Spiel auf Zeit, Kommentar zur US-Notenbank von Mark Schrörs
Frankfurt (ots) - US-Notenbankchef Jerome Powell hat einen baldigen Start für
die Drosselung der billionenschweren Anleihekäufe und ein mögliches Ende der
Käufe bereits Mitte 2022 avisiert - das viel zitierte Tapering. Powell wäre aber
nicht Powell und die Fed wäre nicht die Fed, wenn er bzw. sie sich nicht
zugleich eine Reihe Hintertürchen offenließen. Das ist zwar verständlich:
Angesichts einiger Unsicherheiten und Risiken spielt die Fed da auch auf Zeit.
Zugleich muss sie aber aufpassen, dass ihr selbige nicht davonläuft - und sie am
Ende zu einer drastischen Kurswende gezwungen ist.

Groß ist die Unsicherheit nach wie vor über den weiteren Verlauf der
Corona-Pandemie. Zu­gleich bremsen die weltweiten Engpässe bei vielen Rohstoffen
und Vorprodukten auch die US-Wirtschaft­. Und die Schuldenkrise bei Chinas
Immobilienkonzern Evergrande und der Streit über das US-Schuldenlimit lasten auf
den US- wie den weltweiten Finanzmärkten. Andererseits scheint die jüngste
Infektionswelle die US-Wirtschaft bislang viel weniger zu dämpfen als frühere
Wellen. Zudem zeichnet sich in den USA für 2021 trotz aller Engpässe weiter ein
an­sehnliches Wachstum von bis zu 6 Prozent ab - und in den Folgejahren sogar
mehr Wachstum als bislang erwartet. Und die Hoffnung ist berechtigt, dass Peking
bei Evergrande zumindest einen "Lehman-Moment" verhindert und sich in den USA
Demokraten und Republikaner zusammenraufen. Für Schwarzmalerei besteht also
derzeit wahrlich kein Anlass.

Auf der anderen Seite hat sich die Inflation in den USA als sehr viel
hartnäckiger erwiesen als lange Zeit gedacht - und auch von der Fed
prognostiziert. Der Höhepunkt bei der Teuerung scheint zwar im Sommer erreicht
worden zu sein. Aber selbst die Fed geht nun davon aus, dass die Teuerung bis
ins Jahr 2024 hinein oberhalb des 2-Prozent-Ziels verharrt. Die neue Strategie
der Fed impliziert zwar eine größere Toleranz gegenüber höherer Inflation.
Die
US-Währungshüter dürfen es aber nicht übertreiben und überhaupt nicht
erst
riskieren, die Kontrolle über die Inflationserwartungen zu verlieren. Die 1970er
Jahre sollten da Lehre genug sein.

Wenn sich die US-Wirtschaft wie erwartet entwickelt und böse­ Überraschungen
ausbleiben, tut die Fed gut daran, noch dieses Jahr mit der Drosselung der in
der Coronakrise beschlossenen Anleihekäufe zu beginnen. Perspektivisch geht es
dann auch darum, die Nullzinspolitik zu beenden. Das muss ohne Frage
schrittweise geschehen. Aber das heißt auch, nicht zu spät zu beginnen. Sonst
drohen bei einer abrupten Wende erst recht Turbulenzen.

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