--Destatis revidiert BIP-Rate für 1Q auf minus 0,3 (vorläufig 0,0) Prozent

--BIP war schon im vierten Quartal um 0,5 Prozent gesunken

--Indikatoren sprechen für anhaltend schwache Konjunktur

(NEU: Details, Kommentare von Bankvolkswirten)

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal 2023 entgegen den bisherigen Annahmen geschrumpft, wodurch sie sich angesichts des schon im vierten Quartal verzeichneten Rückgangs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in einer sogenannten technischen Rezession befindet. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) in zweiter Veröffentlichung mitteilte, sank das BIP gegenüber dem Vorquartal preis-, kalender- und saisonbereinigt um 0,3 Prozent und lag preis- und kalenderbereinigt um 0,5 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresquartals.

In einer ersten Schätzung hatte Destatis eine Stagnation auf Quartals- und einen Rückgang um 0,1 Prozent auf Jahressicht gemeldet. Im vierten Quartal 2022 war das BIP um 0,5 Prozent gesunken.

Zugleich machte Destatis Angaben zur Entwicklung der einzelnen Verwendungs- und Entstehungskomponenten des BIP. So sank der private Konsum gegenüber dem Vorquartal um 1,2 (viertes Quartal: minus 1,7) Prozent.


   Private Haushalte fahren Konsum deutlich zurück 

Destatis zufolge zeigte sich die Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte in verschiedenen Bereichen: Sowohl für Nahrungsmittel und Getränke als auch für Bekleidung und Schuhe sowie für Einrichtungsgegenstände gaben sie weniger aus als im Vorquartal. Daneben wurden weniger neue Pkw gekauft, was unter anderem auf den Wegfall der Prämien für Plug-in-Hybride und die Reduzierung der Prämien für Elektrofahrzeuge zum Jahresbeginn 2023 zurückzuführen sein dürfte.

"Unter der Last der immensen Inflation ist der deutsche Konsument in die Knie gegangen und hat die gesamte Volkswirtschaft mit sich gerissen", schrieb Dekabank-Volkswirt Andreas Scheuerle in einem Kommentar. Eine schnelle und deutliche Wende zum Besseren ist nach seiner Einschätzung nicht in Sicht. "Während die inflationären Belastungen langsam abklingen, wachsen diejenigen der restriktiven Geldpolitik. Das Gift der Inflation wird mit dem Gegengift hoher Zinsen bekämpft", konstatierte er.


   Staatsverbrauch sinkt um 4,9 Prozent - Investitionen steigen aber 

Der Staatsverbrauch ging im ersten Quartal um 4,9 (plus 0,2) Prozent zurück. Die Bauinvestitionen stiegen dagegen um 3,9 (minus 3,2) Prozent und die Ausrüstungsinvestitionen um 3,2 (minus 3,6) Prozent. Die Nettoexporte lieferten einen Wachstumsbeitrag von 0,7 (0,5) Punkten. Die Exporte erhöhten sich um 0,4 (minus 1,3) Prozent, die Importe sanken um 0,9 (minus 2,4) Prozent.

Der Privatkonsum und der Bau werden nach Einschätzung von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der liechtensteinischen VP Bank, auch im zweiten Quartal die Sorgenkinder der deutschen Wirtschaft bleiben. "Die positive Entwicklung der Bauwirtschaft war lediglich ein kurzzeitiges witterungsbedingtes Aufbäumen. Die Erholung in der Industrie sollte aber die Schwäche des privaten Konsums und der Bauwirtschaft leicht überkompensieren", schrieb Gitzel. Er hält für das zweite Quartal ein leichtes Wachstum für möglich. Die Aussichten für das zweite Halbjahr sind seiner Meinung nach düster.


   Commerzbank: Deutsches BIP sinkt 2023 um 0,3 Prozent 

Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet nicht damit, dass sich die deutsche Konjunktur bessern wird. "Zwar lässt der Schmerz von den Energiepreisen langsam nach, aber dafür dürften die Auswirkungen der globalen Zinswende im zweiten Halbjahr zunehmend spürbar werden", schrieb er. Der Einbruch des Ifo-Geschäftsklimas im Mai passe ins Bild, denn nun wiesen alle wichtigen Frühindikatoren im verarbeitenden Gewerbe, nämlich Ifo, Einkaufsmanagerindex und Auftragseingänge, nach unten. Krämer rechnet für 2023 und 2024 mit BIP-Raten von minus 0,3 und 0,0 Prozent.

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DJG/hab/smh

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May 25, 2023 03:29 ET (07:29 GMT)