BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, wir befinden uns ja in einer sehr schwierigen Phase der Pandemie. Das war auch der Grund, warum die Regierungschefinnen und Regierungschefs des Bundes und der Länder schon am Dienstag und nicht erst wie geplant am kommenden Montag ihre Beratungen fortgesetzt haben. Das ist auch der Grund, warum ich heute Vormittag wieder sehr gerne hierhergekommen bin. Ich möchte Ihnen meine Analyse und Bewertung der Lage erläutern und dann natürlich auch gerne Ihre Fragen beantworten. Dafür, dass sie mir diese Möglichkeit einräumt, möchte ich mich auch bei der Bundespressekonferenz ganz herzlich bedanken.

Wir sind also in einer sehr schwierigen Phase der Pandemie. Warum ist das so? Es ist so, weil es ein gespaltenes Bild gibt. Auf der einen Seite gehen die täglichen Neuinfektionen endlich zurück ‑ das sind gute Nachrichten ‑, und wir müssen endlich auch etwas weniger Menschen auf Intensivstationen behandeln, als dies noch vor Weihnachten und über Weihnachten hinweg der Fall war. Auch das ist eine gute Nachricht, weil es ja seit Beginn der Pandemie immer wieder darum gegangen ist, eine Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern. Das ist ja nicht allein eine medizinische Frage. Es gab und gibt eben nicht ‑ ich habe das schon oft gesagt, will es aber hier noch einmal wiederholen ‑ diesen Gegensatz 'Gesundheit oder Wirtschaft', 'Gesundheit oder Bildung', 'Gesundheit oder Kultur'. Was dem Ziel dient, die Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, dient allen, den Menschen, der Wirtschaft, der Bildung, der Kultur, also unserer ganzen Gesellschaft. Wir können uns ja auch gar nicht oft genug vor Augen führen, was wäre, wenn wir mit Maßnahmen gegen das Virus warten würden bzw. gewartet hätten, bis die Intensivstationen voll belegt gewesen wären. Dann wäre es nämlich zu spät gewesen.

Es ist deshalb sehr wichtig und sehr ermutigend, dass sich die aktuelle Lage zu entspannen beginnt. Das zeigt, dass die harten Einschnitte, die die Menschen in Deutschland seit Wochen auf sich nehmen müssen, sich auszuzahlen beginnen, und es zeigt im Grunde, dass sich die Mühe lohnt. Ich kann nur einmal mehr von Herzen für die Unterstützung der übergroßen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger danken. Wir wissen, dass dieses Virus eine Zumutung für uns alle ist.

Aber ich sagte zu Beginn, dass die Pandemie eben ein gespaltenes Bild zeigt. Es gibt die andere Seite. Auf der anderen Seite haben wir es nämlich mit erschreckend hohen Todeszahlen zu tun ‑ das ist furchtbar ‑, allein heute wieder mit mehr als 1000 Menschen. Das sind nicht einfach nur Zahlen. Das sind Menschen, die in Einsamkeit gestorben sind. Das sind Schicksale. Das sind Familien, die um sie trauern. Auch das müssen wir uns immer wieder bewusst machen.

Auch darüber hinaus haben wir gegenwärtig damit zu kämpfen, dass all unsere Bemühungen gegen das Virus eine Gefahr trotzdem nicht außer Acht lassen können. Unseren Bemühungen droht eine Gefahr, und wir sehen diese Gefahr heute etwas klarer als zu Jahresbeginn. Das ist die Mutation des Virus, wie sie vor allem in Großbritannien und in Irland, aber auch in den Niederlanden, in Dänemark, in anderen Ländern und auch bei uns nachgewiesen worden ist. Die bisherigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass das mutierte Virus um ein Vielfaches ansteckender als das seit einem Jahr bekannte ist und dass das eine Hauptursache für den gewaltigen Anstieg der Infektionszahlen in Irland und England ist.

Bei uns ist dieses mutierte Virus, wie gesagt, auch schon nachgewiesen worden, aber es ist nicht dominant, jedenfalls bis jetzt nicht. Trotzdem müssen wir die von dieser Mutation ausgehende Gefahr sehr ernst nehmen; das kann ich jedenfalls uns allen nur raten. Wir müssen die Ausbreitung dieser Mutation so weit wie möglich verlangsamen. Das heißt ganz konkret: Wir dürfen nicht warten, bis die Gefahr bei uns auch greifbarer wird, sich also dann in den täglichen Infektionszahlen niederschlägt. Dann wäre es zu spät, um eine dritte und gegebenenfalls noch heftigere Welle der Pandemie als jemals zuvor zu verhindern.

Wir können das noch verhindern, und das hat unsere Beratungen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vorgestern geleitet. Es ist noch etwas Zeit, um der Gefahr, die in diesem mutierten Virus steckt, vorzubeugen. Es geht also bei all den Maßnahmen, die wir vorgestern beschlossen haben, um Vorsorge. Deshalb haben Bund und Länder zusätzliche Maßnahmen und Einschränkungen beschlossen, die den Rückgang der Infektionszahlen in Deutschland noch einmal deutlich beschleunigen sollen, bevor sich das mutierte Virus eben noch weiter ausbreitet.

Dies wird auch heute Abend bei der Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ein wichtiges Thema sein, um nicht 'im Mittelpunkt stehen' zu sagen. Es wird um die Mutation gehen. Es wird darum gehen, wie wir mit möglichst gleichwertigen Maßnahmen in der gesamten Europäischen Union diese Ausbreitung bekämpfen. Epidemiologisch betrachtet sind wir als Europäische Union nämlich ein Gebiet. Es wird auch um das Sequenzieren gehen, also darum, einen klaren Überblick über die Verbreitung des mutierten Virus zu bekommen, und es wird um das Impfen und die verschiedenen Facetten dessen gehen.

