WASHINGTON (dpa-AFX) - Der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence hat eine Anklage gegen seinen früheren Chef Donald Trump wegen dessen Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol abgelehnt. "Das würde unheimlich spalten in einem Land und zu einer Zeit, wenn das amerikanische Volk sehen will, dass wir heilen", sagte Pence am Montag in einem Interview mit dem konservativen Nachrichtensender "Fox News". "Ich hoffe, dass das Justizministerium sich das genau überlegt", sagte Pence.

Der Untersuchungsausschuss des US-Repräsentantenhauses, der sich seit gut anderthalb Jahren um die Aufarbeitung der Geschehnisse bemüht, empfahl dem Justizministerium bei seiner letzten öffentlichen Anhörung am Montag in Washington einstimmig, strafrechtliche Schritte gegen Trump und andere Beteiligte einzuleiten. Ob und wann es dazu kommt, ist offen, denn die Empfehlung des Ausschusses ist für das Justizministerium nicht bindend.

Pence Ziel der Angreifer

Dass Pence sich jetzt vor seinen ehemaligen Chef stellt, ist bemerkenswert, denn die Ermittlungen des Untersuchungsausschusses zeigten, wie knapp Pence am 6. Januar den Angreifern auf das Kapitol entging. Nur wenige Meter hätten Pence laut Zeugenaussagen zu einem Zeitpunkt von dem Mob getrennt, der in das Kongressgebäude eingedrungen war. "Hängt Mike Pence" skandierten etliche der Eindringlinge. Der Ausschuss präsentierte außerdem Erkenntnisse, wonach Trump wohlwollend auf diese Drohungen seiner Anhänger reagiert habe.

Die Vorwürfe gegen Trump wiegen schwer: Das Gremium wirft ihm vor, die Menge zum Aufruhr angestiftet zu haben. Am 6. Januar 2021 hatten die Anhänger des heute 76-Jährigen das US-Kapitol gestürmt, in dem die Wahlniederlage des Republikaners gegen Joe Biden beglaubigt werden sollte. Fünf Menschen starben bei der gewaltsamen Erstürmung des Gebäudes. Vorgeworfen werden Trump und weiteren Beteiligten wie seinem ehemaligen Rechtsberater John Eastman auch die Behinderung eines öffentlichen Verfahrens, Verschwörung gegen die US-Regierung und Falschbehauptung gegenüber dem Staat.

Trump wehrt sich gegen Vorwürfe

Trump selbst wehrt sich seit jeher gegen die Anschuldigungen und wetterte mehrfach gegen die Arbeit des Komitees. Jegliche Vorwürfe tut er als politisch motiviert ab. Nach der Anhörung am Montag griff der Ex-Präsident erneut den Ausschuss an und wiederholte seine Lüge vom Wahlbetrug. "Was mich nicht umbringt, macht mich stärker", schrieb er auf der von ihm mitgegründeten Plattform "Truth Social".

Das Justizministerium muss nun prüfen, ob es genügend Beweise für die weiteren Schritte gegen den Republikaner hat. Der seltene Straftatbestand der Aufruhr ist dabei der schwerwiegendste: Er ist dem US-Gesetz zufolge erfüllt, wenn zum Aufstand gegen die Autorität des Staates oder der Gesetze angestiftet oder sich daran beteiligt wird. Dies wird mit einer Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zehn Jahren oder mit beidem bestraft. Sollte Trump wegen Aufruhrs verurteilt werden, dürfte er kein politisches Amt mehr ausüben.

Ausschuss sieht erdrückende Beweislage

"Wir haben über 1000 Zeugen befragt. Wir haben so ziemlich jeden befragt, den Sie sich vorstellen können, der sich äußern wollte, und haben somit eine Million Beweise", sagte der Ausschussvorsitzende Bennie Thompson nach der Anhörung am Montag. Es sei wichtig, dass das Justizministerium die zusammengetragenen Informationen nun ansehe. "Wir werden alle Beweise, die wir aufgedeckt haben, (dem Justizministerium) vorlegen, und es wird letztendlich an ihnen liegen", sagte er.

Im Laufe der Untersuchungen wurde Trump von Zeuginnen und Zeugen schwer belastet. Dazu zählten etwa Trumps ehemaliger Justizminister William Barr oder Angestellte des Weißen Hauses. Als besonders spektakuläre Überraschungszeuginnen galt etwa Cassidy Hutchinson, eine ehemalige Mitarbeiterin im Weißen Haus. Sie warf Trump im Sommer vor, sich vorab über mögliche Gewalt am 6. Januar 2021 im Klaren gewesen zu sein.

Trump habe die gewaltsamen Ausschreitungen vom Oval Office aus im Fernsehen verfolgt und stundenlang keine öffentliche Erklärung abgegeben, obwohl ihn seine Mitarbeiter, Mitglieder seiner Familie und Anwälte darum gebeten hätten. "Der 6. Januar 2021 war das erste Mal, dass ein amerikanischer Präsident seine verfassungsmäßige Pflicht zur friedlichen Machtübergabe an den nächsten verweigerte", sagte Die Vize-Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Liz Cheney./nau/DP/mis