Obgleich Rezessionsängste den Finanzmärkten in den letzten Wochen stark zugesetzt haben, tendierten die Leitindizes am Freitag wieder aufwärts - nicht zuletzt dank der deutlichen Entspannung am Anleihemarkt und des Rückgangs der Ölpreise. Die jüngsten geldpolitischen Straffungsmaßnahmen der Notenbanken hatten große Besorgnis ausgelöst. Da sich die Marktteilnehmer aber zum Teil günstig eindecken konnten, verzeichneten die wichtigsten Indizes letztlich eine positive Wochenperformance. Doch ist wohl weiter mit einem volatilen Umfeld zu rechnen - der Beginn der Berichtssaison für das 2. Quartal steht unmittelbar bevor.
Wochenperformance*
DAX
13118  -0.06%Chart
DELIVERY HERO SE +12.66%
SYMRISE AG +9.17%
HELLOFRESH SE +9.14%
BASF SE -6.81%
BAYER AG -7.61%
BRENNTAG SE -10.22%
STOXX EUROPE 600
412.93  +2.40%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500 INDEX
3911.74  +6.45%
Chart S&P 500 INDEX
NIKKEI 225
26491.97  +2.04%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1826.10$  -0.67%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
112.44  -1.29%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.06$  +0.59%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Gewinner

Valneva (+59 %): Der französische Impfstoff-Hersteller zählte zu den Gewinnern der Woche und hat das Interesse von Pfizer geweckt. Der US-Pharmakonzern steigt mit einer Beteiligung von 8,1 % ein und zahlt dafür 90 Mio. EUR. Gemeinsam arbeiten die beiden Unternehmen an der Entwicklung eines Lyme-Borreliose-Impfstoffs. Gleichzeitig gab die EU grünes Licht für den von Valneva entwickelten Covid-19-Impfstoff.

Zendesk (+32 %): Der US-Softwarehersteller stimmte der Übernahme durch eine von Permira und Hellman & Friedman angeführte Gruppe von Finanzinvestoren zu, deren Offerte sich auf 10,2 Mrd. USD bzw. 77,50 USD pro Aktie beläuft.

Roblox (+30 %): Der Spezialist für Videospiele profitierte von der allgemeinen Kauflust der Anleger. Diese nutzten die Kursschwäche, als die Aktie unweit ihrer Allzeittiefs notierte.

Chewy (+27 %): Der Händler für Heimtierbedarf überraschte den Markt mit einem unerwartet soliden Quartalsgewinn von 18,5 Mio. USD und einer optimistischen Jahresprognose, mit der die Erwartungen ebenfalls übertroffen wurden.

Jyske Bank (+15 %): Das Geldhaus wird das Dänemark-Geschäft der schwedischen Svenska Handelsbanken zu einem nicht veröffentlichten Kaufpreis übernehmen. Die schwedische Bank hatte im Oktober ihren Rückzug aus Dänemark und Finnland bekannt gegeben. Ihrer Ansicht nach hat sie kaum Chancen, ohne umfangreiche Investitionen auf diesen Märkten stärker Fuß zu fassen.

JD Sports Fashion (+10 %): Der in London notierte Sportbekleidungshändler meldete eine satte Verdopplung seines Jahresgewinns von 324 Mio. GBP im Vorjahr auf 655 Mio. GBP in diesem Jahr.


Verlierer

DaVita (-13 %): Der Konzern hat vor dem obersten US-Gericht im Streit mit einem Krankenhaus in Ohio über die Kostenerstattungen für Dialysebehandlungen eine Niederlage kassiert. DaVita hatte das Krankenhaus verklagt, weil es die Anbieter von Dialyse-Leistungen als extern einstuft und ihnen für Dialysebehandlungen die niedrigste Erstattungsrate gezahlt hat.

Kingspan (-13 %): Der irische Baustoffkonzern hat sehr solide Ergebnisse vorgelegt. Die Marktakteure konzentrierten sich allerdings auf die eingetrübten Aussichten. Die UBS sieht angesichts der deutlich rückläufigen Auftragseingänge erste dunkle Wolken am Himmel. Die Meldung wirkte sich auf den gesamten Baustoffsektor aus, wie die kräftigen Wochenverluste bei Rockwool und Saint-Gobain zeigen.

Freeport-McMoran (-13 %): Der US-Bergbauwert bekam diese Woche die Abkehr der Anleger von Rohstofftiteln schmerzhaft zu spüren.

Umicore (-14 %): Das belgische Unternehmen hat seine Ziele für 2030 hoch gesteckt. Gleichzeitig bezifferte es seinen Investitionsbedarf bis 2025 auf 5 Mrd. EUR, sodass laut Jefferies eine Kapitalerhöhung sehr wahrscheinlich ist. Die Aktie litt unter den Aussichten auf eine Verwässerung.

