BERN/ROM (dpa-AFX) - Wegen rasant steigenden Corona-Infektionszahlen schrillen in der Schweiz die Alarmglocken. "Die heute geltenden Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus", warnte der Leiter der wissenschaftlichen Task Force des Bundes, Martin Ackermann, am Freitag in Bern. "Wir müssen jetzt handeln. Wenn wir heute Maßnahmen treffen, wirken sie in zwei Wochen. Die Kapazität der Intensivbetten ist aber in zwei bis drei Wochen erreicht." Jede Woche verdoppelten sich die Krankenhauseinweisungen und die Todesfälle.

Auch die europäischen Regierungschefs reagierten zu langsam, warnte der italienische Regierungsberater Walter Ricciardi. "Sie zögern, sie haben Angst davor, der Wirtschaft zu schaden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Aber sie verstehen nicht, dass sie dadurch einen doppelten Schaden verursachen." Indem die Regierungen Beschränkungen des öffentlichen Lebens aufschöben, seien sie später dazu gezwungen, über einen totalen Shutdown zu entscheiden, sagte der ehemalige Vorsitzende des Nationalen Gesundheitsinstituts in Italien.

Bundeskanzlerin Merkel habe im Gegensatz zu anderen Politikern die Ratschläge von Wissenschaftlern befolgt. Doch auch in Deutschland werde die Situation sich verschlechtern, "wenn nicht entschlossen gehandelt wird", so Ricciardi.

Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit meldete am Freitag den Rekordwert von 6592 gemeldeten Neuansteckungen. Gemessen an der Bevölkerung sind die Zahlen fünf mal so hoch wie in Deutschland. Am Dienstag waren es noch gut 3000 Fälle gewesen. In der Schweiz sind die Kantone für neue Maßnahmen zuständig. Mehrere haben bereits die seit 1. Oktober möglichen Veranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen wieder verboten und andere Einschränkungen erlassen. Im Kanton Wallis müssen Gaststätten um 22.00 Uhr schließen. Italien verzeichnete am Freitag binnen 24 Stunden mehr als 19 000 Neuinfektionen - so viele wie noch nie seit Beginn der Pandemie./oe/DP/nas