in Berlin

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich möchte als Erstes den Regierungschefs und -chefinnen der Länder danken, dass sie heute hier mit anderen Vertretern der Bundesregierung zu einem physischen Treffen zusammengekommen sind. Ich glaube, das war auch gut, denn wir sind in einer Phase der Pandemie, die ernst ist. Ein einleitender Vortrag des Epidemiologen Michael Meyer-Hermann hat uns noch einmal aufgezeigt, in welcher Phase wir sind. Ich glaube, das war recht einleuchtend und auch hilfreich.

Ich bin überzeugt, dass das, was wir in diesen Tagen und Wochen, die kommen, tun und was wir nicht tun, entscheidend für die Frage sein wird, wie wir durch diese Pandemie kommen. Denn wir sehen, dass die Kurven der Infektionszahlen zum Teil recht steil nach oben weisen und dass es in einigen Regionen ein sehr hohes Infektionsgeschehen gibt.

Wir befinden uns jetzt in einer anderen Jahreszeit. Damals, im März, stand der Frühling vor der Tür. Jetzt gehen wir auf die Wintermonate zu. Das hat zur Folge, dass es natürlich im Innern sehr viel häufiger Kontakte gibt und dass weniger draußen stattfinden kann. Das bedeutet, dass wir vor größeren Herausforderungen stehen. Unser gemeinsames Ziel - so haben wir es heute auch beschlossen - ist, dass wir die Kontakte nachverfolgen wollen. Das gelingt im Großen und Ganzen nach wie vor, aber in einigen Fällen nicht mehr so, wie es sein müsste. Deshalb haben wir miteinander auch über Fragen der Unterstützung durch den Bund, die Bundeswehr und die Gesundheitsämter, aber auch der Ordnungsämter gesprochen. Wir müssen also verhindern, dass es weiter zu einem unkontrollierten beziehungsweise exponentiellen Anstieg kommt. Wir sind bereits in der exponentiellen Phase, was man an den täglichen Zahlen sieht.

Bei den Beschlüssen, die ich ausdrücklich sehr gut finde, hat uns die Kontrolle über das Infektionsgeschehen und die Infektionsdynamik geleitet. Entsprechend unserer Hotspotstrategie werden dort, wo es 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner über sieben Tage gibt, Kontaktbeschränkungen sowohl im öffentlichen Raum als auch im Privaten eingeführt, wenn es um Feiern geht. Des Weiteren - und das ist ein neuer Schritt - werden erste Schritte bereits bei 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner eingeleitet. Wir haben uns zu der prophylaktischen Zahl von 35 entschieden, weil wir an einigen Beispielen gesehen haben, wie schnell der Anstieg von 35 auf 50 erfolgt. So werden also dort schon erhebliche Einschränkungen bei den Kontakten notwendig sein. Dass wir diese Beschlüsse so fassen konnten, halte ich für sehr wichtig.

Dabei ist auch klar gewesen - das haben wir beschlossen -, dass wir jetzt eine bestimmte Zeit abwarten. Wir wissen, dass die Zahlen von heute im Grunde das Geschehen von vor etwa zehn Tagen widerspiegeln. Das heißt, wenn ich neue Maßnahmen einführe, muss ich wieder gut zehn Tage warten, um dann beurteilen zu können, ob ich die Infektionsdynamik gestoppt beziehungsweise verringert habe. Wir werden dann miteinander beraten, ob neue weitere Schritte notwendig sind oder ob die beschlossenen Schritte bereits ausgereicht haben.

Wir haben heute anhand des Vortrags des Wissenschaftlers - aber das wissen wir eigentlich auch - noch einmal sehr deutlich gesehen, dass die Zahl der Kontakte sehr maßgeblich für die Ausbreitung des Infektionsgeschehens ist. Es gibt einen Teil des Beschlusses, der mich noch nicht ganz zufriedenstellt und an dem wir weiter arbeiten müssen. Das ist die Frage der touristischen Reisen aus den Risikogebieten, Stichwort Beherbergungsverbot. Wir haben darüber sehr lange und hinsichtlich der verschiedenen Facetten diskutiert. Das ist in der Tat auch nicht einfach umzusetzen. Deshalb werden wir während des Verlaufs der Herbstferien an den bestehenden Regeln im Großen und Ganzen festhalten - es muss ja auch ein Stück Berechenbarkeit für die Menschen geben -, werden uns aber zum Ende der Herbstferien - die letzten Herbstferien enden am 8. November in Bayern - noch einmal zusammensetzen, um zu überlegen, wie wir das halten.

Wir rufen allerdings in unserem Beschluss dringend dazu auf, von nicht notwendigen Reisen insbesondere aus den Hotspotgebieten abzusehen, weil wir wissen, dass das Reisegeschehen immer auch ein Geschehen ist, das weitere Infektionen verursachen oder die Verbreitung in die Fläche hinein noch einmal beschleunigen kann.

Es gibt in den Beschlüssen viele wichtige Dinge, was zum Beispiel die Musterquarantäneverordnung anbelangt, was die Frage der Ordnungsämter, die Unterstützung der Gesundheitsämter oder die Vorbereitungen für einen möglichen Impfstoff angeht. Über all das gibt es einen sehr großen Konsens.

Insgesamt stehen wir insofern an einem entscheidenden Punkt - das ist natürlich auch nicht ganz einfach abzuschätzen - und vor der Frage: Reicht das, was wir jetzt tun, oder reicht es nicht? Wir haben gesagt, dass wir jetzt über einen Zyklus die Wirkungen solcher Maßnahmen beobachten. Das Infektionsgeschehen ist sehr dynamisch geworden. Wir sehen in unseren Nachbarländern, dass dort sehr einschneidende Maßnahmen getroffen werden müssen.

