Bern (awp) - Die Schweizer Wirtschaft holpert vor sich hin: Die Ökonomen des Bundes rechnen in diesem Jahr mit einem flauen Wachstum, das deutlich unter dem Durchschnitt ausfällt. Eine Erholung sehen die Experten erst nächstes Jahr, allerdings etwas langsamer als bisher angenommen. Somit dürfte die Wirtschaft auch 2025 unterdurchschnittlich wachsen.

Für 2024 prognostiziert die Expertengruppe des Bundes ein Wachstum des realen Bruttoinlandproduktes (BIP, sporteventbereinigt) von 1,2 Prozent, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Donnerstag mitteilte. Das ist gleich viel wie bei der letzten Schätzung im Juni.

Für 2025 sind die Bundesökonomen allerdings etwas pessimistischer geworden. Neu erwarten sie ein Wachstum von 1,6 Prozent. Im Juni hatten sie noch ein Plus von 1,7 Prozent prognostiziert.

Bei diesen Zahlen sind die Riesensportanlässe wie Fussball-Europameisterschaft und Olympische Spiele herausgerechnet. Diese bringen alle zwei Jahre einen Geldregen ins Land, weil die Hauptsitze von Fifa, Uefa oder Internationalem Olympischen Komitee in der Schweiz sind. Dies verzerrt aber die eigentliche Wirtschaftsentwicklung jeweils markant.

EM und Olympia treiben BIP um 0,4 Prozentpunkte

Wenn man die Grosssportereignisse berücksichtigt, erwartet das Seco wie bisher ein BIP-Wachstum von 1,6 Prozent in diesem Jahr und von 1,2 Prozent im nächsten Jahr. Im Juni hatten die Experten für 2025 noch einen BIP-Anstieg von 1,3 Prozent vorhergesagt.

Das heisst, die Fussball-EM in Deutschland und die Olympischen Sommerspiele in Paris treiben das Schweizer BIP in diesem Jahr um 0,4 Prozentpunkte nach oben und ziehen es im nächsten Jahr um 0,4 Prozentpunkte nach unten.

Insgesamt fällt die Entwicklung schwächer aus als im Schnitt der letzten Jahrzehnte. "Das durchschnittliche Jahreswachstum des realen BIP ab 1980 liegt bei 1,8 Prozent", sagte Seco-Konjunkturverantwortliche Felicitas Kemeny auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Dies gelte sowohl für die Sportevent-bereinigten als auch für die unbereinigten BIP-Zahlen, da sich die Schwankungen aufgrund der Sportevents in der langen Frist ausgleichen würden.

Bremsspuren bei Exporten

"Die verhaltene Entwicklung insbesondere im europäischen Ausland und die reale Aufwertung des Schweizer Frankens in den vergangenen Monaten bremsen die konjunktur- und wechselkursexponierten Bereiche der Schweizer Exportwirtschaft", schrieb das Seco.

Für das Gesamtjahr 2024 rechnet die Expertengruppe des Bundes dennoch mit einem starken Anstieg der Exporte. Dieser geht massgeblich auf das ausserordentlich kräftige zweite Quartal zurück.

Allerdings haben die Exporte seit April an Schwung verloren. Das Seco erwarte im dritten Quartal einen Rückgang der Exporte, sagte Kemeny in einer Online-Medienkonferenz. Die Ausfuhren der chemisch-pharmazeutischen Industrie würden nicht mehr so stark ausfallen wie im Vorquartal. Aber "wir gehen nicht davon aus, dass dieser Rückgang den Anstieg des zweiten Quartals zunichtemacht."

Teuerung sinkt schneller als erwartet

Im Inland dürften vor allem die Konsumausgaben das Wachstum stützen, hiess es weiter. Die Inflation dürfte rascher zurückgehen als bislang prognostiziert. Im Jahresdurchschnitt 2024 werde sich die Inflation auf 1,2 Prozent verlangsamen. Im Juni hatten die Experten noch mit einer Teuerung von 1,4 Prozent gerechnet.

Die Preise für Industriegüter seien stärker gesunken als erwartet, sagte Kemeny. Zudem habe auch die Nachfrage nach beispielsweise Heimelektronikgeräten oder Möbeln nachgelassen. Auch die Energiepreise seien gefallen.

Massiv zurück geht dann die Inflation im nächsten Jahr: Hier wird noch ein Preisanstieg um 0,7 Prozent erwartet. Im Juni hatte die Prognose auf 1,1 Prozent gelautet.

Dafür sieht das Seco mehrere Gründe: So werden die in den Jahren 2023 und 2024 stark gestiegenen Stromtarife 2025 um durchschnittlich 10 Prozent gesenkt. Zudem ist angesichts des tieferen Zinsniveaus mit einem Rückgang des Referenzzinses zu rechnen, was sich auf die Mieten auswirken wird.

Lichtblicke Beschäftigung und Nachfrage

Zudem dürfte die Beschäftigung weiter steigen, wenn auch mit nachlassender Dynamik, hiess es. Gleichwohl sind die Prognosen für die Arbeitslosenquote für 2024 (2,4 Prozent) und 2025 (2,6 Prozent) unverändert.

Darüber hinaus gebe es Lichtblicke aus dem Ausland, wo sich die Nachfrage im nächsten Jahr erholen sollte. Die Industrie erwarte steigende Aufträge, sagte Kemeny. Man sehe einen Aufwärtstrend.

jb/rw