Eines muss man Donald Trump lassen: Er versteht es wie kaum ein anderer, seinen Gegnern Spitznamen zu verpassen, die haften bleiben. Auch Fed-Chef Jerome Powell ist davon nicht verschont geblieben. In einem Truth-Social-Post vom 17. April nannte ihn der Präsident der Vereinigten Staaten spöttisch „Too Late“ Jerome Powell – „der zu späte Powell“ – und drohte offen mit seiner Entlassung.

Trumps Angriffe auf den Notenbankchef rühren daher, dass er sich dringend Zinssenkungen wünscht. Niedrigere Leitzinsen würden Hypotheken- und Kreditkartenzinsen senken und damit den Konsum sowie das Wachstum ankurbeln – ein wichtiges Ziel im Wahlkampfjahr.

In einem NBC-Interview am Sonntag bekräftigte Trump seine Forderung: „(Powell) sollte die Zinsen senken. Und irgendwann wird er das auch tun. Aber er zieht es vor, es nicht zu tun, weil er kein Fan von mir ist.“ Und weiter: „Wissen Sie, er mag mich nicht, weil ich finde, dass er ziemlich verkrampft ist.“

Das Gespenst der „vorübergehenden“ Inflation

Hinter diesem verbalen Schlagabtausch verbirgt sich ein altbekanntes Dilemma für Investoren: Ist die Fed immer einen Schritt zu spät? Die Gretchenfrage lautet stets: Reagiert die Notenbank im richtigen Moment – mit Zinserhöhungen bei Rückkehr der Inflation oder mit Senkungen bei Konjunkturabschwächung? Das Timing ist entscheidend. Zögert die Fed zu lange, wenn die Inflation Fahrt aufnimmt, muss sie die Zinsen möglicherweise überhastet anheben – mit dem Risiko, die Wirtschaft abzuwürgen. Wartet sie hingegen zu lange mit Senkungen, droht eine Reaktion erst dann, wenn die Rezession schon da ist.

Trumps Kritik speist sich auch aus der jüngeren Vergangenheit: Im Frühjahr 2021, nach der weltweiten Corona-Erholung, führten Lieferengpässe und steigende Energiepreise zu inflationärem Druck. Die Fed jedoch blieb zunächst gelassen – sie ging von einer „vorübergehenden“ Inflation aus, ausgelöst durch temporäre Angebotsengpässe. Doch es kam anders: Die Preissteigerungen hielten an, unter anderem wegen des angespannten Arbeitsmarkts. Im Juli 2022 begann die Fed schließlich mit Zinserhöhungen – spät, aber notwendig.

Die Schlussfolgerung dieser Episode: Die Fed hat zu lange gezögert, unterschätzte den kombinierten Angebots- und Nachfrageschock – Letzterer verstärkt durch die massiven Konjunkturpakete unter Trump und später Biden. Das Ergebnis: Die Inflation stieg im Sommer 2022 auf über 9 %. Die Fed war „hinter der Kurve“, wie es im Jargon heißt.

Quelle: Trading Economics

Diese historische Entwicklung verschafft Donald Trump heute eine gewisse argumentative Legitimation. In Michigan erklärte er vergangene Woche bei einer Rede anlässlich seiner 100 Tage im Amt: „Ich weiß mehr über Zinsen als er.“

Abwarten bleibt die beste Option

Doch jenseits persönlicher Eitelkeiten bleibt die Lage der Fed hochkomplex – sie befindet sich sprichwörtlich „zwischen Hammer und Amboss“.

Einerseits wachsen die Rezessionsängste: JPMorgan schätzt die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession aktuell auf 60 %. Umfragen unter Haushalten und Unternehmen deuten auf ein deutlich eingetrübtes Vertrauen hin – vergleichbar mit den Tiefpunkten der Finanzkrise 2008.

Andererseits führen die neuen Zölle unweigerlich zu steigenden Preisen. Entscheidend wird sein, ob dieser Preisanstieg begrenzt bleibt oder eine breitere Inflationsdynamik entfacht. Die Fed steht nun vor der Aufgabe, die Inflationserwartungen fest zu verankern. Konkret heißt das: entschlossen bleiben, um die Glaubwürdigkeit des Inflationsziels zu wahren und eine neue Preis-Lohn-Spirale zu verhindern.

Deshalb agiert die Fed mit größter Vorsicht bei Zinssenkungen – selbst bei berechtigter Sorge um das Wachstum. Der frühere Vizevorsitzende der Fed, Richard Clarida, brachte es kürzlich auf den Punkt: „Dies wird kein Zyklus, in dem die Fed präventiv senkt. Es muss sich in den harten Daten widerspiegeln – insbesondere auf dem Arbeitsmarkt.“

Genau diese Linie verfolgt auch Jerome Powell. Im April sagte er beim Economic Club of Chicago: Die Fed brauche „mehr Klarheit“, bevor sie Anpassungen in Betracht ziehe. Sprich: Die Datenlage muss eine Abschwächung der Konjunktur klar belegen. Bislang aber zeigen die realwirtschaftlichen Indikatoren eine bemerkenswerte Robustheit – wie auch der Arbeitsmarktbericht vom Freitag zeigt.

Daher erwarten die Märkte in dieser Woche keine Änderungen – laut dem CME FedWatch Tool rechnen Analysten nun mit einer ersten Zinssenkung im Juli.