Diese Woche endete besser als sie begonnen hatte: Die europäischen Finanzmärkte verzeichneten unter dem Strich nur ein leichtes Minus - im Gegensatz zu den USA, wo es aufgrund des befürchteten weltweiten Konjunkturabschwungs deutlicher bergab ging. Am Freitag versuchten sich die Marktteilnehmer günstig einzudecken, und die neuen Stützungsmaßnahmen der chinesischen Zentralbank fanden positive Resonanz. Die Währungshüter hatten verlauten lassen, ihren Vorzugszins für über fünf Jahre laufende Kredite stärker als erwartet senken zu wollen.
Wochenperformance*
DAX
13981  -0.33%Chart
STOXX EUROPE 600
431.10  -0.55%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
3901.36  -3.05%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
26739.03  +1.18%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1845.60$  +1.79%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
112.54  +1.08%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.05$  +1.45%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Gewinner

Siemens Gamesa (+24,5 %): Die deutsche Muttergesellschaft Siemens Energy bestätigte diese Woche Gerüchte, wonach die spanische Tochtergesellschaft, an der sie eine 67-prozentige Beteiligung hält, von der Börse genommen werden soll. Möglicherweise wird es eine Offerte für eine Barübernahme geben. Die Geschäftszahlen von Siemens Gamesa sind derzeit sehr enttäuschend, und eine Börsennotierung als eigenständiges Unternehmen ist kaum noch gerechtfertigt.

NIO (+16 %): Die Aktie des chinesischen Elektroauto-Herstellers profitierte von ihrem Börsendebüt in Singapur und der Hochstufung durch die Bank of America von Neutral auf Kaufen. Das Kursziel wurde von 25 auf 26 USD angehoben.

Rockwool (+14 %): Der dänische Hersteller von Dämmstoffen für die Bauindustrie präsentierte ungeachtet der Kosteninflation einen optimistischen Ausblick. Mehrere Analysten schraubten daraufhin ihre Empfehlungen hoch. Société Générale stufte die Aktie von Verkaufen auf Halten hoch und sieht das Kursziel bei 2.000 DKK. Exane BNP Paribas setzte den Titel von Underperform auf Neutral (Kursziel: 2.400 DKK).

Engie (+12 %): Der französische Energiekonzern hat recht solide Ergebnisse veröffentlicht und seine Prognosen angehoben. Dies erfreute die Anleger, die bei der Aktie ansonsten eher Enttäuschungen gewöhnt sind. Außerdem wird Engie den Verkauf von Equans an Bouygues in absehbarer Zeit unter Dach und Fach bringen.

Verlierer

Target (-30 %): Die traditionellen US-Einzelhändler mussten diese Woche allesamt kräftig Federn lassen. Sie warnten davor, dass sie angesichts der zunehmenden Kosten (Löhne, Beschaffung, Treibstoff) und der Umsatzentwicklung in einem Dilemma stecken. Target gehörte zu den größten Verlierern. Die Anleger wurden auf dem falschen Fuß erwischt, da sie den Sektor defensiver eingestuft hatten. Ähnlich erging es anderen Einzelhändlern in allen Produktsegmenten. Die Aktien des Discounters Dollar Tree, des Großhändlers Costco Wholesale und des Spezialeinzelhändlers Best Buy stürzten ab. Der Rivale Walmart gab im Wochenverlauf 19,6 % nach. 

Cisco (-16 %): Der renommierte US-Netzwerkausrüster senkte seine Prognose für das Geschäftsjahr 2022. Das Unternehmen leidet unter den Lieferengpässen aufgrund des Ukraine-Kriegs und den Lockdowns in China.

Compagnie Financière Richemont (-13,5 %): Die Jahresergebnisse sind trotz des kräftigen Wachstums enttäuschend ausgefallen. Schuld daran waren die steigenden Kommunikationskosten. Die fehlenden Fortschritte bei der Veräußerung von YNAP (Yoox-Net-A-Porter) und die zähen Verhandlungen sorgten bei den Anlegern ebenfalls für Enttäuschung.
Chart Rohstoffe
Rohstoffe
Der Rohölpreis tendierte seitwärts und bewegte sich bei den globalen Referenzsorten Brent und WTI zwischen 105 und 115 USD je Barrel. Einige Tage lang war WTI sogar teurer als Brent. Trotz der Atempause in der vergangenen Woche sind die Risiken angesichts des Wiederhochfahrens der Wirtschaft in China und der anhaltenden Bemühungen der EU um ein Embargo für russisches Öl nach wie vor erhöht.
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Die Straffung der Geldpolitik ist an den Märkten zum Dauerthema geworden. Statt alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Wirtschaft zu retten, scheinen sich die Notenbanken der westlichen Industrieländer nun auf die Eindämmung der Inflation zu konzentrieren. Die Märkte befürchten, dass dieses Umschwenken zu einer Rezession führen könnte. Zwar sehen die aktuellen Konjunkturdaten noch relativ solide aus, doch könnten sich einige der reichsten Länder schwer tun, einen deutlichen Abschwung zu vermeiden. Große Ungewissheit herrscht auch mit Blick auf die "Kollateralschäden" der Leitzinsanhebungen, etwa auf dem Immobilienmarkt oder dem Markt für spekulative Unternehmensfinanzierungen.