Eines ist jetzt ganz wichtig - und deshalb möchte ich noch einmal an die Bürgerinnen und Bürger appellieren -: In dieser entscheidenden kritischen Phase des Herbstes ist es ganz, ganz wichtig, dass alle weiter mitmachen. Die Menschen in Deutschland haben unglaublich viel mitgemacht und damit auch dazu beitragen, dass wir im Großen und Ganzen besser dastehen als viele unsere Nachbarländer. Das heißt: Abstand einhalten, Maske tragen, die Regeln befolgen, zu denen jetzt im Winter noch das Lüften kommt, und natürlich, wo immer möglich, die Corona-Warn-App nutzen, weil sie auch noch einmal ein Hilfsmittel ist.

Diese Einhaltung der Regeln ist das A und O. Wir müssen uns dem Virus nicht irgendwie ergeben, sondern wir können gegen dieses Virus ankämpfen. Trotzdem müssen wir natürlich auch unsererseits durch politische Beschlüsse dazu beitragen, dass wir die Zahl der Kontakte gerade dort verringern, wo die Infektionszahlen hoch sind, um unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten.

Allerdings will ich auch noch einmal darauf hinweisen, dass selbst Krankheitsverläufe, die nicht im Krankenhaus enden, in Bezug auf Corona zum Teil schwierige Krankheitsverläufe sein können. Wir hören immer wieder von Beispielen, wo jede vermiedene Krankheit natürlich eine gute Krankheit ist.

Herr Meyer-Hermann hat uns heute gesagt - und dazu hat er Studien entwickelt -, dass es nicht nur, aber natürlich zuvörderst, um die Frage des Gesundheitssystems geht. Aber auch unsere wirtschaftliche Entwicklung hängt davon ab, dass wir durch die Pandemie nicht zu schwer beeinträchtigt werden. Was der Gesundheit dient, dient also auch dem wirtschaftlichen Ablauf. Sie wissen alle: Wir haben auf der Bundesebene einen Haushalt mit einer Neuverschuldung von über 250 Milliarden Euro allein in diesem Jahr verabschiedet. Deshalb können wir uns auch ökonomisch eine zweite Welle mit den Folgen, wie es sie im Frühjahr gab, nicht leisten. Das heißt, wir müssen alles tun, um die Infektionszahlen im Griff zu behalten und die Kontakte nachzuvollziehen. Dazu müssen die Zahlen an einigen Stellen sinken.

Das waren die Beschlüsse. Wir haben weiter zu arbeiten, aber wir sind dazu auch gewillt.

BGM Müller: Meine Damen und Herren, ich kann da gleich anknüpfen. Ich glaube, es war tatsächlich gut und richtig, dass wir heute hier wieder im Kanzleramt zusammengekommen sind und dass wir direkt miteinander beraten konnten. Sie haben es erlebt: Es waren lange Beratungen, die mitunter auch kontrovers geführt wurden. Es ist so. Es gibt einfach auch aufgrund der Infektionszahlen in den Bundesländern einen unterschiedlichen Problemdruck.

Letztendlich war natürlich allen bewusst, dass wir tatsächlich in einer besorgniserregenden Situation sind. Das muss man in aller Klarheit sagen. Es steht jetzt viel auf dem Spiel.

Wir haben im letzten halben Jahr viel zusammen erreicht. Wir haben viel zusammen erreicht, weil wir sehr schnell und sehr entschlossen eingegriffen haben. Frau Merkel hat darauf hingewiesen: Die Infektionszahlen sind in Richtung Sommer kontinuierlich nach unten gegangen. Natürlich hat uns die Jahreszeit auch in die Hände gespielt. Es gibt jetzt wieder steigende Zahlen, und der Winter steht uns bevor. Wir wissen insofern alle miteinander, dass wir etwas zu tun haben.

Es ist in den Bundesländern in den letzten Wochen ja auch schon immer wieder über viele Maßnahmen entschieden worden. In den letzten Wochen wurde je nach Infektionsverlauf nachgeschärft und nachjustiert. Insofern hatten wir heute schon eine gute Grundlage, um zu sehen, was wir darüber hinaus jetzt noch gemeinsam verabreden können.

Ich glaube, von besonderer Bedeutung ist, dass wir uns tatsächlich gerade die Bereiche vorgenommen haben, in denen es keine kontrollierten und kontrollierbaren Verfahren gibt. Wir sehen am Arbeitsplatz, im ÖPNV, in der Schule, in der Speisegastronomie, im Einzelhandel und in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, dass die Regeln, die wir miteinander beschlossen haben, gut umgesetzt werden, dass sie akzeptiert und von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen werden und dass sie auch gut kontrollierbar sind. Das muss man auch sagen. Das ist also in diesen Bereichen ein erfolgreicher Weg.

Es gibt andere Bereiche, eher im privaten Raum, wo wir sehen, dass leider einige wenige - es ist ja nicht die Mehrheit - diese Regeln nicht achten und damit viele andere gefährden. Wir haben uns genau diese Punkte vorgenommen. Wir haben uns noch einmal das Zusammenkommen im öffentlichen Raum vorgenommen, also die Gruppenbildungen im öffentlichen Raum, den Alkoholausschank. Wir haben uns das Thema private Feiern, auch Kleinere private Feiern, vorgenommen.

Insofern ist es heute schon ein wichtiger Schritt nach vorne gewesen, dass wir genau in diesen Bereichen auch wirklich zu Einschränkungen gekommen sind. Dass je nach Inzidenz - die 35er- oder die 50er-Inzidenz - in einer Schrittfolge eine Sperrstunde empfohlen wird beziehungsweise auch auf jeden Fall umgesetzt werden soll und dass das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes, das Maskentragen, weiter ausgeweitet werden kann beziehungsweise bei höheren Infektionszahlen auch im öffentlichen Raum ausgeweitet werden soll, sind, glaube ich, wichtige Schritte.

