FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Unter anderem gute Konjunkturdaten treiben die Rohstoffpreise in die Höhe. So manchem Anleger geht das mittlerweile zu weit.

29. November 2017. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Der Ölpreis über 63 US-Dollar, der Goldpreis nahe 1.300 US-Dollar: Anleger werden langsam skeptisch. "Gewinne werden mitgenommen", berichtet Jan-Hendrik Hein von ETF Securities.

Am auffälligsten ist die Bewegung des Ölpreises: Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostet aktuell 63,45 US-Dollar, im Oktober waren es noch 55, im Juni 44 US-Dollar, im Tief vom Januar 2016 sogar nur 29 US-Dollar. Derzeit wartet alles auf den morgigen Donnerstag, dann treffen sich nämlich die Opec-Staaten und weitere Produzentenländer in Wien. Erwartet wird, dass die bis März 2018 geltenden Produktionskürzungen bis Ende des Jahres verlängert werden.

"Das neue Gravitationszentrum für den Ölpreis liegt bei 60 US-Dollar", bemerkt Heinrich Peters von der Helaba. Er geht fest davon aus, dass sich die Opec und Russland auf eine Verlängerung der Kürzungen bis Jahresende einigen werden. "Alles andere wäre eine große Enttäuschung." Unabhängig vom Ausgang des Treffens rechnet die Bank aber mit niedrigeren Notierungen in diesem Jahr, erst 2018 werde sich der Preis wieder stabilisieren. Das neue Prognoseband der Bank liegt bei 50 bis 70 US-Dollar.

Hohe Long-Positionen auf Öl

"Obwohl mit dem Treffen wohl die Markterwartungen erfüllt werden, sollten die Preise voraussichtlich unter Druck geraten", meint auch Barbara Lambrecht von der Commerzbank. "Ähnliches war im Mai nach der ersten Verlängerung des Kürzungsabkommens zu beobachten." Für einen Preisrückgang sprächen auch die noch immer fast rekordhohen Netto-Long-Positionen der spekulativen Finanzanleger und die im Prinzip weiterhin reichliche Versorgung des Marktes.

Zwar würden in den USA die Rohölvorräte aufgrund des Ausfalls der Keystone-Pipeline zunächst weiter fallen, das Problem sei aber lokal und temporär. "Grundsätzlich sind die Weichen für den Winter anders gestellt: Die US-Ölproduktion markiert von Woche zu Woche einen neuen Rekord." Zudem zögen dank der höheren Preise die Bohraktivitäten an, was für eine künftig noch schnellere Ausweitung der US-Ölproduktion spreche.

Betroffen von den Verkäufen bei ETF Securities war vor allem der ETFS Brent Crude (WKN A1N49P). An der Börse Frankfurt waren die Umsätze besonders hoch im db Brent Crude Oil Booster (WKN A1KYN5), im ETFS Brent 1mth (WKN A0KRKM) und im ETFS WTI Crude Oil (WKN A0KRJX).

Gold: lieber Kasse machen

Der Goldpreis nähert sich unterdessen der Marke von 1.300 US-Dollar je Feinunze, am Mittwochmorgen sind es 1.295,75 US-Dollar. "Gold wird wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt", meint Peters und begründet das mit den niedrigen Realzinsen, insgesamt wenig attraktiven Anlagealternativen und der nachlassenden Konjunktureuphorie bezüglich China. "Außerdem spricht das Diversifikationspotenzial für Gold." Peters rechnet damit, dass der Goldpreis im kommenden Jahr noch steigen wird.

ETC-Anleger sind offenbar kritischer und verkaufen, wie Hein berichtet. Zuvor war es bei Gold-ETCs (WKN A0LP78) vier Wochen lang zu Zuflüssen gekommen. "Wir erwarten zwar, dass die Fed die Geldpolitik weiter straffen wird, doch halten wir die Abwärtsrisiken von Gold für eher begrenzt, da die Realzinsen gedämpft bleiben, solange die Inflation in den USA an Fahrt gewinnt", meint Hein. Ein Schockereignis jedoch könne Gold nach oben treiben. "Für ein gut gestreutes Portfolio ist Gold ein attraktiver defensiver Wert."