Wir handeln also aus Vorsorge für unser Land. Wir handeln aus Vorsorge für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und damit auch aus Vorsorge für Wirtschaft, Arbeitswelt, Bildung und Kultur, um die gegebenenfalls explosionsartig gestiegenen Infektionszahlen, noch weit höhere Krankenzahlen und schweren Schaden zu verhindern. Man kann es auch als Umkehrschluss sagen: Alles dient dem Ziel, in diesem Jahr die Pandemie in den Griff zu bekommen und sie dann schließlich auch zu überwinden.

Das ist der Punkt, an dem ich mich jetzt auf Ihre Fragen freue.

Frage Lange: Frau Bundeskanzlerin, ich hätte eine Frage zu den Bund-Länder-Beziehungen. Sie selbst haben sehr früh die möglichen Infektionszahlen berechnet und Maßnahmen vorgeschlagen ‑ das war jedenfalls der Eindruck von außen ‑, die von den Ländern dann entweder aufgeweicht oder unterlaufen wurden. Wären wir in der Pandemielage schon weiter, wenn die Länder Ihrem Kurs gefolgt wären?

BK'in Merkel: Ich glaube, dass wir unter dem Strich immer Beschlüsse gefasst haben, die wir gemeinsam gefasst haben. Dabei gibt es immer wieder auch unterschiedliche Bewertungen. Aber man kann nicht 'die Länder' und 'der Bund' sagen; das ist nicht richtig und entspricht der Sachlage nicht.

Wir haben vieles abzuwägen. Ich schätze diese Zusammenarbeit, auch wenn sie manchmal mühselig ist und auch wenn sie uns viel Zeit kostet, weil sie zum Schluss Ergebnisse bringt, die dann auch von allen getragen werden. Das ist, glaube ich, auch das, was die Menschen im Lande von uns erwarten. Wenn es sozusagen manchmal Verdruss bei den Bürgerinnen und Bürgern gibt, dann hat das auch etwas damit zu tun, dass wir mit unterschiedlichen Stimmen sprechen. Deshalb ist mein Ansinnen als Bundeskanzlerin, hier wirklich möglichst viel Gleichklang zu haben. Vieles wird ja überhaupt erst von den Ländern umgesetzt und muss bis auf die kommunale Ebene hin durchgesetzt werden. Wir sind ein föderaler Staat, und ich kann nur sagen: Ich schätze diese Zusammenarbeit, auch wenn sie nicht immer völlig einfach ist. Aber das ist Teil der Politik. Ich habe selten etwas Einfaches erlebt. Sitzungen des Koalitionsausschusses auf der Bundesebene oder Ressortabstimmungen sind auch nicht einfach. Das ist halt unser Beruf.

Frage Lohse: Frau Bundeskanzlerin, zwar sind die Werte der Zustimmung der Bürger bezüglich der Maßnahmen immer noch gut. Gleichzeitig wird es offensichtlich immer schwieriger, viele oder einige zu disziplinieren. Wird es im Laufe der Pandemie eigentlich schwieriger, diese zu erklären und immer weiter Durchhalteparolen zu rufen? Sitzen Sie vielleicht auch deswegen heute hier, nachdem Sie ja am Dienstag schon eine Pressekonferenz nach der MPK-Sitzung gemacht haben?

BK'in Merkel: Ich glaube, es gibt schon ein sehr großes Bedürfnis auch von mir als Bundeskanzlerin, zu wissen, was mich leitet und was uns bei unseren Maßnahmen leitet. Da man ja jetzt auch nicht so viel herumfahren kann und das nicht in täglichen Reden, von denen wir ja sonst zwei, drei oder vier gehalten haben, sagen kann, ist es eine Fügung, dass es die Bundespressekonferenz gibt und man ab und an auch hier auf Fragen antworten kann, die Sie ja auch aus der Bevölkerung aufnehmen.

Es ist doch ganz klar ‑ ich habe es eben auch noch einmal gesagt ‑, dass diese Pandemie eine Jahrhundertkatastrophe im Sinne einer Naturkatastrophe ist. Diese Pandemie wird mit Recht von allen als eine Zumutung empfunden. Wenn Zumutungen sehr lange dauern, dann wird es immer schwieriger, sie auch zu bewältigen; das geht jedem so. Wenn ich an die Einschränkungen denke, die Eltern jetzt mit ihren Kindern durchleben, wenn ich an das denke, was Lehrerinnen und Lehrer oder Kita-Erzieherinnen leisten, wenn sie sich in Notbetreuung oder nicht per Präsenzunterricht, aber immerhin per Distanzunterricht um die Kinder kümmern - das sind doch alles riesige Herausforderungen. Wenn ich an Menschen denke, die Einzelhandelsgeschäfte führen, an Restaurantbesitzer oder an die Kulturschaffenden, die gerne etwas einbringen würden und mit so viel Begrenzungen und Beschränkungen leben müssen, dann wäre es doch ganz verwunderlich, wenn die Geduld nicht auch wirklich auf eine extrem harte Probe gestellt werden würde. Das ist uns doch auch bewusst.