Es ist vor allen Dingen auch wichtig, dass wir noch einmal bei allen Beteiligten - ich mache da keinen Unterschied zwischen Jung und Alt - das Bewusstsein dafür schärfen, was für Probleme es mit sich bringen kann, wenn man auch bei Kleineren Zusammenkünften im privaten Raum - bei privaten Feiern, bei Geburtstagen, bei Jubiläen - die Regeln nicht beachtet. Irgendwann verlässt man die Feier wieder und man fährt mit dem ÖPNV, man geht zum Arbeitsplatz, man trifft andere Familienmitglieder, man geht zum Sport und man trägt Infektionen weiter. Insofern war es uns wichtig, gerade auch in diesem Bereich zu sagen: Wir müssen wie zu Anfang der Pandemie, als wir die ersten einschränkenden Maßnahmen beschlossen haben, wieder deutlich machen, dass die Bildung von größeren Gruppen auf jeden Fall vermieden werden muss.

Insofern, glaube ich, waren das heute wichtige Schritte nach vorne. Ich will aus Berliner Sicht und vielleicht auch aus Sicht der Stadtstaaten hinzufügen: Wir haben schon, ich will nicht sagen alles, aber doch sehr viel von den Dingen, die wir heute festgehalten haben, auch in Berlin beschlossen. Es ist aber ganz klar: Das muss auch umgesetzt und das muss auch kontrolliert werden. Neben dem Appell, dass sich jeder wieder bewusst machen soll, dass er auch Verantwortung, auch Eigenverantwortung hat und diese jetzt wahrnehmen muss, will ich an dieser Stelle auch ganz klar sagen: Wir werden diese Kontrollpflichten auch sehr ernst nehmen und wir werden sehr genau hinschauen: Wie werden unsere Regeln umgesetzt - wie werden sie umgesetzt in der Gastronomie, wie werden sie umgesetzt im öffentlichen Raum und, soweit es eben möglich ist, auch im privaten Raum, bei privaten Feiern?

Ich weiß, dass das schwierig ist, aber das ist jetzt wirklich eine entscheidende Phase. Wenn wir weitergehende, tief einschneidende Maßnahmen vermeiden wollen, wenn wir erhebliche Konsequenzen nicht nur für die Wirtschaft, sondern für unser Zusammenleben, also große soziale Konsequenzen vermeiden wollen, wenn wir vermeiden wollen, dass Kinder nicht, wie wir es ja erlebt haben und wie es sein muss, zur Schule gehen können - wenn wir all das vermeiden wollen, kommt es jetzt wahrscheinlich genau auf die nächsten Wochen an, auf diese Herbstwochen, in denen wir uns befinden, und darauf, ob unsere Maßnahmen entsprechend angenommen werden, ob sie von uns allen umgesetzt werden und ob sie eben von allen auch mit der entsprechenden Eigenverantwortung mitgetragen werden.

MP Söder: Wir sind heute für das ganze Land schon einen deutlichen Schritt vorangekommen, aber ob das reicht, ist meiner Meinung nach offen. Wir sind dem zweiten Lockdown eigentlich viel näher, als wir das wahrhaben wollen. Wenn wir uns die Entwicklung und auch den heutigen Bericht der Experten anschauen, wenn wir uns anschauen, in welcher Dynamik sich die Zahlen gerade entwickeln, wenn wir sehen, was um uns herum passiert, dann müssen wir erkennen: Es ist jetzt wirklich höchste Zeit - vielleicht nicht mehr fünf vor zwölf, sondern Schlag zwölf -, die Weichen richtig zu stellen.

Insofern war der heutige Termin - es gab ja im Vorfeld Diskussionen darüber, ob es diesen Termin wirklich braucht - zwingend notwendig, und es war auch wichtig zu reden, auch wenn manches etwas zäh war. Denn eines ist klar: Wir müssen noch einmal das Bewusstsein dafür schärfen, um was es eigentlich geht. Sollte ein zweiter Lockdown kommen, dann würde das für Deutschland erheblichste Schädigungen bedeuten, den Wohlstand unseres Landes fundamental gefährden und für die nächste Generation, für Schulen und Schüler, für Kinder und Kitas, dauerhafte Schäden verursachen. Deswegen ist es dringend nötig, das, was wir heute machen, nicht nur zu verbalisieren, sondern - es freut mich, dass Sie es gesagt haben, Herr Müller - eben auch umzusetzen, und zwar gemeinschaftlich und so entschlossen, wie es geht.

Wir haben wieder ein sprunghaftes Wachstum, und es wächst auch wieder in die Krankenhäuser. Nach all den Diskussionen der vergangenen Wochen, es handele sich bei Corona um eine normale Grippe, es sei nicht so gefährlich, es würde keine Auswirkungen haben, belehrt die Situation im Rest von Europa uns gerade leider eindrücklich, dass sich Corona als das erweist, was es vorher war, und komplett gleich gefährlich bleibt. Die zweite Welle ist absolut da. Deswegen hat es auch keinen Sinn, sich das schönzureden. Im Gegenteil, die Lage ist fast ein bisschen gefährlicher als im Frühjahr. Warum? Weil wir im Frühjahr die Hoffnung auf Sommer hatten, und jetzt haben wir die Herausforderung des Winters. Der Winter kommt. Das macht es für all die Fragen von außen und innen eher schwierig. Deswegen ist es, glaube ich, wichtig, heute die entsprechenden Weichenstellungen vorzunehmen.

Gut und positiv ist auf jeden Fall: Es gibt heute mehr Einigkeit. Gut und positiv ist auch: Es gibt - das kann man, glaube ich, sagen - verständlichere Regeln für alle. Das ist das Wichtige dabei. Als Ministerpräsident des Freistaats Bayern möchte ich auch sagen: Ich finde auch die Philosophie, die jetzt dahintersteht, richtig - die Philosophie 'mehr Maske, weniger Alkohol und deutlich weniger feiern'. Wenn man das nationale Infektionsgeschehen bei uns sieht und die Erfahrungen der vergangenen Monate Revue passieren lässt und sie auch umsetzen will, muss man sagen: Das ist der Dreiklang an Instrumenten, die wir letztlich haben. Es geht nicht um bestimmte professionelle Veranstaltungen, sondern es geht um den ganzen privaten Sektor. Deswegen brauchen wir dringend mehr Maske, und wir werden auch mehr Maskenpflicht haben. Wir brauchen auch die entsprechenden Alkoholeinschränkungen - ob Sperrstunde oder Einschränkungen beim Alkoholverkauf oder der Alkoholnutzung - und auch eine deutliche Einschränkung der Feiern. Angesichts dessen, dass eigentlich immer nur sehr wenige dafür verantwortlich sind, ist das ärgerlich, aber da muss man jetzt einfach ein Signal setzen.

