Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Die Anleiherenditen im Euroraum entwickeln sich nach der Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bisher nicht so besorgniserregend, dass das neue Notfallprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) schon zum Einsatz kommen müsste. Die Ökonomin Kerstin Bernoth und der Ökonom Gökhan Ider hatten nach DIW-Angaben im Auftrag des Europäischen Parlaments untersucht, wie sich die Anleiherenditen im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Krisenjahr 2012 und zum Start der Eurozone entwickelt und welche Faktoren die Renditen jeweils getrieben haben.

Am 21. Juli hatte die EZB angekündigt, gezielt Anleihen von Krisenländern anzukaufen, wenn deren Renditen wie in der Euro-Finanzkrise 2012 ungeregelt steigen. "Zwar sind in einzelnen Ländern die Renditen für Staatsanleihen gestiegen. Bislang entwickeln sie sich aber entlang der Fundamentaldaten der jeweiligen Euro-Länder", erklärte Bernoth, die stellvertretende Leiterin der DIW-Abteilung Makroökonomie. "Marktübertreibungen sind nicht zu entdecken."

Aktuell beabsichtige die EZB, das neue Instrument erst zu aktivieren, wenn in einzelnen Ländern Marktirrationalitäten zu erkennen seien, betonte Ider. Die Entwicklung müsse "ungeordnet und ungerechtfertigt in Bezug auf die wirtschaftliche und finanzpolitische Situation eines Landes" sein. "Dies hat sich durch die Untersuchungen mit einem Schätzmodell nun nicht bestätigt", erklärte der Forscher. Bisher seien es die gestiegene allgemeine Risikoaversion und die jeweiligen nationalen Fundamentaldaten, die die Zinsdifferenzen erklärten.

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October 06, 2022 06:45 ET (10:45 GMT)