Anleihen: Gegenüber der Vorwoche zeigte sich ein nahezu unverändertes Bild: Ungeachtet der aggressiveren Rhetorik der Währungshüter traten die Anleiherenditen weiter auf der Stelle. 93 % der Anleger gehen davon aus, dass die US-Notenbank Fed den Leitzins auf ihrer Sitzung am 15. Juni um einen weiteren halben Prozentpunkt anheben wird, gefolgt von einem Zinsschritt in gleicher Größenordnung am 27. Juli. 10-jährige US-Treasuries rentieren aktuell mit 2,84 % (Vorwoche: 2,92 %). Deutsche Bundesanleihen liegen bei 0,95 % (0,92 %) und französische Staatspapiere bei 1,47 % (1,43 %). Griechische und italienische Schuldtitel bewegten sich dagegen mit 3,69 % bzw. 2,99 % weiter auf recht hohem Niveau.

Devisen: Der Euro machte gegenüber dem US-Dollar etwas Boden gut und kostet aktuell 1,0562 USD. Die Gemeinschaftswährung wird zu 1,0286 CHF und 0,8463 GBP gehandelt. Hier fielen die Äußerungen einiger EZB-Mitglieder, die sich für eine mehr oder weniger starke Straffung der Geldpolitik ab Juli aussprachen, ins Gewicht. Im Übrigen soll Christine Lagarde sich dafür ausgesprochen haben, dass einige Mitglieder des Direktoriums der Zentralbank, insbesondere ihr Chefvolkswirt Philip Lane, eine kürzere Redezeit erhalten und sich die Notenbanker der einzelnen Mitgliedsländer mehr einbringen können.

Kryptowährungen: Der Bitcoin tendierte im Wochenverlauf weiter seitwärts und pegelte sich bei Redaktionsschluss im Bereich von 30.000 US-Dollar ein. Nachdem die Digitalwährung in der siebten Woche in Folge einen historischen Rückgang verzeichnet hatte, scheint dies auch in der achten Woche der Fall zu sein - sofern sie bis zum Sonntag nicht die Marke von 31.400 US-Dollar knacken kann. Da es keine echten Aufwärtsimpulse gibt, könnte das Nervenkostüm der Kryptoanleger also noch für geraume Zeit beansprucht werden.

Termine: Am kommenden Dienstag werden die Einkaufsmanagerindizes für Mai veröffentlicht. Dann dürfte sich zeigen, ob sich die aktuellen Turbulenzen auch nachteilig auf die Stimmung der Unternehmen in den wichtigsten Volkswirtschaften auswirken. Nächste Woche stehen in den USA drei wichtige Veröffentlichungen an: die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter (Mittwoch), die neue BIP-Schätzung für das 1. Quartal (Donnerstag) und die Zahlen zur Verbraucherpreisentwicklung (Freitag). Außerdem wird am Mittwoch das Protokoll der letzten Fed-Sitzung veröffentlicht.
Kurs und Volumen
Noch keine Erholung an der Wall Street
An den Finanzmärkten hält die Ungewissheit an und das Klima der Angst hat einen Höhepunkt erreicht. In solchen von Pessimismus geprägten Phasen erleben wir normalerweise eine Bärenmarktrally, also eine starke Erholung in einem Markt, der sich - wie aktuell - auf Talfahrt begeben hat. Derweil reagiert der Markt auf schlechte Nachrichten vor dem Hintergrund eines möglichen Rezessions- oder Stagflationsszenarios mit Abwärtsbewegungen. Die bevorstehende weitere Straffung der Geldpolitik und die Verringerung der Bilanzsumme der US-Notenbank Fed scheinen aber mittlerweile in den Kursen eingepreist zu sein. Des Weiteren könnte sich die überraschend starke Inflation ihrem Zenit angenähert haben. Diese Hoffnung dürfte den Markt wieder zuversichtlicher stimmen. Wir wünschen allen Anlegern eine gute Woche.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.