An der Börse Frankfurt konzentrierten sich Anleger in den vergangenen vier Wochen auf Xetra-Gold (WKN A0S9GB), gefolgt von db Physical Gold Euro Hedged (WKN A1EK0G), Source Physical Gold (WKN A1MECS), db Physical Gold (WKN A1E0HR) und ETFS Physical Gold (WKN A0N62G).

Xetra-Gold, das zehnjähriges Bestehen am heutigen Mittwoch gefeiert wurde, kommt inzwischen auf 170 Goldbestand im Tresor in Frankfurt.

Dieselskandal sorgt für Palladium-Höhenflug

Der Silberpreis tritt auf der Stelle, aktuell wird die Feinunze zu 16,89 US-Dollar gehandelt. ETC-Anleger positionierten sich aber in Silber-Produkten, laut ETF Securities waren die Zuflüsse (WKN A0N62F) vor zwei Wochen so hoch wie zuletzt im September. Rund 8 Prozent der Silber-Nachfrage bezieht sich Hein zufolge zurzeit auf Photovoltaikzellen. "Dieser Anteil wird in den kommenden zehn Jahren mit dem Umstieg auf eine emissionsarme Wirtschaft voraussichtlich steigen." An der Börse Frankfurt wurde vor allem der db Physical Silver (WKN A1E0HS) rege gehandelt.

Zu immer neuen Höhen schwingt sich Palladium auf, der Preis liegt mittlerweile bei 1.028,50 US-Dollar - das ist mehr als doppelt so viel wie Anfang 2016. Der Anstieg ist auch Folge des Dieselskandals: Palladium wird für Abgaskatalysatoren benötigt, und zwar ausschließlich für Benziner. Platin wird hingegen vor allem in dieselbetriebenen Fahrzeugen eingesetzt, der Preis hinkt daher deutlich hinterher.

"Autofahrer kaufen im Moment verstärkt Benziner - zu Gunsten von Palladium und zum Nachteil von Platin", stellt Youn-Chong Choi von Heraeus Deutschland fest. "Es wird davon ausgegangen, dass die globale Nachfrage nach Palladium das Angebot um über 8 Millionen Unzen in diesem Jahr übersteigen wird." Gesetzt werden kann auf den ETFS Physical Palladium (WKN A0N62E) und den ETFS Physical Platinum (WKN A0N62D).

Wieder Nachfrage nach Industriemetall-ETCs

Viele reine Industriemetalle notieren weiter auf Mehrjahreshochs. Der Kupferpreis, der bis September stark gestiegen war und seitdem seitwärts tendiert, liegt mit jetzt knapp 6.800 US-Dollar je Tonne immer noch auf dem höchsten Stand seit drei Jahren. Aluminium kostet 2.102 US-Dollar, noch etwas unter dem Sechsjahreshoch von 2.210 US-Dollar von Ende Oktober. Zink ist mit 3.177 US-Dollar die Tonne weiter so teuer wie zuletzt vor zehn Jahren.

"Am Markt hatte man darauf gesetzt, dass Chinas Angebot sinkt und die Nachfrage stabil bleibt", bemerkt Peters. Jetzt zeige sich aber, dass sich die Nachfrage nicht so dynamisch entwickle. "Die Unsicherheiten um China, dem weltweit größten Nachfrager von Primärmetallen, wird noch bis zum Frühjahr oder Sommer anhalten." Die Bank prognostiziert daher eine Seitwärtsbewegung der Industriemetallpreise - bei großen Schwankungen.

Industriemetall-ETCs verzeichneten ETF Securities zufolge die höchsten wöchentlichen Zuflüsse seit Sommer 2014, zugegriffen wurde bei Rohstoffkörben wie dem ETFS Industrial Metals (WKN A0KRKG) sowie Kupfer-ETCs (WKN A0KRJU).

von: Anna-Maria Borse

29. November 2017, © Deutsche Börse AG

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