Trotzdem haben wir die Verantwortung, mit dieser Lage, die keiner von uns herbeigeführt hat, sondern die sozusagen gekommen ist, verantwortlich umzugehen. Meine Prognose war ja eh, dass, je länger das dauert ‑ ‑ ‑ Gerade der Winter wird jetzt noch einmal sehr, sehr schwer werden und zerrt an den Nerven von uns allen. Aber ich glaube, es gibt ja etwas, wenn man sich zum Beispiel einmal die Zeit der Spanischen Grippe vor mehr als 100 Jahren anschaut, das uns im 21. Jahrhundert in eine doch trotz aller Schwierigkeiten viel bessere Lage versetzt: Wir haben jetzt schon Impfstoffe. Wir wissen, wie wir den Weg aus dieser Krise finden können. Wir haben sogar mRNA-Impfstoffe, die selbst bei einer Mutation des Virus relativ schnell angepasst werden können. Das ist ein Riesenerfolg der Forschung. Ich meine, wir haben nicht immer nur in den höchsten Tönen von Menschen gesprochen, die Medikamente entwickeln. Aber in diesem Falle zeigt sich doch, dass da etwas ganz Wunderbares gelungen ist. Das wurde ja im Übrigen nicht innerhalb von zehn Monaten entwickelt, sondern dahinter stehen 20 Jahre der Forschung, die wir noch gar nicht gesehen haben, und wir wussten ja auch nicht, was einmal daraus werden würde.

Wir sind also bei aller Bedrücktheit doch in einer Lage, die uns deutlich von Pandemien unterscheidet, die vor 100 und mehr Jahren die Menschheit ergriffen haben, und das wollen wir dann auch nutzen. Aber es ist eine schwere Zeit; darum gibt es überhaupt nichts herumzureden.

Frage Markmeyer: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, diese Pandemie sei eine Katastrophe. Sie ist auch eine internationale Katastrophe. Dazu hätte ich eine Frage. Sie haben mehrfach erklärt, dass die Corona-Impfstoffe weltweit gerecht verteilt werden müssen, und Deutschland finanziert das ja auch maßgeblich mit. Jetzt ist aber Anfang dieser Woche von der WHO gesagt worden, in den ärmsten Länder seien inzwischen 25 Menschen geimpft worden, in den reichsten im Vergleich dazu 39 Millionen in 49 Ländern. Was wollen Sie tun, damit sich so eine Spaltung in diesem Jahr nicht fortsetzt?

BK'in Merkel: Man muss erstens sagen, dass wir im Augenblick mit dem BioNTech-Impfstoff einen Impfstoff haben, der ja bei dem Minus-70-Grad-Kühlungssystem logistisch nicht ganz einfach zu verarbeiten ist. Das heißt, gerade bei diesem Impfstoff ist es nicht ganz einfach, auch sofort in allen Bereichen der Welt zu impfen.

Dennoch haben wir hier eine Riesenaufgabe vor uns. Ich meine, wir in Deutschland diskutieren mit Recht darüber, wie knapp der Impfstoff am Anfang bei uns ist. Aber ich habe auch Telefonate mit Kollegen aus anderen Bereichen geführt, und die haben natürlich eine große Sehnsucht danach, überhaupt einen Impfstoff zu sehen. Wir unterstützen COVAX, diese internationale Initiative, und haben uns daran auch finanziell beteiligt. Allein finanzielle Beteiligung reicht aber noch nicht. Gavi, diese Impfallianz, führt ja die Verhandlungen für COVAX, damit jetzt auch sehr schnell in ärmeren Ländern Impfstoffe bereitgestellt werden können. Soweit ich informiert bin, sind die Verhandlungen sowohl mit BioNTech/Pfizer als auch mit AstraZeneca doch sehr intensiv im Gange, und ich hoffe, dass wir auch relativ schnell die Aussage erhalten werden, dass auch dort besser geimpft werden kann.

Frage Salvenberg: Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich habe eine Frage zu der Sperrstunde, die die Regierung in den Niederlanden gestern verhängt hat. Abends und nachts darf man also nicht mehr auf die Straße, sonst gibt es Knöllchen. Der Inzidenzwert in Holland ist etwas höher. Allerdings gibt es auch Gebiete in Deutschland, in denen das der Fall ist. Unter welchen Bedingungen würden Sie solch ein schweres Instrument in der Pandemie einführen?

BK'in Merkel: Ja, ich habe das gelesen. Ich will darauf hinweisen, dass das bei uns ja die Länder entscheiden. Gerade in Gebieten mit sehr hohem Inzidenzwert kennen auch wir das Instrument der Sperrstunde. Bayern hat jetzt schon seit vielen Wochen eine Ausgangssperre, Baden-Württemberg auch, Sachsen auch. Das heißt also, das wird auch bei uns gebraucht. Es gibt keine ganz einheitliche bundesweite Situation, weil es auch sehr unterschiedliche Situationen gibt. In Bremen beträgt der Inzidenzwert 77 oder knapp 80, und in anderen Gebieten liegt er bei weit über 200. Das heißt also: Das Instrument ist in Deutschland geläufig. Das ist ein harter Eingriff. Es ist ganz klar, dass darüber auch diskutiert wird und parlamentarisch beraten wird.

Aber die niederländische Regierung hat ja auch die Begründung geliefert. Das hat auch mit der Mutation zu tun. Dieses mutierte Virus ist da. Das können wir jetzt nicht mehr wegbekommen. Dabei geht es jetzt nur noch darum, wie wir seine Ausbreitung verlangsamen können, um dann in eine bessere Jahreszeit zu kommen, in der die Gegebenheiten witterungsbedingt etwas besser sind ‑ die sind auch nicht so viel besser, dass es sich gar nicht mehr verbreitet, aber etwas besser; das kennen wir ja selbst aus dem Frühjahr und aus dem Sommer ‑, und mit dem Impfen weiter voranzukommen. Das ist sozusagen die dahinterliegende Abwägung, die wir zu treffen haben. Ob das gelingen wird, muss man sehen.

