FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Mit Aktienkäufen feiern Anleger rund um den Globus den Sieg von Biden. Für technisch orientierte Analysten passt die gute Stimmung am Markt zur Saison. Eine Jahresendrallye für den DAX scheint möglich.

9. November 2020. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Trotz Sieg von Joe Biden bleibt die Wahl den Finanzmärkten über die juristische Anfechtung der Ergebnisse durch Donald Trump hinaus erhalten. Nachdem über die Machtverteilung im Senat erst mit der Stichwahl in Georgia entschieden wird, stehen unter anderem das mögliche Ausmaß der Corona-Konjunkturhilfen und von den Demokraten propagierte etwaige Steuererhöhungen in den Sternen.

Hinzu kommen Fragen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der an Intensität zunehmenden zweiten Corona-Welle. "Die gute Nachricht ist, dass der ökonomische Schaden der Novemberbeschränkungen, die ich nicht Lock Down nennen möchte, nur ein Bruchteil des BIP-Einbruchs im Frühjahr betragen dürfte", meint Martin Lück von BlackRock. Marktteilnehmer, die durch die zweite Corona-Welle hindurchschauen und darauf setzen, dass sich ab etwa Mitte 2021 das Leben graduell normalisieren dürfte, machten daher vermutlich vieles richtig.

Bereits in der Wahlwoche gaben sich Börsianer risikofreudig, der deutsche Aktienindex legte um fast 8 Prozent auf 12.480 Punkte zu und machte damit die Verluste der Vorwoche wieder wett. Nach guten Vorgaben aus Asien eröffnete der DAX am Morgen mit 12.713 Punkten nochmals gestärkt. Am Vormittag steht er bei gut 12.700 rund anderhalb Prozent im Plus.

Jahresendrallye denkbar

Die freundliche Tendenz am Aktienmarkt passt laut Christoph Geyer von der Commerzbank zum saisonalen Zyklus sowohl eines Wahljahres als auch eines Jahres ohne Urnengang. Aus technischer Perspektive habe sich der DAX nach seinem Ausflug unter die Unterstützungslinie zum Wochenschluss wieder in den Seitwärtsbereich hochgearbeitet. Ein Anstieg bis an die obere Trendkanalbegrenzung wäre nach Auffassung Geyers in den kommenden Wochen möglich. Im Rahmen einer Jahresendrallye bestehe nun gar die Chance auf einen Anstieg an die alten Tops vom Jahresanfang.

Volatil weiter gen Norden

Trotz vieler Belastungsfaktoren spricht nach Ansicht von Markus Reinwand von der Helaba auch mittelfristig einiges für Aktien, wenngleich es kurzfristig immer wieder Rücksetzer geben könne. Zusätzliche Konjunkturpakete befänden sich in der Pipeline, die Geldpolitik sei extrem expansiv und werde dies auf absehbare Zeit bleiben. Zudem bestünde Aussicht auf eine baldige Verfügbarkeit von Impfstoffen "Gleichzeitig gibt es angesichts rekordniedriger Zinsen keine ernst zu nehmende Konkurrenz für Dividendentitel." Nach einer zwischenzeitlichen Verlangsamung dürfte die Konjunkturdynamik Reinwand zufolge im kommenden Jahr wieder deutlich an Dynamik gewinnen.

Einigung in letzter Minute?

In London wird heute das Tauziehen hinsichtlich des Handelsabkommens nach dem EU-Austritt fortgesetzt. EU-Kommissar Thierry Breton beziffert die Wahrscheinlichkeit einer Einigung in letzter Minute zwischen London und Brüssel derzeit auf 50 Prozent. Viel Zeit bleibt nicht, die Übergangsfrist läuft zum 1. Januar 2021 aus. Sollte ein Übereinkommen ausbleiben, wäre das Ausmaß neuer Zölle und Abgaben im Handel mit Großbritannien nicht abschätzbar. "Eine Blaupause gibt es nicht", stellt Chris-Oliver Schickentanz von der Commerzbank fest. "Die Belastungen für die Wirtschaft dürften aber erheblich sein."

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten

Viele heimische Konzerne aus der ersten und zweiten Reihe bringen in dieser Woche ihre Zahlen. Unter anderem öffnen Infineon, Adidas, E.ON, RWE, Deutsche Telekom, Siemens, Merck, 1&1, Henkel, Talanx, Varta, Jungheinrich, Porsche und Deutsche Post ihre Bücher.

Dienstag, 10. November

11.00 Uhr. Deutschland: ZEW Konjunkturerwartungen, November. Weniger strikte Corona-Maßnahmen als in anderen Teilen Europas werden sich laut Umfragen mit geschätzten minus 63 Punkten im deutschen Index des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) widerspiegeln. Das viel beachtete Barometer misst die mittelfristigen Erwartungen institutioneller Anlegern und Analysten zur Konjunktur- und Kapitalmarktentwicklung.

Donnerstag, 12. November

8.00 Uhr. UK: Bruttoinlandsprodukt drittes Quartal. Nach dem massiven Einbruch im zweiten Quartal dürfte der Wert für August bis Oktober unter anderem aufgrund des wachsenden privaten Konsums deutlich höher ausfallen. Der Konsens liegt bei 15,6 Prozent. Damit bewegt sich Großbritanniens BIP immer noch etwa 9 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Für das vierte Quartal rechnet die DekaBank aufgrund der erneuten Pandemie-bedingten Einschränkungen erneut mit einer BIP-Schrumpfung. Diese werde allerdings deutlich geringer ausfallen als im Frühjahr.

von: Iris Merker

9. November 2020, © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)