Es geht übrigens bei dem ganzen Thema nicht um die Frage von Loyalität gegenüber dem Staat oder um Ordnungsgläubigkeit - Setzt der Staat sich durch? -, sondern es ist eine Frage von Solidarität. Im Grunde genommen geht es darum, Risikogruppen und die ältere Generation zu schützen. Dieses Schutzversprechen muss eine Gesellschaft gemeinschaftlich leisten. Deswegen ist es, glaube ich, so wichtig, dass wir das heute schaffen.

De facto ist das jetzt eine gute Coronaampel, sowohl von der Philosophie als auch von der Idee her, und zwar eine einfache Coronaampel. Es gibt in Europa verschiedene Coronaampeln, bei denen zig Zahlen miteinander kombiniert werden und bei denen kein Mensch durchblickt. Da werden Infektionszahlen mit irgendwelchen anderen Zahlen verrechnet, sodass das eher eine mathematische Formel ist. Bei uns ist es ganz einfach: 35, 50. Das ist eine ganz einfache, klare Regelung. Bis 35 gelten die normalen Abstands- und Distanzregeln, ab 35 müssen dann schon Vorsichtsregeln getroffen werden, und ab 50 gelten dann die sehr, sehr konsequenten Regeln.

Ob das reicht, werden wir sehen. Vieles liegt auf Wiedervorlage. Wir werden das in den nächsten zehn Tagen sehen. Wenn es nicht wirkt, dann wird man darüber reden müssen, ob man noch nachschärfen und entsprechend agieren kann. Wir hoffen jetzt einmal, dass es wirkt, wenn es überall einheitlich angewendet wird. Wenn es überall einheitlich angewandt wird, dann stellen sich übrigens auch manche Fragen zum Reisen innerhalb von Deutschland weniger; denn wenn alle das gleiche Schutzkonzept haben, dann können auch diese Fragen entspannter beziehungsweise auf einer anderen Basis diskutiert werden.

Zusammenfassend gesagt: Der Termin heute hat sich gelohnt, wenn ich das so sagen darf. Ich teile aber das, was die Kanzlerin und Herr Bürgermeister Müller gesagt haben. Wenn man in den Nachrichten des Abends liest, was in Frankreich beschlossen wurde und was gestern in Holland beschlossen wurde, dann sieht man, was passieren kann, wenn wir uns dem Thema nicht stellen. Ich kann nur an jeden appellieren - an Verantwortungsträger, aber auch an die Bevölkerung -, es bitte ernst zu nehmen. Viele halten sich großartig daran, und die müssen wir auch mitnehmen und weiter engagiert dabei betreuen. Wir müssen aber auch mithelfen, dass diejenigen, die noch skeptisch sind, mitmachen und sich mit auf den Weg begeben. Es steht unglaublich viel auf dem Spiel, und wir brauchen einen langen Atem. Es handelt sich hier aber nicht um ewig. Die Folgen, wenn wir jetzt Fehler machen, sind viel größer als die Herausforderungen und die Belastungen, wenn wir uns alle ein Stück weit Mühe geben. Es braucht eigentlich nicht so viel, um diese Herausforderung zu bestehen und schlimmere Folgen abzuwenden. Ich glaube, mit dem heutigen Beitrag haben wir ein entsprechendes Regelwerk auf den Weg gebracht.

Zu den ganzen Meldungen darüber, was so alles stattfindet, die zwischendurch gelaufen sind und die wir dann alle gelesen haben, kann ich nur sagen: Ja, es gab ein paar Stellen, an denen sich der oder die eine oder andere mehr gewünscht hätte. Aber am Ende spielen wir dann hoffentlich doch alle in einem Team, nämlich in dem Team 'Umsicht und Vorsicht'. Das hat sich heute durchgesetzt. Es hat sich also heute am Ende nicht die Idee durchgesetzt, es sei alles gar nicht so schlimm und man könne das auch irgendwie anders bewältigen und man solle jetzt niemanden verunsichern, sondern das Team 'Umsicht und Vorsicht' hat sich am Ende durchgesetzt. Darum, glaube ich, war das ein gewinnbringender Tag, der aber noch nicht der letzte in der Coronadebatte gewesen sein wird.

Frage: Ich hätte eine Frage zu der Akzeptanz. Die haben Sie ja eigentlich alle drei betont. Nun gibt es ausgerechnet für den Bereich, in dem es in den letzten Tagen am wenigsten Akzeptanz gab, nämlich in dem der Beherbergung, anscheinend keine gemeinsame Regel. Ist das nicht ein Kleiner Widerspruch?

Herr Söder, noch eine Spezialfrage an Sie hinterher: Bußgelder spielen jetzt eigentlich keine Rolle. Die hatten Sie vorgeschlagen. Halten Sie das nicht mehr für notwendig, oder war das nicht durchsetzbar?

BK'in Merkel: Gut, dazu sagst du ja etwas.

Was ich sagen kann: Ja, das sogenannte Beherbergungsverbot hat Fragen aufgeworfen. Das Schwierige ist: Wir sind uns vollkommen darüber einig, und Bund und Länder fordern eindringlich alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, nicht erforderliche innerdeutsche Reisen in Gebiete und aus Gebieten heraus, in denen die Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage überstiegen wurde, zu vermeiden. Da gibt es keine Frage. Das ist allgemein akzeptiert. Wenn nachher operationalisiert werden soll, wie das genau aussehen wird, stellt sich das als schwieriger heraus, als dieser Satz klingt. Darüber muss weiter geredet werden - das hat sich erwiesen -, was sowohl die Länder anbelangt, die sozusagen sehr viele touristische Übernachtungsmöglichkeiten haben, als was aber auch die Länder anbelangt, die selbst ein Risikogebiet sind. Solange das ein Landkreis war, hat sich das noch relativ einfach dargestellt, aber wenn es sehr, sehr viele Gebiete sind, wird das insgesamt schwieriger.

