Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte stiegen im September um 14,2 Prozent zum Vorjahresmonat und damit so stark wie seit fast 47 Jahren nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Ein größeres Plus gab es zuletzt im Oktober 1974, als die Preise wegen der ersten Ölkrise sogar um 14,5 Prozent zulegten. Fachleute hatten nur mit 12,7 Prozent gerechnet, nach einem Anstieg von 12,0 Prozent im August. "Vor allem die regelrecht explodierenden Preise für Energieträger treiben derzeit die Preise auf der Erzeugerstufe", sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. "Davon wird gewiss auch ein Teil auf der Verbraucherebene ankommen."

Neben Energie verteuerten sich vor allem Vorprodukte wie Holz und Stahl. Die Produzentenpreise gelten als Frühindikator für die Entwicklung der gesamten Inflation. In der Statistik werden die Preise ab Fabriktor geführt - also bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen. Sie können damit einen frühen Hinweis auf die Entwicklung der Verbraucherpreise geben. Die Inflationsrate liegt mit 4,1 Prozent aktuell bereits so hoch wie seit 1993 nicht mehr und dürfte bis Jahresende weiter steigen. Im Euro-Raum betrug die Inflation im September auf dem 13-Jahres-Hoch von 3,4 Prozent.

DIW - PSYCHOLOGISCHER EFFEKT KÖNNTE INFLATION HOCHTREIBEN

"Hauptverantwortlich für den Anstieg der gewerblichen Erzeugerpreise gegenüber September 2020 war die Preisentwicklung bei Energie", erklärten die Statistiker. Sie verteuerte sich um durchschnittlich 32,6 Prozent, allein zum Vormonat um acht Prozent. "Den sich daraus ergebenden Kostendruck geben die Produzenten von Investitions- und Konsumgütern zunehmend an ihre Kunden weiter", erläuterte Commerzbank-Analyst Ralph Solveen. Deshalb sei in den kommenden Monaten auch bei den Verbraucherpreisen ein weiteres Anziehen zu erwarten. Für Ende des Jahres rechne er bei der deutschen Inflationsrate vorübergehend mit einer Fünf vor dem Komma, betonte Solveen. Ab Januar dürfte sich die Lage etwas entspannen, da der Statistikeffekt der Mehrwertsteuer dann wegfalle.

LBBW-Experte Niklasch sieht auf der Erzeugerstufe auch Preisdruck für die Gebrauchsgüter. "Damit ist wahrscheinlich, dass die Inflation für die Verbraucherebene auch über den Jahreswechsel 2021/22 hinaus ein Thema bleiben wird." Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht zudem die Gefahr, dass die Angst von Firmen und Verbrauchern vor hoher Inflation die Teuerung ankurbeln könnte. Klassische Inflationstreiber wie Lohndruck, Konsum oder Produktionskosten seien derzeit zwar eher moderat und wirkten nur temporär. "Ein Risiko geht jedoch von den Inflationserwartungen aus, die eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen könnten."

Klammert man Energie aus, lagen die Erzeugerpreise im September nur 8,6 Prozent über dem Vorjahr. Vorleistungsgüter wurden binnen Jahresfrist 17,4 Prozent teurer. Nadelschnittholz kostete 118 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Sekundärrohstoffe (+87 Prozent), Verpackungsmittel aus Holz (+92,5 Prozent) und Betonstahl in Stäben (+82 Prozent) kosteten ebenfalls erheblich mehr. Steigende Kosten bei diesen wichtigen Vorprodukten machen vielen Industriebetrieben und der Baubranche zu schaffen.