WIESBADEN (dpa-AFX) - Materialmangel und knappe Rohstoffe belasten den deutschen Außenhandel. Zwar arbeitete sich die Exportwirtschaft im April den zwölften Monat in Folge aus dem Corona-Tief. Die Ausfuhren stiegen gegenüber März um 0,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Das Plus fiel aber geringer aus als von Experten erwartet, die mit einem Zuwachs von 0,5 Prozent gerechnet hatten. Nach Einschätzung von Ökonomen und Wirtschaftsverbänden belasteten Lieferengpässe den Außenhandel, weil die Industrie weniger produzieren kann.

"Die Aufholjagd des deutschen Außenhandels lässt aktuell noch auf sich warten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes BDI, Joachim Lang. "Mit abnehmenden Lieferengpässen dürften Industrieproduktion und Ausfuhren wieder deutlicher steigen". Das China-Geschäft stütze den Aufschwung. Auch der Handel mit den USA belebe sich. Das US-Konjunkturprogramm werde in den kommenden Monaten zusätzliche Nachfrage nach europäischen Produkten schaffen.

Nach Einschätzung des Außenhandelsverbandes BGA dürften sich die Lieferengpässe allerdings nicht kurzfristig auflösen. "Vielmehr wird es nach dieser Krise Monate dauern, bis sich die internationalen Lieferketten neu eingespielt haben", sagte BGA-Präsident Anton Börner. "Rufe nach Exportverboten, Handelsschutzinstrumenten oder Zöllen sind in dieser Situation keine Lösung und passen nicht zu einer Außenhandelsnation."

Im April gingen Waren "Made in Germany" im Wert von 111,8 Milliarden Euro ins Ausland. Das waren nach Angaben der Wiesbadener Behörde 47,7 Prozent mehr als im schwachen April 2020. Damals war der Außenhandel infolge von Grenzschließungen und Beschränkungen zur Bekämpfung der ersten Welle der Pandemie eingebrochen.

Trotz der Erholung unterschritten die Exporte das Vorkrisenniveau vom Februar 2020 um 0,5 Prozent. Die Importe sanken im April gegenüber dem Vormonat um 1,7 Prozent. Binnen Jahresfrist legten die Einfuhren um 33,2 Prozent auf 96,3 Milliarden Euro zu.

Nach Einschätzung von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank, wären die Exportdaten ohne den Materialmangel besser ausgefallen. "Wenn die deutsche Automobilwirtschaft aufgrund von fehlenden Halbleitern Produktionsbänder abstellen muss, hat dies Konsequenzen für die Ausfuhren", erläuterte er. Wenn der Mangel an Vorprodukten und Materialien vorüber sei, würden "die monatlichen Exportdaten brillieren".

Die Corona-Krise hatte im vergangenen Jahr tiefe Löcher in die deutsche Exportbilanz gerissen. Für das laufende Jahr rechnet der BGA mit einem deutlichen Plus. Der BDI ging zuletzt von einem Anstieg der Warenausfuhren um real 8,5 Prozent aus. Zugleich dürften auch die Importe zulegen. "Die Unternehmen füllen die im Zuge der Pandemie abgebauten Lagerhallen jetzt wieder auf, deshalb werden sie wieder mehr Waren aus dem Ausland kaufen", erläuterte Lang.

Wichtige deutsche Industriebranchen wie der Maschinenbau und die Chemie- und Pharmaindustrie schraubten am Mittwoch trotz der Lieferengpässe ihre Prognosen für das laufende Jahr nach oben. Die exportorientierten Maschinenbauer rechnen nun mit einem Wachstum der Produktion um 10 Prozent. Zuletzt war der Branchenverband VDMA von einem Plus von 7 Prozent ausgegangen. 2022 dürfte die Produktion wieder das Niveau vor der Pandemie erreichen, sagte Verbandspräsident Karl Haeusgen.

"Größter Risikofaktor ist die Beeinträchtigung der Lieferketten", erläuterte Haeusgen. Nicht nur Halbleiter fehlten. Es mangele sogar an Holz, um Güter für den Export seefest zu verpacken. Immense Kostensteigerungen dürften die Renditen um ein bis zwei Prozentpunkte drücken.

Die Chemie- und Pharmaindustrie rechnet nach einem guten ersten Quartal im Gesamtjahr ebenfalls mit noch besseren Geschäften als zuletzt erwartet. Die Branche prognostizierte ein Produktionsplus von 4,5 (bisher 3) Prozent und ein Umsatzwachstum von 8 (5) Prozent auf rund 206 Milliarden Euro. Sorgen bereiteten den Unternehmen zurzeit aber Engpässe bei Materialien und Vorprodukten. "Sie beeinträchtigen mittlerweile bei jedem zweiten Unternehmen die Betriebsabläufe", berichtete der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Evonik-Chef Christian Kullmann. "Die Situation sollte sich aber im Verlauf des Jahres wieder entspannen."/mar/DP/bgf