Ich finde es trotzdem vernünftig, dass wir jetzt gesagt haben, dass wir die Phase dieser Herbstferien einmal abwarten und dann darauf zurückkommen werden. Aber da ist noch viel Arbeit zu leisten.

Es ist unbestritten, dass Reiseverkehr natürlich auch immer wieder viele Kontakte mit sich bringt. Das, was mich einfach umtreibt - das haben wir heute auch anhand der Simulationen sehr gut gesehen -, ist, dass eben die Tage zählen, innerhalb derer man welche Maßnahme unternimmt. Es ist nicht egal, ob man etwas innerhalb von sieben Tagen, von zehn Tagen, heute oder gestern macht. So muss man schauen, dass wir eben einfach wieder die Hoheit erlangen, dort, wo sie uns ein Stück weit verloren gegangen ist, und zwar durch Unterstützung der Ämter, aber eben auch durch Kontaktbeschränkungen.

Ich persönlich bin einfach der Meinung, dass wir die Mittel in der Hand haben, um uns diesem Virus entgegenzustemmen und auch mit ihm umzugehen, und das ist uns ja von März an auch gut gelungen. Jetzt mag eine Maßnahme auch eine begrenzte Akzeptanz haben. Dann muss man natürlich schauen, dass sie eine bessere erhält. Aber sie, also dass man sozusagen unnötige Reisen vermeidet, ist deshalb noch nicht als solche falsch; das muss man den Menschen auch sagen. Deshalb treibt mich einfach um, und das ist in der Diskussion auch deutlich geworden, dass wir es hierbei mit einer Riesenherausforderung und hoffentlich mit einer Jahrhundertherausforderung zu tun haben, die ganz viel nach sich ziehen kann, nämlich die Frage, wie viele Menschen sterben - wir sehen das, über die Welt verteilt, an den Statistiken der Länder; das kann man so oder so machen -, und die Frage, was aus unserer Wirtschaft wird, was damit aus unserem Wohlstand wird und was damit auch aus der Jugend wird, die noch viel mehr Lebensjahre vor sich hat. Gerade die Jugend ist es, an die wir jetzt auch appellieren müssen, lieber heute auf ein paar Feten, Feiern und Partys zu verzichten, um morgen und übermorgen gut leben zu können. Daran hängt sehr viel. Wir haben ja an den Ereignissen des Frühjahrs gesehen, wie das unsere Haushalte auseinanderwirbelt. Wir sind ein leistungsfähiges Land, aber wir haben auch keine unbegrenzten Möglichkeiten, und deshalb müssen wir mit unseren Ressourcen vorsichtig umgehen.

MP Söder: Eine Gemeinschaft - auch ein Staat - darf kein zahnloser Tiger sein. Das heißt, wenn er Vorgaben macht und alle mitmachen, ist es kein Problem. Wenn sich einige nicht daran halten, muss er auch zeigen, dass es ihm ernst ist. Deswegen sind Bußgelder natürlich absolut wichtig. Wir haben sie. Überraschenderweise gibt es in Bayern und Berlin die gleichen Bußgelder für Maskenverweigerer; das ist ja - - - Es gibt auch dieselbe Einstellung zum Thema 'Maske', wenn ich das so sagen darf, was an der Stelle sehr positiv ist. Deswegen sind wir sehr für diesen Bereich. Aber es gibt den einen oder anderen hartnäckig noch nicht oder noch nicht so sehr von Sanktionen Überzeugten. Das konnten wir heute auch nicht schaffen. Aber es bleibt dabei: Ohne eine Bußgeldsanktion hat das Ganze keinen Sinn.

Es gibt ja auch Quarantänefragen. Das bleibt auf jeden Fall auf der Tagesordnung.

In den meisten Bundesländern wird das sowieso umgesetzt.

Entschuldigung. - Die Zahlen steigen ja. Es ist so, wenn man sich einmal alles anschaut: Die Bundesländer, die das Thema vor zehn Tagen als nicht so bedrohlich empfunden haben, liegen heute bei Zahlen, die kurz davorstehen, zu springen. Alles vorm Sprung! 35 sind fast schon 50, muss man sagen. Es geht dann ganz schnell, mittlerweile. Deswegen ändern sich die Dinge innerhalb von Tagen und nicht von Wochen. Deswegen, glaube ich, werden wir noch manches, was jetzt für den einen ganz schwierig und schlimm ist, wieder schneller beschließen. Die Realität holt uns schneller ein. Ich fände es halt besser, man ist vor der Welle. Man läuft der Welle nicht hinterher.

Frage: Gerade in der vergangenen Woche ist das ja auch sehr öffentlich diskutiert worden. Gerade zwischen Ihnen, Herr Müller, oder auch Ihnen, Herr Söder, hat es ja auch sehr viele Konflikte gegeben. Das ist ja eigentlich für die Akzeptanz von Maßnahmen auch kontraproduktiv. Ist dieser Umgang miteinander heute auch thematisiert worden?

BGM Müller: Ich glaube, unsere Beschlüsse machen deutlich, dass wir hier einen sehr ernsthaften, aber auch konstruktiven Umgang miteinander gepflegt haben. Ich glaube, Herr Söder und ich haben ja eben auch beide deutlich gemacht, dass es auch vieles gibt, hinsichtlich dessen wir überhaupt kein Problem haben, auch deutlich zu sagen: Wir stehen vor den gleichen Herausforderungen. Wir versuchen auch, einen gleichen Weg zu gehen. Wir versuchen, ihn gemeinsam umzusetzen. Dass es nun in einem großen Flächenland mit europäischen Nachbarn und in einem Stadtstaat einen jeweils unterschiedlichen Problemdruck gibt, auf den wir individuell reagieren müssen, ist, glaube ich, auch ganz normal.