Deshalb wird auch heute beim Treffen des Europäischen Rats das Sequenzieren, in dem die Niederlande sehr gut sind und wir in Deutschland jetzt aufholen müssen, eine Rolle spielen. Es geht darum, dass wir alle mindestens 5 Prozent der Fälle sequenzieren, damit wir einen Überblick darüber erhalten, wie weit die Verbreitung dieses Virus bereits vorangeschritten ist.

Frage Blank: Frau Bundeskanzlerin, ich möchte das Thema ein bisschen ausweiten. Die Coronakrise wird ja noch sehr lange andauern. Sie stehen sehr stark im Mittelpunkt und haben hohe Beliebtheitswerte. Nun gibt es einen CDU-Chef, und es gibt die Sorge, dass er sich neben Ihnen nicht ausreichend profilieren kann.

Wie sehen Sie diesbezüglich die künftige Aufgabenverteilung?

Ist das ein Problem für den Wahlkampf Ihrer Partei?

BK'in Merkel: Das glaube ich überhaupt nicht. Erstens haben wir Armin Laschet natürlich gratuliert. Zweitens ist er Ministerpräsident des größten Bundeslandes in der Bundesrepublik Deutschland. Drittens ist doch ganz klar: Meine Amtszeit ist die dieser Legislaturperiode. Da bin ich die Bundeskanzlerin und trage die Verantwortung. Ich muss sie wahrnehmen. Da gibt es überhaupt keinen Unterschied zwischen der Sicht von Armin Laschet und mir.

Dann gibt es die Frage, was in den nächsten vier Jahren passiert und welche Partei welche Pläne hat. Das wird mit dem nahenden Wahlkampf immer stärker sichtbar werden. Über die Frage, was in den nächsten vier Jahren passiert, entscheidet die CDU ‑ und an der Spitze der CDU steht Armin Laschet ‑ gemeinsam mit der CSU. Das heißt: Auf die Frage, welche Entwicklungen man beschleunigen und bekräftigen und welche neuen Akzente man setzen will, werde ich natürlich, wenn ich gefragt werde, mit meinem Ratschlag eingehen, aber die Beschlüsse, die Entscheidungen, das Zusammenführen der Partei für diese Programmatik, all das passiert dann unter der Ägide der neuen CDU-Führung.

Damit ist, denke ich, die Arbeitsteilung gegeben. Das kann und wird sehr gut funktionieren.

Auch den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern, wird es, um das noch hinzuzufügen, immer klarer bewusst werden, dass ich jetzt meine Arbeit zu machen habe, die ich natürlich mit Freude mache, weil ich mich für diese Legislaturperiode entschieden habe. Aber es wird niemals eine Wahl aus Dankbarkeit für irgendetwas geben, weil eine Bundeskanzlerin gerade gute oder nicht so gute Umfragewerte hat. Das leitet mich eh nicht und darf mich bei der Pandemie auch nicht leiten. Aber die Menschen wollen wissen, wie es weitergeht. Die Pandemie wird schwierige Spuren hinterlassen, etwa im Wirtschaftsleben, in der Frage, wie es mit der Bildung der Kinder weitergeht, wenn sie viele Wochen keinen Unterricht hatten, in der Frage, wie es mit dem föderalen Aufbau ist, wie wir Kommunen ertüchtigen können, wie wir die Bundeskompetenz in der Frage, wie wir uns international einordnen, haben können. Dann wird die Frage, was uns in den nächsten vier Jahren erwarten wird, immer weiter in den Vordergrund rücken. Das ist ganz normal und richtig so.

Frage Pauli: Frau Bundeskanzlerin, auch in Ihren Ausführungen wird immer wieder deutlich, wie wichtig der Impfstoff auch für die Strategie der Bundesregierung ist. Nun wissen wir um die Probleme, die es bei der Produktion von BioNTech/Pfizer in Belgien gibt. Es echauffiert die Europäer, und es ärgert auch die Bundesregierung, weil es auch ihre Strategie torpediert.

Inwiefern können Sie den Bundesbürgern garantieren, dass wir bis zum Sommer, spätestens bis zum Herbst eine Herdenimmunität gewünschten Ausmaßes haben werden?

BK'in Merkel: Erst einmal will ich sagen, dass es ein Novum ist, dass wir am Tag der Zulassung bereits produzierte Impfstoffe gehabt haben. Es hat es in der Medizingeschichte, glaube ich, selten geben, dass das Medikament bereits produziert war, bevor es zugelassen wurde. Das ging nur in einem sehr guten Zusammenwirken von Staaten, Genehmigungsbehörden und Unternehmen, weil man eine rollierende Zulassung gemacht und erlaubt hat, dass schon produziert werden durfte, und weil wir auch gewisse Haftungsrisiken übernommen haben. Denn es kann ja sein, dass jemand keine Zulassung bekommt. Das sollte die Unternehmen nicht in die Insolvenz führen.