Indra Sistemas (-19 %): Die Aktie des spanischen Technik- und Verteidigungsspezialisten fiel ins Bodenlose, nachdem die Aktionäre einer Umbesetzung des Verwaltungsrats zugestimmt hatten, die der Regierung stärkere Kontrolle gibt. Kepler Cheuvreux wies in einer Kundenmitteilung darauf hin, dass sich das Unternehmen nun in den Händen der spanischen Regierung befindet und die Stimme der Minderheitsaktionäre im Verwaltungsrat nicht mehr vertreten wird. Ermöglicht wurde die Veränderung des Verwaltungsrats vor allem durch die Kapitalbeteiligung des aktivistischen Investors Amber.
Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Rohöl: Der Ölpreis ist angesichts des makroökonomischen Gegenwinds die zweite Woche in Folge gesunken. Die Sorgen über den künftigen Kurs der US-Notenbank Fed nehmen zu, denn mit ihrer Inflationsbekämpfung könnte sie die US-Wirtschaft in eine Rezession treiben. Die Lage am Energiemarkt ist nach wie vor angespannt. Die Internationale Energieagentur rechnet wegen des schrumpfenden Angebots aus Russland sogar mit einer weiteren Zuspitzung. Beim Ölpreis ist derweil ein Rückgang zu verzeichnen: Die Nordseesorte Brent notiert aktuell bei 113 USD je Barrel und die US-Leichtölsorte WTI bei 107 USD.

Metalle: Industriemetalle setzten letzte Woche ihre Talfahrt fort. Die Unsicherheiten über die Nachfrage nach Basismetallen treffen das Segment mit voller Wucht. Eine Tonne Kupfer kostet aktuell ca. 8.500 USD und damit deutlich weniger als auf dem Höchststand von 10.700 USD im März 2022. Der Zinkpreis rutschte ebenfalls ab. Die Zinkbestände sind den Angaben der LME zufolge erneut gefallen, sodass die Lage im Sektor angespannt bleibt. Im Segment Edelmetalle konnte der Goldpreis aufgrund von Rezessionsängsten keinen Boden gutmachen. Positive Realrenditen an den Anleihemärkten machen Gold zu schaffen, da das Edelmetall naturgemäß keine Rendite abwirft.

Agrarprodukte: Agrarrohstoffe konnten sich dem allgemeinen Abwärtstrend in dieser Woche nicht entziehen. Das US-Landwirtschaftsministerium unterstrich in seinem letzten Wochenbericht, dass sich die Bedingungen für den Weizenanbau in den USA verbessert haben. Außer Acht gelassen wurde dabei allerdings, dass bei den Verhandlungen über ein Ende der Blockade in der Ukraine und eine Rückkehr des ukrainischen Angebots auf die internationalen Märkte über das Schwarze Meer keine Fortschritte erzielt wurden. Die jüngsten russischen Bombardierungen ukrainischer Häfen wie Mykolaiv verheißen nichts Gutes für den Verlauf der Gespräche. In Chicago sank der Weizenpreis auf 950 Cent je Scheffel. Der Maispreis verharrte bei 750 Cent je Scheffel. Der Baumwollpreis sackte diese Woche um fast 15 % auf 1,22 USD je Pfund ab.
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Derzeit sind zwei gegenläufige Tendenzen zu beobachten, denn die deutliche Erholung der Aktienindizes in der vergangenen Woche lässt sich nicht unbedingt mit der makroökonomischen Datenlage erklären. Die Flash-PMIs haben sich als Barometer für die Stimmung der Einkaufsmanager vom Mai zum Juni vor allem in Deutschland, Frankreich und den USA deutlich verschlechtert. Was sich gegenüber den Vorwochen aber geändert hat: Die Anleger geraten nicht mehr in Panik, wenn die Währungshüter einen schärferen Ton anschlagen. Sie zeigen sich nun wieder eher geneigt, Risiken einzugehen, weil sie auf günstige Kaufgelegenheiten hoffen und auf Zinsschritte setzen, die sich weniger nachteilig auf die Konjunktur auswirken als befürchtet. Fazit: Eine Erholung der Aktienmärkte, die noch auf wackligen Füßen steht, aber im Wochenverlauf weiter Fahrt aufgenommen hat.

Anleihen: Die Renditen von US-Staatsanleihen sind weiter zurückgegangen und liegen wieder im Bereich von 3,10 %. Die Anleger gehen also davon aus, dass die US-Notenbank Fed nicht so stark an der Zinsschraube drehen muss, wie sie noch vor zehn Tagen befürchtet hatten. Die Optimisten sehen den Grund darin, dass die Notenbanker die Inflation wohl doch erfolgreich eindämmen können. Dagegen rechnen die Zyniker damit, dass eine einsetzende Rezession die Fed ohnehin dazu zwingen wird, den Fuß von der Bremse zu nehmen. Die Rendite 5-jähriger Anleihen liegt nach wie vor leicht über dem Niveau 10-jähriger Papiere, was auf eine gewisse Nervosität der Marktteilnehmer hindeutet. In Europa rentierten deutsche Bundesanleihen mit 1,48 % und lagen damit leicht unter dem Niveau der Vorwoche. Zum Wochenschluss zeichnete sich jedoch eine erneute Aufwärtsbewegung ab. Französischen Staatsanleihen werfen aktuell 2,02 % ab, italienische Titel 3,48 %. Damit weitet sich der Spread zwischen letzteren und den deutschen Staatspapieren erneut auf 200 Basispunkte.