Wenn ich vielleicht auch noch einmal etwas zum Beherbergungsverbot sagen darf; die Bundeskanzlerin hat es ja eben schon deutlich gemacht: Wir oder die Länder, die das umgesetzt beziehungsweise eingeführt haben, wollen jetzt einfach auch Erfahrungen damit sammeln und sehen, wie es funktioniert. Wir wollen gemeinsam sehen, wie andere Maßnahmen wirken und was für Auswirkungen das dann wiederum auf dieses Beherbergungsverbot hat.

Aber ich habe nun natürlich für die Stadt Berlin auch deutlich gemacht, dass ich dabei auch ein Umsetzungsproblem sehe. Es geht ja nicht nur um die Beziehung zwischen Berlin und Brandenburg, um die Pendler und darum, wie viele Berliner irgendwohin reisen dürfen. Es kommen ja auch viele Menschen in die Stadt und bringen möglicherweise Infektionen mit, wenn ich an den ganzen Politikbetrieb denke, wenn ich an den ganzen Kulturbetrieb denke, und, und, und. Was wäre dann die Konsequenz? - Um es in aller Konsequenz zu sagen: Die Stadt war in ihrer Geschichte mehrfach abgeriegelt. Das ist für mich keine erneute Option. Insofern muss man da auch miteinander zu vernünftigen Verabredungen kommen. Man muss nicht nur das Problem erkennen, nicht nur eine Maßnahme beschließen, sondern auch gemeinsam sehen, wie man die Umsetzung tragen kann. Das ist - nicht nur für Berlin - für die Großstädte eben nicht so einfach; das muss man sagen.

MP Söder: Das hat heute vom ganzen 'wording' her, glaube ich, miteinander sehr vernünftig funktioniert; das kann man sagen. Das war heute von einem gemeinschaftlichen Bewusstsein getragen. Bei diesem einen Thema, glaube ich, sind wir auch ein Stück weitergekommen, wenn ich das sagen darf, aber noch nicht endgültig durch.

BK'in Merkel: Außerdem muss man doch ganz einfach sehen, dass wir auch alle vor Herausforderungen stehen, die wir vor einem halben Jahr oder vor sieben oder acht Monaten noch nicht gekannt haben. Dass wir hier nun alle in so einen Saal einziehen und mit der gleichen Meinung an die Sache herangehen, ist ja relativ unwahrscheinlich. Dass man sich dann zusammenraufen muss, dass man aus der Diskussion auch etwas lernt und dass die auch sehr ehrlich ist, weil es um etwas geht, ist, glaube ich, eher ein gutes Zeichen. Dass Sie das gleich immer informatorisch mitbekommen, gehört offensichtlich zu der modernen Welt, aber deshalb können wir trotzdem nicht darauf verzichten, auch wirklich um den richtigen Weg zu ringen, und das finde ich in so einer Situation auch verständlich.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, von Ihnen ist aus der heutigen Sitzung ein Satz überliefert. Sie sollen gesagt haben: Diese Maßnahmen sind nicht hart genug, um das Unheil abzuwenden. - Welches Unheil meinen Sie damit? Woran denken Sie, wenn Sie das im Kopf haben?

Es ist ja kein Geheimnis, dass Sie sich auf jeden Fall schärfere Maßnahmen gewünscht hätten. Man merkt Ihnen jetzt auch an, dass Sie vielleicht nicht ganz 100-prozentig glücklich mit dem Ausgang sind. Wie frustriert sind Sie nach diesen Tagen und den möglicherweise doch eben nicht so harten Maßnahmen, wie Sie sie sich gewünscht haben?

BK'in Merkel: Nein, ich habe ja gesagt, womit ich zufrieden bin, und da gibt es wichtige Teile, mit denen ich absolut zufrieden bin, wenn man auf die Kontaktbeschränkungen schaut, die wir eingeführt haben, nicht erst bei 50, sondern schon bei 35.

Dann habe ich gesagt, an welcher Stelle ich nicht zufrieden bin und wo man weiterarbeiten muss. Wenn Sie mich fragen, was das ist, was mich beunruhigt: Das ist der exponentielle Anstieg. Den müssen wir stoppen; sonst wird es zu keinem guten Ende führen. Das sehen wir an allen Ecken und Enden. Dafür brauche ich gar nicht nach Deutschland zu schauen, dafür brauche ich bloß in die Nachbarschaft zu schauen; das ist der Punkt. Diesen exponentiellen Anstieg müssen wir stoppen, je schneller, umso besser. Deshalb wäre das vollkommen abgeschlossene Paket auch bezüglich dessen, wie wir es mit den Reisen halten, noch besser gewesen. Aber trotzdem war das eine ganz wichtige Sitzung, bei der auch sehr, sehr Gutes und Wichtiges erreicht wurde.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich wollte noch einmal nach Ihrer Mathematik fragen. Sie sagten ja selbst, das Geschehen, dass wir heute mit den mehr als 5000 Infektionen sehen, sei eigentlich das Infektionsgeschehen von vor zehn Tagen. Jetzt beschließen Sie Maßnahmen, deren Wirkung wir ja auch frühestens in zehn Tagen sehen können. Sind wir also nicht eigentlich angesichts der Tatsache, dass sich das Infektionsgeschehen weiter verschlechtert hat, und zwar ziemlich deutlich und auch nach Ihrer Sitzung am 29., der Entwicklung nicht offensichtlich jetzt schon deutlich hinterher?

BK'in Merkel: Wenn man jetzt einmal sagen würde, dass der Zustand Anfang des Sommers für uns der wäre, den wir gut handeln können, dann muss man sagen: Wir sind über den Sommer hinweg in eine Situation gekommen, die sich jetzt noch verstärkt hat, in der wir mit unseren Maßnahmen dem Infektionsgeschehen hinterher sind. Wir haben heute Gesundheitsämter, die nicht mehr 100-prozentige Kontrolle haben. Deshalb hat Herr Söder ja eben richtigerweise gesagt: Wir müssen vor die Welle kommen. Es ist wichtig, dass wir das sozusagen wieder eindämmen.