Zweitens. Wir haben gewusst, dass wir am Anfang nicht so viel Impfstoff haben werden, wie wir dann im Sommer haben werden. Es wird immer die Frage diskutiert: Wie viel Impfstoff habt ihr bestellt? ‑ Ehrlich gesagt, ist das überhaupt nicht interessant. Interessant ist nur, wie viel Impfstoff wir im vierten Quartal 2020, im ersten Quartal 2021 und im zweiten Quartal 2021 bekommen. Nach menschlichem Ermessen haben wir dann im dritten Quartal 2021 ausreichend Impfstoff, um wahrscheinlich auch schon Impfstoff abgeben zu können.

Was kann die Bundesregierung garantieren? ‑ Ich betreibe keine Produktionswerke für Impfstoffe. Also kann ich nicht garantieren, dass die Produktion so läuft, sondern wir können nur alles dafür tun ‑ und das haben wir getan ‑, um zu unterstützen, dass die Impfstoffproduktion stattfinden kann und um auch, wenn notwendig, erweiterte Kapazitäten bereitzustellen. Der Bundesgesundheitsminister hat gemeinsam mit BioNTech von August an, weit vor der Zulassung, als kein Mensch wusste, was bei Phase III herauskommen würde, das Werk in Marburg in den Blick genommen. Die Genehmigung wurde erteilt; die Betriebsgenehmigung liegt bereits vor. Das wird die Produktion erweitern.

Im Augenblick wird sehr, sehr wenig in Fabriken produziert, die sich in europäischem Eigentum befinden. BioNTech ist ein Start-up. BioNTech ist keine Produktionsfirma. BioNTech hat den klugen Schritt getan, sich mit einem anerkannten internationalen Pharmakonzern zu verbünden, um die Phase III möglichst schnell durchzuführen, weil es für ein Start-up logistisch überhaupt nicht möglich ist, 40 000 Probanden auf der Welt zu finden, in irgendwelchen Regionen, in denen sehr viele Infektionen auftreten.

Bisher wird im Wesentlichen in Pfizer-Anlagen produziert. Die Pfizer-Anlagen in Amerika werden für Amerika genutzt, und die Pfizer-Anlagen in Europa, insbesondere die Abfüllstation in Puurs in Belgien, das ist der weltweite Vertrieb außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika. Pfizer hat sich jetzt entschieden ‑ was ja nun wirklich nicht zu beanstanden ist ‑, die Produktion hochzufahren, und muss dafür Umbauten vornehmen. BioNTech/Pfizer steht aber weiterhin dazu, dass im ersten Quartal die versprochenen und vertraglich gesicherten Impfstoffe kommen werden.

Jetzt haben sich die Tageslieferungen verändert. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat absolut recht ‑ ich sehe das genauso ‑, dass wir natürlich aufpassen müssen, dass wir jetzt nicht medizinisch in Bedrängnis kommen, weil die zweite Impfstoffdosis natürlich innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens gegeben werden muss. Darauf muss man achten, und das erwarten wir auch. Aber es kann natürlich immer wieder vorkommen, dass zur Erhöhung der Produktion auch Umbaumaßnahmen stattfinden müssen. Jetzt erwarten wir also die uns versprochenen 8,8 Millionen Dosen von BioNTech für das erste Quartal. Damit rechnen wir, und ich habe nicht gehört, dass das nicht stattfinden könne.

Dennoch muss man Folgendes sehen: Wir haben uns neulich innerhalb der Bundesregierung, auch mit dem Vizekanzler, mit Peter Altmaier und mit Jens Spahn einmal angeschaut, welche Lieferkette an der Erstellung eines solchen Impfstoffes hängt. Wir werden alles tun, um diese Lieferkette zu sichern. Man braucht zum Beispiel Kochsalzlösung. Das hört sich trivial an, aber wenn sie plötzlich nicht da ist oder irgendwelche Glasfläschchen oder irgendetwas anderes, dann haben wir ein Problem.

Alles ist sehr, sehr klar geregelt. Alle arbeiten mit Hochdruck daran. Wir haben diese Unternehmen auch immer wieder unterstützt und ihnen gesagt: Wir unterstützen alles.

Wir können also garantieren, dass die Unternehmen die Unterstützung bekommen. Die Produktion selbst kann ich nicht garantieren.

Das Zweite ist: Ich kann auch nicht garantieren, wie viele Menschen sich impfen lassen. Das liegt in der Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger. Herdenimmunität erfordert eine bestimmte Zahl geimpfter Menschen. Je nach Aggressivität des Virus variiert das zwischen 60 Prozent und etwas mehr. Wir haben bis jetzt keinen Impfstoff für Kinder. Das heißt, dass die unter 18-Jährigen noch nicht geimpft werden können. An den Impfstoffen für Kinder wird geforscht. Es ist ja auch vernünftig, dass man sich erst einmal um die Älteren gekümmert hat.

Wenn alles so ist, wie es uns die Unternehmen jetzt zugesagt haben, dann werden wir nach dem zweiten Quartal schon deutlich viel mehr Menschen geimpft haben. Wir werden ‑ das ist unser Ziel; und wenn die Zulassungen so eintreten, dann kann man das schaffen ‑ bis Ende des Sommers ‑ so habe ich es gesagt, und das wiederhole ich hier gern ‑ jedem Bürger ein Impfangebot gemacht haben. Das Ende des Sommers ‑ das sage ich, damit wir uns darüber nicht weiter streiten ‑ ist rein kalendarisch der 21. September. Aber das können wir sagen, wenn AstraZeneca eine Zulassung bekommt, was vielleicht nächste Woche passiert, und wenn sonst nichts passiert.

