FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters geht der Frage nach, ob die Aktienmärkte tatsächlich volatiler geworden sind und inwieweit das mit mehr Risiko gleichgesetzt werden kann.

30. November 2020. FRANKFURT (pfp Advisory) Wenn sich am heutigen Montag im Tagesverlauf nicht noch ein plötzlicher Absturz des Marktes ereignet, dann wird der November 2020 wohl als einer der ganz besonders guten Börsenmonate in die Geschichtsbücher eingehen. Ein spürbar prozentual zweistelliges Plus binnen von gerade mal 21 Handelstagen ist schon ein Paukenschlag. Stetig wachsende Zuversicht, dass sich die Corona-Pandemie ihrem Ende zu bewegt, nachdem gleich mehrere Pharmakonzerne sehr erfreuliche Daten zu wahrscheinlich schon sehr bald einsetzbaren Impfstoffen veröffentlicht haben, war der wesentlichste Trigger. Die Freude über den dann doch klaren Wahlausgang in den USA ein weiterer.

Aber sicher spielte auch eine Rolle, dass die Märkte im Oktober steil abgefallen sind, auch wenn die Rally im November die vorherigen Verluste mehr als nur kompensiert hat. Gleichwohl bleibt zu konstatieren: Abermals kam es zu sehr intensiven Schwankungen in beide Richtungen binnen kurzer Zeit. Nachdem wir erst im Frühjahr einen dramatischen Sturz mitsamt schwungvoller V-Umkehr erlebt haben und Anlegern auch noch der Sturz im vierten Quartal 2018 mitsamt der ebenfalls plötzlichen und steilen Erholung zu Beginn 2019 in den Knochen steckte, stellt sich schon die Frage: Gehören auch derartige Schwankungen der Preise an den Märkte zum in diesen Tage gerne zitierten "new normal"?

Ganz abwegig erscheint dies alleine vor dem Hintergrund des historisch beispiellosen Eingriffs der Notenbanken rund um den Erdball nicht. Eine derartige Geldschwemme kann kaum wirkungslos für die Märkte sein. Gleichermaßen gilt, dass ein auch nur angedachtes Ende dieser Party auch schnell für deutlichen Schrecken sorgen kann, um auch noch mal die Ursache für den plötzlichen Absturz im Dezember 2018 ins Gedächtnis zu rufen. Müssen wir also auch in den kommenden Jahren mit einem deutlich erhöhten Risiko, gemessen an der Volatilität, leben?

Diese Frage kam in den Vorwochen in der Tat mehrfach im (natürlich digitalen) Austausch auf, den ich mit verschiedenen Vermögensverwaltern und Finanzberatern hatte. Und in der Tat würde auch ich nicht wegdiskutieren, dass Aktienanlagen nicht nur sehr volatil waren in den vergangenen Jahren und es gute Gründe gibt, dass es so bleiben könnte. Gleichwohl stufe ich die Gleichung "höhere Schwankungen der Marktpreise = höheres Risiko" in dieser Deutlichkeit als falsch ein, und das aus mehreren Gründen.

Ganz wesentlich für die hohe Schwankung ist nun mal der Umstand, dass an der Börse notierte Aktien täglich handelbar sind und es somit täglich Preise gibt. Daraus, gerade in Abgrenzung zu Private Equity, ein Risiko zu konstruieren, halte ich für methodisch diskutabel. Nehmen wir das plakative Beispiel von zwei Flughafenbetreibern, an denen sich Anleger über den Aktienmarkt oder halt über Private Equity Fonds beteiligen. Aktionären werden die in diesem Jahr tatsächlich sehr dynamisch veränderten Einschätzungen über die Werthaltigkeit des Geschäftsmodell schneller und deutlicher vor Augen geführt. Dass im Alternativszenario das Geschäftsmodell weniger riskant ist, trifft indes nicht zu. Ich halte die tägliche Handelbarkeit (die naturgemäß mit einer täglichen Preisstellung einher geht) für einen positiven Aspekt, erhöht sie doch die Flexibilität der Investoren.

Anlegern, die Geldanlagen am Aktienmarkt einen langfristigen Zeithorizont zusprechen, bietet die Volatilität im Übrigen durchaus auch Chancen, bei der Anlage etwa über Sparpläne an temporären Abstürzen zu partizipieren. Kritischer sehe ich persönlich Versuche, etwa über Derivate, diese rasanten Schwankungen optimal ausnutzen zu wollen, könnte dies doch auch für irreversible Vermögensschäden sorgen.

Um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen: Ob die Märkte nun nachhaltig stärker schwanken werden als in der ersten Hälfte der 2010er Jahre beispielsweise, vermag ich nicht abschließend zu beurteilen. Es ist aber meiner Ansicht nach so, dass es gute Gründe gibt, mit etwaigen Schwankungen gelassener umzugehen. Dieses passt doch auch gut in die gerade startende Adventszeit.

von Roger Peeters,

30. November 2020, © pfp Adivisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 20 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow Fonds (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)