BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hält einen marktgetriebenen Kohleausstieg bereits vor dem Zieljahr 2038 für möglich. "Dass es massiv schneller gehen wird, davon muss man ausgehen, davon können wir ausgehen", sagte Nikolai Fichtner, Sprecher im Bundesumweltministerium von Svenja Schulze (SPD) in Berlin. Für die Jahreszahl 2038 würde er "die Hand jetzt nicht ins Feuer legen". Grund sei das schärfere EU-Klimaziel für 2030 und die in Brüssel ebenfalls anstehende Reform des EU-Emissionshandelssystems (EU ETS).

Der CO2-Preis im EU-ETS, der die Stromwirtschaft, die energieintensive Industrie und auch die Luftfahrt umfasst, hat in dieser Woche erstmals die Schwelle von 50 Euro pro Tonne überschritten. Als die Bundesregierung das Kohleausstiegsgesetz formulierte, habe dieser Wert noch bei 20 Euro gelegen, betont Fichtner. Das zeige, dass der Markt die politischen Beschlüsse ernst nehme. "Wir gehen davon aus, dass dieser Preis auch weiter steigt, nach dem nächsten Reformschritt sowieso", betonte der Ministeriumssprecher. "Und dann werden sich die Unternehmen gut überlegen, wie lange es sich noch lohnt, Kohlekraftwerke zu betreiben."


   Auch Wirtschaftsministerium hält schnelleres Kraftwerks-Aus für möglich 

Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums von Peter Altmaier (CDU) ergänzte, das Kohleausstiegsgesetz spreche "bewusst" davon, dass das Ziel "regulatorisch spätestens 2038" erreicht sein müsse. Daneben fänden aber auch Marktprozesse statt. "Wenn der CO2-Preis steigt, wird Kohle unrentabler", erklärte Beate Baron. "Das ein Marktprozess, der natürlich auch schneller gehen kann."

Infolge des strengeren EU-Klimaziels und des Klimaurteils des Bundesverfassungsgerichts plant die Bundesregierung, die CO2-Emissionen bis 2030 um 65 statt wie bislang nur um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Mit beiden Entwicklungen gebe es nun "den notwendigen Schubs" und "politischen Ansporn", um die ambitionierteren deutschen Ziele voranzutreiben, betonte Baron.


   Klimaschutzgesetz gibt Rahmen vor, aber keine Maßnahmen 

Das geänderte Klimaschutzgesetz soll dazu einen Rahmen liefern und Jahresemissionswerte für jeden Sektor vorgeben. Laut dem vom Umweltministerium vorgelegten Entwurf muss der Energiesektor rund ein Drittel mehr CO2 einsparen als bislang geplant und würde damit den Löwenanteil der Reduktionen stemmen. Konkrete Maßnahmen sind in dem Gesetzentwurf, der am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden soll, jedoch nicht enthalten, betonte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer.

Zugleich wies das Umweltministerium Vorwürfe aus der Wirtschaft zurück, wonach Deutschland mit dem geänderten Klimaschutzgesetz nun einen Alleingang in der EU wage. "Wir bewegen uns mit dem, was wir jetzt tun, synchron mit der europäischen Ebene", so Sprecher Fichtner.

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May 07, 2021 06:56 ET (10:56 GMT)