Wir müssen gucken: Die Mutationen stellen natürlich andere Anforderungen. Bis jetzt hat man den Eindruck, dass das britische Virus die Wirkung des Impfstoffes nicht behindert oder beeinträchtigt. Aber das Virus wird weiter mutieren. Dann kann es natürlich passieren, dass bestimmte Impfstoffe wieder nachjustiert werden müssen.

All das kann ich Ihnen also nicht versprechen. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass wir alles dafür tun, um schnellstmöglich an diese Impfstoffe zu kommen.

Im Übrigen will ich noch zu einem Punkt etwas sagen: Je mehr Fälle wir auf der Welt haben, also auch in Deutschland und in Europa, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für Mutationen. Das heißt: Schon um Mutationen zu verhindern, ist es sehr sinnvoll, die Zahl der Fälle möglichst klein zu halten. Denn wenn das Virus nur in geringer Zahl existiert, dann fällt ihm auch nicht so viel bezüglich der Mutation ein.

Mit Mutationen muss man leider wirklich immer rechnen. Mutationen passieren permanent. Aber diese ist offensichtlich qualitativ und im Sinne der Gebremstheit der Krankheit nicht zum Guten.

Frage Rinke: Frau Bundeskanzlerin, kurz ein Blick weg von Corona und hin zu den USA, wo gestern ein neuer US-Präsident sein Amt angetreten hat. Wie erleichtert sind Sie darüber, dass Sie es jetzt mit einem anderen US-Präsidenten zu tun haben?

Haben Sie mit ihm schon Kontakt aufgenommen? Wann wird die erste Begegnung stattfinden? Gibt es schon Pläne dafür?

BK'in Merkel: Ich habe bereits vor der Amtseinführung Kontakt aufgenommen. Gestern habe ich keinen Kontakt aufgenommen. Mit Präsident Biden gibt es einfach einen viel breiteren Raum politischer Übereinstimmung. Wenn Sie sich allein die 'executive orders' anschauen, die gestern unterzeichnet wurden, dann sehen Sie doch, dass wir in der WHO wieder zusammenarbeiten können, dass wir im Pariser Klimaabkommen wieder zusammenarbeiten können und dass wir über Fragen der Migration wahrscheinlich eine ähnlichere Meinung haben.

Wir wissen aber auch, dass wir mit dem Amtsantritt eines neuen amerikanischen Präsidenten nicht sozusagen nur noch mit politischer Übereinstimmung rechnen können, sondern dass es auch Diskussionen darüber geben wird, wie wir die Dinge gut für beide Länder machen. Joe Biden vertritt die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika; ich vertrete die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Allerorten wird richtigerweise gesagt, dass Europa insgesamt mehr Verantwortung übernehmen müssen werde. Das gilt nicht nur militärisch, sondern es gilt auch im diplomatischen Bereich und in vielen anderen Dingen. Aber die gute Nachricht ist ja, dass wir in Deutschland dazu bereit sind und dass auch die Europäische Union dazu bereit ist.

Aber die Zusammenarbeit beruht einfach wieder auf einem breiteren Fundament gemeinsamer Überzeugung.

Frage Jung: Frau Merkel, zwei kurze Fragen:

Erstens. Wie stehen Sie zur No-COVID-Strategie, die Ihrem Kanzleramt vorliegt? Ich höre, dass das in Ihrem Haus positiv aufgenommen wurde.

Zweitens. Können Sie mal erklären, warum bisher Hunderte Milliarden Euro für die deutsche Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden, es aber offenbar nicht genug Geld für kostenlose Masken für Hartz-IV-Empfänger, Studenten und Soloselbstständige gibt?

BK'in Merkel: Erstens. Die No-COVID-Strategie geht davon aus, dass man das Virus so weit wie möglich eindämmt. Man muss sie sich so vorstellen, wie es unsere Situation im Sommer war. Im Sommer hatten wir ‑ man erinnert sich fast gar nicht mehr daran ‑ lange Zeit Inzidenzen von unter fünf. Die Wissenschaftler, die diese No-COVID-Strategie vertreten, sagen: Dahin sollten wir wieder kommen. Denn dann kann das Leben am freiesten stattfinden. Es kann immer noch nicht ganz frei stattfinden; wir wissen ja, welche Restriktionen wir hatten. Aber es kann wirtschaftlich, künstlerisch, bildungsmäßig ziemlich frei stattfinden.

Jetzt ist die Frage, wie wir mit unseren Inzidenzen herunterkommen. Wir haben immer die 50-Grenze gehabt. Da wird dann gesagt: Ja, die ist ja frei erfunden. ‑ Diese 50er-Inzidenz stammt daher ‑ Sie werden sich vielleicht daran erinnern ‑, dass wir überlegt haben, wann die Gesundheitsämter die Kontakte wieder nachverfolgen können. Unstrittig ist, dass sie die Kontakte bei unter zehn super nachverfolgen können. Deshalb konnten wir diesen Zustand ja so lange halten.

Die kritische Frage ist jetzt ‑ ‑ ‑ Das ist vielleicht der Unterschied zwischen unserem praktischen politischen Herangehen und der No-COVID-Strategie. Wir sind dem Robert-Koch-Institut nach heute bei einer Inzidenz von 119. Jetzt gehen wir runter. Wir wollen auf einen Wert von unter 50 kommen. Dann haben wir ausgerechnet, was die mittlere Leistungsfähigkeit eines Gesundheitsamts sein könnte, damit man die Kontakte nachvollzieht. Daraus entsteht die 50, nicht aus irgendeiner wissenschaftlichen Grundlage.