Deshalb ist die Frage, ob das, was wir heute gemacht haben, ausreicht, eine zentrale Frage. Es kann sein, dass wir in zehn oder zwölf Tagen sagen müssen: Wir haben diesen Anstieg nicht so gestoppt, wie wir es wollten. - Es kann auch niemand ganz genau wissen, wie das alles wirkt. Niemand kann sagen, wie wichtig der Reisefaktor, wie wichtig die Beschränkung ist, die ja sehr hart ist. Wenn man bei über 50 pro 100 000 liegt, dann darf man zu Hause nur noch zwei Hausstände, maximal zehn Personen haben oder zehn im öffentlichen Raum bei Feierlichkeiten. Das sind ja schon deutliche Einschränkungen, auch Alkoholverbot und Sperrstunde.

Diese Dinge sind zum Teil schon jetzt hier in Berlin in Kraft, aber deren Wirkung sehen wir noch nicht. Aber das kann uns im Augenblick auch niemand sagen. Wir können abstrakt sagen: Wenn wir 50 Prozent der Kontakte einschränken würden, dann hätten wir eine Beruhigung. Das haben wir heute modellmäßig gesehen. Aber was sind 50 Prozent der Kontakte? Wer will das genau ausrechnen? Das heißt, dass wir in gewisser Weise auch immer wieder einen Versuch unternehmen und dann nachsteuern müssen. Das wird jetzt immer so bleiben. Ob das heute genug war oder nicht, das werden wir sehen.

Deshalb ist meine Unruhe mit dem heutigen Tag noch nicht weg. Aber es war trotzdem ein absolut wichtiger Schritt, den wir gegangen sind.

Frage: Im Anschluss daran, Frau Bundeskanzlerin: Wenn sich die Maßnahmen tatsächlich nicht für eine Besserung eignen, was muss dann geschehen? Müssen die Sanktionen noch härter und die Kontrollen noch schärfer werden?

BK'in Merkel: Ja. Wir reden von Kontaktbeschränkungen. Es geht immer um Kontakte. Wo haben wir sie? Wie haben wir sie? Natürlich gibt es noch viele Möglichkeiten, auch härtere Maßnahmen zu ergreifen; das ist klar.

Wir haben noch einmal deutlich gemacht, was wir erreichen wollen. Wir wollen sich die Wirtschaftskreisläufe da, wo es geht, möglichst entwickeln lassen. Kita und Schule sind für uns ganz wichtig. Bei anderen Kontakten muss man immer wieder schauen: Sind sie zu viel, oder reicht es schon, was wir an Beschränkungen einführen?

Ich sage es einmal so: Es gibt Nachbarländer - - - Für einige Großstädte in Frankreich sind heute noch härtere Maßnahmen von dem französischen Präsidenten genannt worden. Auch in den Niederlanden sind jetzt sehr harte Maßnahmen angeführt worden. Jetzt muss man schauen: Ist 23 Uhr als Sperrstunde - auch darüber haben wir gesprochen - nun genau richtig, oder muss man sie bei 22 Uhr machen? Wie sind die Verhaltensweisen? Das kann und muss dann nachgeschärft werden.

Zusatzfrage: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

BGM Müller: Ja, natürlich. Das geht miteinander einher. Ich habe das ja gerade gesagt. Es gibt jenseits der Beschlüsse zu den Einschränkungen der Kontakte zwei wichtige Dinge, die auch in Berlin auf der Tagesordnung stehen. Das eine ist das entsprechende Kontrollieren, und das andere ist das Nachvollziehen und Durchbrechen der Infektionsketten. Insofern ist dafür auch der erheblich höhere Personaleinsatz notwendig, das ist ganz klar, und dem werden wir mit aller Ernsthaftigkeit nachgehen. Insofern müssen Beschluss, Einschränkung und Kontrolle miteinander einhergehen.

Aber ich möchte es tatsächlich auch noch einmal grundsätzlich einordnen. Ich weiß, was wir vielen Menschen zumuten. Ich weiß, was ich auch in der Metropole vielen zumute, in der Gastronomie, im Kulturbetrieb, was ich vielen jungen Menschen zumute. Aber was können wir eigentlich noch tun, um jedem begreiflich zu machen, dass wir in einer weltweiten Krise sind? In einer weltweiten Krise gibt es Einschränkungen, und sie können erheblich dramatischer sein als das, was wir bisher miteinander beschlossen haben.

Wir mussten in den letzten Monaten auch nicht so erheblich einschränken, weil wir gute Zahlen hatten. Aber es muss jetzt doch jedem bewusst sein: Das ist keine Kaffeesatzleserei, das ist nicht böswillig, und es ist kein Aberglaube, der hier vorgetragen wird, sondern man sieht die Zahlen. Wir haben zu Beginn der Pandemie gesehen, was in italienischen und französischen Krankenhäusern los war. Ich werde das Bild nicht vergessen, wie ein Massengrab auf einer Insel vor Manhattan ausgehoben wurde. Das alles haben wir gesehen. Wenn wir es vermeiden wollen, solche Bilder wiederzusehen, dann muss jedem bewusst sein: Ja, in einer Krise gibt es Anstrengungen, und wir gemeinsam müssen jetzt durch diese Anstrengungen hindurch. Wir müssen gemeinsam diese Krise bewältigen. Darum geht es.

Deswegen, auch wenn es für viele eine Einschränkung ist, dass die Kneipe nicht mehr bis 24 Uhr offen ist, sondern nur noch bis 23 Uhr und - wer weiß? - vielleicht in zwei oder drei Wochen nur noch bis 20 Uhr: Ja, es ist eine Einschränkung, aber die Gesundheit steht im Vordergrund, und ich glaube, dann ist solch ein Weg auch mitzugehen.

MP Söder: Die Einschränkungen, um die es geht, sind in einer freien, liberalen Gesellschaft natürlich tiefgreifend. Aber es stehen Schutzgüter dagegen. Eine Stunde weniger Alkohol, das kann ja wohl nicht ernsthaft wichtiger sein als am Ende die Frage, ob wir wieder Triagesysteme wie in anderen Ländern diskutieren wollen.

