Alles ist unter Kontrolle. Wenn alleinig aus dem Blickwinkel der Finanzmärkte betrachtet ist die Wahl von Jair Bolsonaro zum Präsidenten Brasiliens alles andere als negativ. Seit Anfang September ist der Sao Paulo Stock Exchange in Erwartung dieses Wahlausgangs bereits um 20% gestiegen, während der CAC40 um 10% und der S&P 500 um fast 5% gesunken sind. Der rechtsextreme Kandidat wird sein Amt am 1. Januar für vier Jahre antreten. Ein erster Überblick der Reaktionen des Marktes nach der Wahl.

"Wir glauben, dass diese Art Kantersieg Bolsonaros ein wichtiges politisches Kapital für den Beginn seines Mandats mit sich bringt", erklären Joao Pedro Ribeiro und Mario Castro, die Lateinamerikaspezialisten von Nomura. Die Rückkehr der Rechten nach vier von der linken regierten Wahlperioden erklärt sich vor allem durch wiederholte Korruptionsskandale innerhalb der Regierung und eine schwache Wirtschaftslage: Seit 2014 ist das BIP durchschnittlich um 1,4% pro Jahr gefallen, was zu einer anhaltend hohen Arbeitslosenquote und immer schlechteren Leistungen von Seiten des öffentlichen Sektors geführt hat. Die aktuelle Situation ist einem der großen Schwellenländer unwürdig, welches oft zu den vielversprechendsten drei oder vier Schwellenländern in der Welt gezählt wird. Dem Duo von Nomura zufolge sollte Bolsonaro zu Beginn seiner Amtszeit von einem günstigen politischen Umfeld und einem robusteren Wachstum profitieren. Aber diese günstige Konstellation wird sicherlich schnell von den (notwendigen) unpopulären Reformen sowie von der komplexen parlamentarischen Zusammensetzung Brasiliens, mit etwa dreißig Parteien unter den 513 Abgeordneten und 81 Senatoren, beendet werden.

Bolsonaros Programm muss zunächst aber genauer ausgearbeitet werden, obwohl es bereits bekannt ist, dass es auf Liberalisierung und Reformen, angefangen bei den Renten, basieren wird. "Wir glauben nach wie vor, dass es zum jetzigen Zeitpunkt kompliziert ist, den Inhalt der Tiefe und Strategie der Reformen zu erfassen, die Präsident Bolsonaro durchführen wird, auch wenn der Übergang nach den Wahlen Klarheit schaffen sollte", sagen Ribeiro und Castro, deren zentrales Szenario auf einer Steuerreform basiert, deren Umfang noch festzulegen ist.

Eine sehr positive Wahrnehmung der Wahl

Für Gustavo Rangel bei ING sollte die Wahl Bolsonaro die positive Stimmung der Investoren stärken und die Attraktivität lokaler Vermögenswerte erhöhen. "Ich glaube, dass der Marktoptimismus bis Ende des ersten Quartals 2019 getestet wird, wenn Zweifel an der Fähigkeit von Bolsonaro, unpopuläre Reformen durchzuführen, aufkommen", sagt der Ökonom, der glaubt, dass es zwar "Flitterwochen" geben wird, aber dass deren Dauer begrenzt sein wird. Viele Finanzinstitute, die bisher sehr vorsichtig waren, haben ihre Meinung seit letzter Woche geändert. Die UBS-Strategen prognostizieren eine Aufwärtsphase, die die Indizes in Brasilien um 40% nach oben hieven könnten. Citi und Schroders sind ebenfalls sehr bullish und empfehlen, die Exposure zu Brasilien zu erhöhen.