Das wird die politische Diskussion sein. Wenn wir unter 50 sind, dann wird man wissen, dass man noch mehrere Wochen ‑ genau kann ich es jetzt nicht sagen ‑, also zwei, drei, vier Wochen länger brauchen wird, um wirklich unter zehn zu kommen. Das wird bedeuten, dass man weitere harte Restriktionen bezüglich Ladenschließungen, bezüglich Schuleinschränkungen usw. machen wird. Dann kommt die Politik, die abwägen muss: Wenn ich doch denke, ich könnte die Kontaktnachverfolgung schaffen, lasse ich dann weitere drei Wochen ganz harte Restriktionen zu, um unter zehn zu kommen, oder nicht? Das muss politisch diskutiert werden.

Wir haben jetzt gesagt: Kontaktnachverfolgung ist für uns der Punkt. ‑ Aber wir müssen im Kopf haben ‑ ich habe mir die Kurven vom Herbst noch einmal angeschaut ‑: Als wir einmal bei 25 waren, hat es noch ungefähr zehn Tage gedauert ‑ ich will jetzt nicht sagen elf oder zwölf oder neun ‑, bevor wir bei 50 waren. Das heißt: Sie kommen dann sehr schnell in eine sehr exponentielle Entwicklung. Das heißt ‑ das sagen ja unsere Beschlüsse ‑: Wir müssen wieder auf die Kontaktnachverfolgung kommen, und wir müssen unsere Gesundheitsämter doppelt und dreifach ertüchtigen. Deshalb auch digitale Kontaktnachverfolgung und all das, womit wir uns noch herumschlagen, SORMAS und DEMIS ‑ Sie kennen das alles ‑, damit wir das im Griff behalten. Leichter im Griff zu behalten ist es selbstverständlich unter zehn. Aber wir sind nicht nur für die Frage der Epidemiologie verantwortlich, sondern auch für die Frage, wie lange wir welche Einschränkungen noch rechtfertigen können. Das ist die Spannweite.

Dann zu der Frage bezüglich der Masken: Wir haben jetzt für 34 Millionen Menschen ‑ unter anderem sicherlich auch viele Hartz-IV-Empfänger oder Grundsicherungsempfänger, weil für alle über 60-Jährigen ‑ die FFP2-Masken für den Winter zur Verfügung gestellt. Wir haben von den Fachärzten die dringende Bitte bekommen, nicht nur FFP2-Masken zu empfehlen, sondern auch medizinische Masken insgesamt, weil es hierzu von den Fachärzten verschiedene Betrachtungen gibt. Ich sage es einmal so: Wenn die gesamte Situation noch sehr lange anhält ‑ ich kann jetzt nicht sagen, wie lange wir das noch brauchen ‑, dann müssen wir natürlich auch darüber nachdenken, ob wir an dieser Stelle noch einmal helfen müssen oder nicht. Im Augenblick haben wir das noch nicht diskutiert. Aber so, wie wir für 34 Millionen Menschen etwas gemacht haben: Wenn das mit der medizinischen Maskenpflicht über Wochen geht, dann wird das sicherlich ein Thema in der Diskussion bleiben.

Frage Fried: Frau Bundeskanzlerin, ich würde gern noch einmal auf die USA blicken. Bei der Inauguration gestern hat man gemerkt, dass da etwas Neues beginnt. Nach den schwierigen Jahren der Trump-Administration gilt das auch für die Außenpolitik und für das deutsche Verhältnis zu den USA. Nun bleiben Ihnen aber nur noch wenige Monate im Jahr. In diesen werden Sie sich weiterhin sehr intensiv mit Corona beschäftigen müssen. Sie haben es ja geschildert: die schwierigen Gespräche mit den Bundesländern, die Kochsalzlösungen für die Impfhersteller. Das ist sozusagen Ihr tägliches Geschäft.

Bedauern Sie es eigentlich, dass diese vier Jahre, die jetzt bald hinter Ihnen liegen ‑ Sie haben sich ja nur sehr schwer dazu durchgerungen, noch einmal zu kandidieren ‑, so ganz anders und so viel schwieriger verlaufen sind, als es zu erwarten war? In dem Zusammenhang auch die Frage: Hat die Coronakrise Sie persönlich eigentlich physisch und psychisch auch an Grenzen geführt, die Sie vorher in diesem Amt so nicht erlebt haben?

BK'in Merkel: Das bedauere ich jetzt nicht. Die Entscheidung, wieder zu kandidieren, ist mir schwergefallen, aber ich habe sie dann getroffen. Ich habe Ihnen ja auch oft erzählt, dass ich manchmal lange auf einer Entscheidung herumkaue, aber dann, wenn ich sie getroffen habe, auch zu ihr stehe. Diese Entscheidung bedauere ich natürlich nicht; denn Politik besteht ja oft darin ‑ und das ist ja auch das Faszinierende ‑, dass Sie morgens ins Büro kommen und nicht wissen, wie der Abend aussieht, und dass Sie ein Jahr beginnen und sich nicht vorstellen können, was in diesem Jahr passiert. So konnte man sich bei der Neujahrsansprache für das Jahr 2015 nicht vorstellen, was uns mit der Migration an Aufgaben gestellt würde, so konnte ich mir bei der Neujahrsansprache für das Jahr 2007 nicht vorstellen, dass wir in eine wahnsinnige Finanzkrise hineinschlittern würden, und jetzt ist eben diese Pandemie da.

