DÜSSELDORF (awp international) - Die Europäische Zentralbank (EZB) erwartet in den nächsten Monaten steigende Preise, allerdings nur für einen kurzen Zeitraum. In einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe) schreibt Chefvolkswirt Philip Lane, vorübergehende Preisanstiege liessen sich "auf eine Vielzahl temporärer Faktoren zurückführen, die allesamt keinen Einfluss auf die mittelfristige Inflationsdynamik haben dürften". Lane geht weiter davon aus, dass die Inflation in den kommenden Jahren in der Eurozone deutlich unter dem von der Notenbank mittelfristig angestrebten Ziel von knapp zwei Prozent liegt.

Als Beispiele für Sonderfaktoren in der Pandemie verwies Lane auf Schwankungen des Ölpreises, Änderungen beim Preisindex und auf vorübergehende Mehrwertsteueranpassungen einiger Regierungen. Ausserdem sei nach Lockerungen der Corona-Massnahmen mit Nachholeffekten bei den Konsumausgaben zu rechnen. Lane nannte in diesem Zusammenhang insbesondere Restaurantbesuche und Urlaubsreisen.

"Ungeachtet dieser kurzfristigen Ausschläge bleibt der projizierte mittelfristige Preisauftrieb gedämpft," erklärte Lane. Der EZB-Chefvolkswirt verwies ausserdem auf die Beschäftigungsaussichten auf dem Arbeitsmarkt, die er als "weiterhin sehr unsicher" bezeichnete. Daher dürfte die Lohnentwicklung 2021 verhalten sein, sagte Lane. Die Lohnentwicklung gilt als wichtiger Inflationstreiber.

In ihren Prognosen geht die EZB davon aus, dass die Inflation im Euroraum 2022 auf 1,2 Prozent zurückgehen und 2023 nur 1,4 Prozent erreichen wird. Für das laufende Jahr erwartet die EZB eine Rate von 1,5 Prozent. Laut Lane ist "die Gewährleistung günstiger Finanzierungsbedingungen von grundlegender Bedeutung, damit es wieder zu Inflation kommt."/jkr/jsl/jha/