BIBLIS/NORDENHAM (dpa-AFX) - Die Kritik am geplanten Castor-Transport durch Deutschland reißt nicht ab. Nach Warnungen vor Infektionsgefahren für Tausende eingesetzte Beamte in der Corona-Pandemie kritisieren Umweltschützer Mängel im Zwischenlager Biblis und Sicherheitsdefizite bei den Atommüllbehältern. "Es gibt die Problematik eines ungenügenden Schutzes vor Terrorangriffen", sagte Greenpeace-Nuklearexperte Heinz Smital der Deutschen Presse-Agentur. Zudem sei das Reparaturkonzept im Zwischenlager im südhessischen Biblis mangelhaft. Einfach zu sagen, bei Undichtigkeiten könne etwas darüber geschweißt werden, sei Pfusch. "Das ist alles unzureichend."

Ein Spezialschiff mit sechs Castoren von der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield startete am Dienstagabend. Es soll einen deutschen Seehafen ansteuern. Atomkraftgegner und Umweltschützer gehen davon aus, dass dies im Laufe des Wochenendes der niedersächsische Hafen von Nordenham ist. Dort steht dem Bündnis Castor-stoppen zufolge bereits der Transportzug für den Atommüll. Der soll dann auf der Schiene bis ins Zwischenlager Biblis fahren.

"Alleine die Bewachung von Tausenden Beamten zeigt doch, welche brisante Fracht das ist", sagte Smital. Und so etwas dann auch noch in der Corona-Pandemie zu machen, sei nicht schlüssig. Er kritisierte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Die Diskussionen über einen Teil-Lockdown hätten sich schon zugespitzt, bevor das Spezialschiff losgefahren sei. "Seehofer verbrennt hier gerade seine eigenen Polizisten."

Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Olaf Bandt kritisierte das Vorgehen: "Trotz der sich zuspitzenden Corona-Situation den gefährlichen hoch radioaktiven Atommüll in das unsichere Zwischenlager in Biblis transportieren zu lassen, ist eine fahrlässige und unverantwortliche Gefährdung von Menschenleben." Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte am Donnerstag erneut einen Stopp des Transports. Der Einsatz Tausender Polizisten angesichts der Pandemie sei unnötig, riskant und unverhältnismäßig.

Die für die Lagerung des hoch radioaktiven Atommülls zuständige Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) hatte alle Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Reparaturmöglichkeiten zurückgewiesen. "In allen denkbaren Reparaturszenarien sind wir vorbereitet", sagte Sprecher Burghard Rosen. Auch die Gefahren eines Flugzeugabsturzes seien geprüft worden.

Sicherheitsbehörden hatten am Donnerstag ihre Strategie zum Infektionsschutz der eingesetzten Beamten der Bundes- und beteiligten Länderpolizeien vorgestellt. So sind nach Angaben einer Polizeisprecherin in Hessen Experten zur Rate gezogen und Hygienescouts unter den Beamten ausgebildet worden. Auch im Einsatz gilt die Maskenpflicht und Teams würden immer komplett ausgetauscht. Für den Fall von nötigen Übernachtungen seien Einzel- und Doppelzimmer bereitgestellt. Bei der Bundespolizei wurden der Behörde zufolge alle Beamten auf das Virus getestet.

Der Transport war im Frühjahr bereits wegen der Corona-Krise abgesagt worden. Deutschland muss aufgrund internationaler Verpflichtungen seinen im Ausland wiederaufbereiteten Atommüll zurücknehmen. Noch heute lagern in den Wiederaufbereitungsanlagen im französischen La Hague und im britischen Sellafield Castoren mit radioaktiven Abfällen aus deutschen Atomkraftwerken. Bis 2011 wurden diese im Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben untergebracht. Jetzt müssen sie dezentral gelagert werden./opi/DP/zb