Wenn wir sehen, was in den Krankenhäusern in Europa los ist, dann stellen wir fest, dass die Debatte, die wir jetzt einige Wochen und Monate in Deutschland geführt haben, es sei alles nicht so schlimm, es würde gar nicht in die Krankenhäuser kommen, wir stellen fest, dass das zumindest außereuropäische widerlegt ist, und in Deutschland deutet es sich an.

Das Entscheidende ist aber, dass wir nicht warten dürfen, bis die Krankenhäuser wieder voll sind. Wenn die Krankenhäuser voll sind, ist es zu spät, weil es in der Tat - das wurde vorhin angesprochen - die zwei Wochen Verzögerung gibt. Wir sind jetzt in der Situation, dass wir in den nächsten zwei Wochen noch gar keine Auswirkungen dessen spüren, was jetzt passiert. Das heißt, dass die Zahlen jetzt erst einmal deutlich steigen werden. Wir können erst in zehn Tagen bis zwei Wochen erkennen, ob es etwas wirkt oder nicht.

Wir haben im Moment in Bayern die Situation, dass wir an einigen Stellen - ich sage es jetzt einmal so - stabiler wirken, ohne einen Anspruch zu haben, weil wir sehr schnell reagiert haben, auch unsere Landeshauptstadt München. Dann haben wir das Konzept gemacht; das ist jetzt übernommen. Viele Dinge in dem Konzept haben wir schon vor einigen Tagen gemacht. Es gibt keine Garantie, dass das wirkt. Aber es sind die einzigen Konzepte, die wir haben.

Der Instrumentenkasten ist klar beschrieben. Kontakte kann man nur dann verfolgen, wenn man Kontakte vielleicht auch beschränkt und reduziert. Der Alkohol hat eben eine enthemmende Wirkung, und die Leute kommen sich dann näher. Also muss ich versuchen, dort ein Steuerungsinstrument zu finden.

Wir haben auch festgestellt, dass die Infektion bei normalen Veranstaltungen wie zum Beispiel bei dieser hier zwar insgesamt wahrscheinlich nicht auf null zu fahren sind, aber reduziert werden, weil wir Masken und andere Möglichkeiten haben. Aber dort, wo keine Maske mehr getragen wird, im privaten Sektor, auf der privaten Feier - - - Die Menschen gehen dann hinaus, haben sich vorher im öffentlichen Bereich mit Maske bewegt und kommen dann in den privaten Bereich, legen sie ab, und dort entstehen zum Teil sprunghafte Ansteckungen. Dies gilt es jetzt einfach zu kanalisieren und einzudämmen. Das ist die Strategie.

Die gegenteilige Strategie wäre, es durchlaufen zu lassen - das nennt man gemeinhin durchseuchen - mit erheblichen ethischen Auswirkungen, die wir nicht wollen.

Deswegen werden wir die nächsten zehn Tage versuchen, alle diese Maßnahmen umzusetzen. Jeder geht jetzt zurück in sein Land und wird versuchen, das vor Ort umzusetzen oder zu beschleunigen. Wir haben morgen auch Kabinett in Bayern, wo wir an einigen Stellen noch genau nachschärfen beziehungsweise das noch weiter verankern werden. Dann heißt es tatsächlich, die Gesundheitsämter zu stärken, die ganzen Bereiche auf den Weg zu bringen, die Maskenpflicht zu organisieren beziehungsweise auch einzuhalten und zu überwachen und auch zu gestalten, und dann bin ich eigentlich schon optimistisch. Es hat ja auch schon einmal funktioniert. Wir haben dem Coronavirus ja schon sehr erfolgreich getrotzt. Ich darf das deswegen sagen, weil wir ja am stärksten betroffen waren.

Ich bitte einmal um Verständnis, weil manch einer in den letzten Wochen gesagt hat: Warum macht der Markus Söder da immer so ein großes Thema daraus? - Ich habe genau erlebt, was passiert, wenn es außer Kontrolle gerät. Das geht so schnell! Man kann gar nicht so schnell gucken, wie einem die Entwicklung aus der Hand läuft. Es kostet sehr viel Kraft, die Kontrolle über die Entwicklung wiederzuerlangen. Auch deswegen bin ich heute einfach nachdenklich. Es ist jetzt alles gut. Ich hoffe nicht, dass es ein paar Tage zu spät ist. Noch, denke ich, könnte es reichen. Aber wenn es nicht reicht, dann gibt es gar keine Alternative dazu, nachzuschärfen. Aufgeben gilt nicht, sondern wenn diese Herausforderung auftritt, dann muss man sich ihr stellen.

Ich kann den beiden nur zustimmen: Das ist jetzt und hier die große Bewährungsprobe unserer Generation. - Die ganze Welt ist davon betroffen. Wenn man die Karten des RKI und von um uns herum anschaut, dann sieht man, dass sich Deutschland im Moment noch farblich hell abhebt und alles andere rot und dunkelrot ist. Zu glauben, dass das keinen Eintrag hat - - - Wir haben ja einzelne Bundesländer, die bislang ganz wenig hatten. Ich meine jetzt nicht Bayern, sondern andere. Die bekommen aus anderen Ländern auch einen Eintrag. Zu glauben, dass das, was in den Niederlanden passiert, was in Frankreich passiert, keinen Einfluss auf ein Land und auf einen Kontinent mit offenen Grenzen habe, ist im besten Sinne sehr, sehr optimistisch. Deswegen müssen wir unseren Beitrag leisten. Das größte Land in Europa muss stabil bleiben und muss versuchen, der Herausforderung zu trotzen. Ich glaube tatsächlich, dass das jederzeit machbar ist, und zwar jetzt mit weniger Aufwand als später mit viel, viel größerem und schmerzhaft.

Mittwoch, 14. Oktober 2020

German Federal Chancellor veröffentlichte diesen Inhalt am 14 Oktober 2020 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
Unverändert und nicht überarbeitet weiter verbreitet am 15 Oktober 2020 06:18:01 UTC.

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