FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 18. November 2020. FRANKFURT. "Mega bullishe" internationale und ziemlich optimistische hiesige Anleger belasten nach Ansicht von Joachim Goldberg den Markt.

Seit unserer vergangenen Sentiment-Erhebung ist es um den DAX ruhig geworden. Zumindest betrug die Handelsspanne gerade einmal 2,1 Prozent - ein starker Kontrast zur Vorperiode, als wir ein Handelsband von über 10 Prozent registrieren konnten. Und dennoch kann man nicht von ereignislosen Tagen sprechen. Zumal am vergangenen Montag vom US-Biotechnologieunternehmen Moderna ein weiterer vielversprechender Impfstoff gegen das Covid-19-Virus präsentiert wurde. Aber obwohl es diese Meldung, was ihre Bedeutung betrifft, mit derjenigen von Biontech/Pfizer von ziemlich exakt einer Woche zuvor aufnehmen konnte, reagierte der DAX ausgesprochen verhalten. Mit anderen Worten: Die Impfstoff-Sensation aus der Vorwoche konnte wahrnehmungstechnisch nicht getoppt werden. Gewöhnungseffekte waren aber auch auf der anderen Seite zu beobachten. Denn auch die eher wenig ermutigenden Covid-19-Infektionszahlen sorgten nicht für Angst und Schrecken und brachten das Börsenbarometer nicht in Bedrängnis.

Wie bullish die Stimmung allerdings bei den internationalen Fondsmanagern zuletzt gewesen sein muss, vermittelt die gestern publizierte monatliche Umfrage der Bank of America (BofA). Dabei umfasst deren zeitlicher Rahmen vom 6. bis zum 12. November sowohl die Verkündigung des Impfstoffdurchbruchs von Biontech/Pfizer als auch den immer klarer werdenden Sieg Joe Bidens bei der US-Präsidentschaftswahl. Danach gaben netto 46 Prozent der Fondsmanager an, in Aktien übergewichtet zu sein - die Kassenquote sank von 4,4 auf 4,1 Prozent. Beide Werte kann man beinahe mit dem Prädikat "mega-bullish" versehen.

Nennenswerte Gewinnmitnahmen bei Privatanlegern

In optimistischer Verfassung präsentieren sich auch die von uns befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren. Allerdings ist unser Börse Frankfurt Sentiment-Index gegenüber der Vorwoche nur geringfügig um 3 Punkte auf einen neuen Stand von +27 gestiegen - es handelt sich dabei aber immerhin um den zweithöchsten Wert dieses Jahres; lediglich Anfang März notierte das Stimmungsbarometer noch höher. Dabei gab es zwischen den einzelnen Gruppierungen des Panels nur geringfügige Verschiebungen bzw. Positionsadjustierungen zu beobachten. Bemerkenswert: Es ist nicht zu wesentlichen Gewinnmitnahmen gekommen.

Eine deutlichere Stimmungsveränderung verzeichnen wir indes für das Panel der Privatanleger, deren Börse Frankfurt Sentiment-Index um 11 Punkte auf einen Stand von +14 gefallen ist. Die ehemaligen Optimisten verteilen sich etwa zu gleichen Teilen auf das Lager der Pessimisten und das der neutral eingestellten Akteure. Man kann davon ausgehen, dass ein Teil der Befragten angesichts fehlender überzeugender weiterer Kursanstiege beim DAX schlichtweg die Geduld verloren hat.

Internationale Kapitalreserven

Mit der heutigen Befragung ergibt sich nun eine Stimmungskluft zwischen privaten und institutionellen Investoren. Letztere scheinen mehrheitlich noch auf eine Trendfortsetzung bzw. den Beginn einer Jahresendrallye zu warten. Dafür bedarf es allerdings weiterer Nachfrage in einem bereits sehr bullishen internationalen Umfeld. Immerhin: Zumindest für die Eurozone zeigt die vorgenannte BofA-Umfrage noch Reserven, denn nach eigenen Angaben der internationalen Vermögensverwalter sind von ihnen nur noch netto 18 Prozent in Aktien der Eurozone übergewichtet - ein Minus von 8 Prozentpunkten gegenüber der Oktober-Umfrage. Vermutlich geschah dies bereits in der zweiten Oktoberhälfte während der deutlichen Aktienmarktkorrektur. Gut möglich, dass die internationalen Fondsmanager im Zuge eines DAX-Rücksetzers (12.700?) durch entsprechende nachzuholende Käufe ihre ursprüngliche Übergewichtung in Aktien der Eurozone wieder herstellen.

Unter dem Strich kann man von einem guten heimischen Optimismus sprechen, der allerdings - im Gegensatz zu den internationalen Pendants - noch nicht überbordend zu nennen ist. Allerdings zeigte sich, dass die Bereitschaft, auf dem derzeitigen Niveau noch eine Schippe auf die bullishen Positionen drauf zu legen, recht gering ist. Eine Bereitschaft, die sich bei sinkenden Kursen erhöhen könnte und dem DAX im Fall des Falles somit eine Stütze wäre.

18. November 2020, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)