Moskau/Kiew/Berlin (Reuters) - Im Konflikt um die Ukraine stehen sich Russland und der Westen zunehmend unversöhnlich gegenüber, wollen mit einer neuen diplomatischen Offensive aber den Gesprächskanal offenhalten.

Russland warnte am Mittwoch vor der Lieferung von Waffen in die ehemalige Sowjet-Republik. Dagegen sagte US-Außenminister Antony Blinken der Ukraine bei einem Besuch in Kiew weitere Unterstützung zu, einschließlich militärischen Geräts. Die USA blieben aber einer diplomatischen Lösung verpflichtet, sagte Blinken, der am Freitag mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in Genf zusammenkommen wird.

Der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow sagte laut Nachrichtenagentur Interfax, die Sicherheitslage in Europa sei "kritisch". Daher sollte der Westen keine Waffen an die Ukraine liefern. Großbritannien hat nach eigenen Angaben bereits damit begonnen, dem osteuropäischen Land Panzerabwehr-Waffen zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung schließt einen solchen Weg offiziell nach wie vor aus, wie Außenministerin Annalena Baerbock bei einem Besuch in Kiew am Montag erneut deutlich machte. Allerdings mehren sich die Stimmen innerhalb der Koalition und vor allem aus der FDP, die eine Überprüfung dieser Position fordern.

Blinken betonte in Kiew die Entschlossenheit der Supermacht, die Ukraine im Konflikt mit Russland zu unterstützen. Das Land stehe vor schwierigen Zeiten. Angesichts der massiven Truppenpräsenz an der Grenze könne Russland jederzeit eine Invasion starten. Er hoffe, dass sein geplantes Treffen mit Lawrow die diplomatischen Kanäle offenhalte. Russland habe bislang aber trotz aller diplomatischer Bemühungen das Gegenteil einer Deeskalation verfolgt. Ukraines Außenminister Dmytro Kuleba warf Russland vor, sein Land zu destabilisieren. Die Regierung in Moskau versuche, Panik in der Ukraine zu schüren und die Wirtschaft sowie das Finanzsystem zu unterwandern.

Am Donnerstag will Blinken zunächst nach Berlin reisen, um mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Baerbock das weitere Vorgehen zu besprechen. Auch die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens sollen eingebunden werden. Scholz mahnte Russland, für eine Deeskalation zu sorgen. "Die russische Seite weiß um unsere Entschlossenheit", sagte der Kanzler beim virtuellen Davos-Treffen des Weltwirtschaftsforums. "Ich hoffe, ihr ist auch bewusst, dass der Nutzen von Kooperation deutlich höher ist als der Preis weiterer Konfrontation." Der Dialog müsse aufrechterhalten werden.

"DIE SICHERHEIT AUF UNSEREM KONTINENT IST UNTEILBAR"

Russland weist den Vorwurf zurück, einen Einmarsch in die Ukraine vorzubereiten. Stattdessen verlangt die Regierung in Moskau Sicherheitsgarantien, unter anderem die Zusage der Nato, dass die Ukraine nicht in das Bündnis aufgenommen wird. Die Nato lehnt dies mit Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht von Staaten ab. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte nach einem Gespräch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch, er könnte am nächsten Gipfel der Allianz im Sommer teilnehmen. Die Nato hat der Ukraine bislang allerdings kein konkretes Beitrittsangebot unterbreitet.

Über den weiteren Kurs verhandelt Russland derzeit vor allem mit den USA. Deutschland und Frankreich sind bemüht, den sogenannten Normandie-Prozess wieder in Gang zu bringen, in dem beide EU-Staaten zwischen Russland und der Ukraine vermitteln. Erwartet wird, dass dies auch Gegenstand der Beratungen Bearbocks mit ihren Kollegen aus den USA, Frankreich und Großbritannien am Donnerstag sein wird. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mahnte, Europa dürfe bei der Lösung der Ukraine-Krise nicht an der Seitenlinie stehen. Vor dem Europäischen Parlament in Straßburg warb er für eine neue Stabilitäts- und Sicherheitspolitik, die auch mit Russland diskutiert werden müsse. "Die Sicherheit auf unserem Kontinent ist unteilbar."