und 2020 seien dazu 16 Arbeitstage nötig gewesen, 2021 17 und 2019 20 Arbeitstage.

von: Anna-Maria Borse, 20. Januar 2023, © Deutsche Börse AG

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