Devisen: Der Schweizer Franken wertete gegenüber dem Euro weiter auf und notierte bei 1,00677 CHF für 1 EUR. Verantwortlich waren die Nachwirkungen der etwas unerwarteten doppelten Leitzinsanhebung durch die Schweizerische Nationalbank in der Vorwoche. Letzte Woche war die UBS davon ausgegangen, dass die Parität innerhalb weniger Wochen wieder erreicht werden würde. Ihrer Ansicht nach verfolgt die SNB eine überzeugendere Straffungsstrategie als die EZB. Der EUR/USD-Wechselkurs blieb nahezu unverändert bei 1,0529 USD. Beide Währungen setzen gemeinsam ihre Talfahrt gegenüber dem Rubel fort, dessen Kurs etwa 30 % über dem Niveau zu Jahresbeginn notiert. Dass Wladimir Putin den Westen zwingen will, seine Energierechnungen in Rubel zu begleichen, zahlt sich also bislang aus.

Kryptowährungen: Der Bitcoin tendierte im Wochenverlauf weiter seitwärts und bewegte sich bei Redaktionsschluss im Bereich von 21.000 USD. Nachdem der Börsenwert der Kryptowährung allein seit Anfang Juni um knapp 35 % gesunken ist, befindet sich der Preis nun wieder in der Nähe des Höchststands während der Hausse 2017. Fans von Kryptowährungen werden in einem für Risikoanlagen nach wie vor ungünstigen makroökonomischen Umfeld gute Nerven brauchen, bis der Bitcoin seinen Abwärtstrend beendet.

Termine: Am Mittwoch nehmen die wichtigsten Währungshüter an einer von der EZB organisierten Veranstaltung in Portugal teil. Höhepunkt dieses Tages ist eine um 15:30 Uhr stattfindende Diskussion zwischen Christine Lagarde, Andrew Bailey und Jerome Powell. Diese sollte man also aufmerksam verfolgen, ebenso wie die Zahlen zum US-Verbrauchervertrauen am Dienstag, die Aufschluss darüber geben dürften, ob der wichtigste Konjunkturmotor auf der anderen Seite des Atlantiks noch rund läuft. Von Interesse sind am Mittwoch darüber hinaus die deutschen Inflationszahlen des Monats Juni (um abzuschätzen, was die EZB in den nächsten Wochen noch alles planen könnte). Am Donnerstag stehen dann die Zahlen zur Verbraucherpreisentwicklung in den USA an - ein Indikator, den die Fed bei der Steuerung ihrer Geldpolitik genauestens beobachtet.
Kurs und Volumen
Ein Hoffnungsschimmer
Nach der Stabilisierung zu Wochenbeginn scheinen die Zeichen an den Märkten wieder auf Erholung zu stehen. Die Rahmenbedingungen haben sich keineswegs geändert, doch scheinen die Befürchtungen über eine eventuell bevorstehende Rezession inzwischen teilweise eingepreist zu sein. Der US-Notenbank Fed bleibt aber nun mal gar nichts anderes übrig, als die Inflation zu bekämpfen, indem sie ihre Leitzinsen erhöht. Eine zu starke Anhebung könnte allerdings das Wachstum abschwächen und damit möglicherweise zu einer Rezession führen - wenn die Schwächephase anhält. Auch der Begriff der Stagflation ist gerade wieder in aller Munde. Aus historischen Gründen fürchten die Märkte dieses Schreckgespenst, das sich seit den 1970er Jahren nicht mehr gezeigt hat. Unter den aktuellen Bedingungen gilt es für die Anleger, bei der Auswahl ihrer Investments weiterhin Vorsicht walten zu lassen. Wichtig ist insbesondere die Qualität der im Portfolio gehaltenen Titel: Profitable Unternehmen mit solidem freiem Cashflow, geringem Fremdkapitalbedarf, niedriger Verschuldung, struktureller Preismacht und nachhaltig generierten Ergebnissen sowie geringer Abhängigkeit von den Konjunkturzyklen sollten bevorzugt werden. So jedenfalls die Überzeugung, die wir bei MarketScreener für die kommenden Wochen und Monate vertreten. Und eine Rezession bedeutet ja auch nicht das Ende der Welt. Langfristig orientierte Anleger machen sich daher aktuell keine allzu großen Sorgen über Marktturbulenzen und nutzen die Gelegenheit, um sich günstig einzudecken.
Wir wünschen Ihnen ein schönes Wochenende!
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.