Politik heißt, mit dem, was sozusagen die Realität mit sich bringt, möglichst gut zum Wohle des deutschen Volkes ‑ darauf haben wir unseren Eid ja geleistet ‑ umzugehen. Das ist manchmal anstrengend, aber das ist einfach auch das, was den Reiz ausmacht: dass Sie flexibel reagieren müssen, dass Sie sich auf die Situation einstellen müssen. Ich hatte mir auch gedacht, dass wir jetzt mit der Inzidenz herunterkommen, weil wir bestimmte Maßnahmen getroffen haben. Dann hat man Anfang des Jahres aber plötzlich gehört, dass es in Großbritannien ein mutiertes Virus gibt, und plötzlich ist die Lage eine ganz andere.

Das Wichtigste ist vielleicht, sich in der Politik nicht auf den einmal gefundenen Pfad zurückzuziehen und zu sagen 'Das habe ich vor 14 Tagen beschlossen und das muss ich jetzt durchziehen', sondern immer wieder klug die Lage zu analysieren und zu fragen: Muss ich etwas verändern? Das ist die Aufgabe und das macht mir Freude. Da bedauere ich also nichts. Das ist aber fordernd, und das, was bleibt, ist, glaube ich, dass ich bis jetzt der Aufgabe gerecht geworden bin. Dass jetzt aber sozusagen eine Zeit ist, in der man unendlich viel über ganz viele andere Sachen nachdenken kann, würde ich jetzt nicht behaupten.

Wichtig ist natürlich, dass wir trotzdem an einigen Stellen mit unserer Agenda vorankommen. Die Coronapandemie hat ja auch Schwächen aufgezeigt, die wir eigentlich schon kannten. Ich sage einmal: So ein Projekt wie das Onlinezugangsgesetz ‑ das Sie alle, glaube ich, in seiner Bedeutung noch nicht so hundertprozentig würdigen; das soll aber kein Vorwurf sein ‑ und ähnliche Dinge, mit denen wir uns immer beschäftigen, die eines Tages die Beziehungen zwischen Bürger und Staat verändern sollen, sind jetzt ja noch dringlicher. Auch digitale Lernplattformen sind jetzt noch dringlicher ‑ auch wenn sie bei der Schule im Wesentlichen von den Ländern gestaltet werden. Es gibt also ein ganz breites Portfolio, das sich eben nicht nur mit Impfstoffherstellung befasst, sondern das tief in die Frage der Digitalisierung geht und das die Frage der europäischen Zusammenarbeit anbelangt.

Wir lernen ja auch ganz viel über Europa. Wir sind epidemiologisch ein Gebiet, inklusive der Schweiz und Ländern, die nicht zur Europäischen Union gehören; der westliche Balkan und auch die Schweiz gehören da genauso dazu wie alle Mitgliedstaaten der EU. Die Frage ist hier: Was muss Europa leisten, was erwarten die Bürgerinnen und Bürger? Plötzlich haben sie erwartet, dass wir sowohl über das Grenzregime entscheiden, als auch, dass sich alle dem gleichen Ziel verpflichtet fühlen ‑ zum Beispiel dem Ziel, die Inzidenz auf einen Wert von 50 Fällen pro 100 000 Einwohnern und sieben Tagen herunterzubringen.

Von der Europapolitik bis hin zum Verhältnis innerhalb des Föderalismus steht jetzt also vieles zur Debatte, es ist also eine sehr spannende Zeit. Ich konnte die Aufgaben bewältigen, aber es ist fordernd.

Frage Schuler: Frau Merkel, Ihr Gesundheitsminister hat zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Krise gesagt, wir würden einander viel zu verzeihen haben. Jetzt sind Pflegeheime noch immer Hotspots des Sterbens, Impftermine werden inzwischen wieder abgesagt. Haben Sie bei der Impfstoffbestellung etwas persönlich falsch gemacht, müssen Sie sich bei den Deutschen entschuldigen?

BK'in Merkel: Ich glaube, niemand macht jeden Tag zu hundert Prozent alles richtig. Ich finde aber, dass wir bei der Impfstoffbestellung das Menschenmögliche getan haben, und ich finde es vor allen Dingen richtig ‑ das wird ja viel diskutiert ‑, dass wir uns für eine europäische Initiative entschieden haben. Denn ich glaube, dass es ganz furchtbar wäre, wenn wir uns zwar in Deutschland impfen lassen könnten, aber in anderen Ländern ‑ vor allen Dingen auch kleineren Ländern ‑ die Verhandlungslogistik vielleicht gar nicht da gewesen wäre. Es würde uns in ganz Europa auch überhaupt nicht helfen, wenn einige geimpft sind und andere nicht geimpft sind ‑ gerade jetzt in der Anfangszeit.

Ich hätte es auch sehr befremdlich gefunden, wenn wir uns mit anderen großen und auch sehr erfahrenen Verhandlungsführern wie zum Beispiel Frankreich, Italien oder Spanien auf der internationalen Szene sozusagen gegenseitig ausgestochen hätten. Ob wir dabei besser weggekommen wären, weiß ich nicht; das kann man überhaupt nicht sagen. Es wird ja manchmal so getan, als sei das unser Impfstoff, weil BioNTech den entwickelt hat. BioNTech arbeitet mit Pfizer zusammen, Pfizer ist eine internationale Firma, und keine Pharmafirma, die einen internationalen Markt hat, wird jemals ein Gebiet grandios bevorzugen ‑ es sei denn, es gibt solche Spezialakte wie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Wir haben bis jetzt gar keine großartige europäische Produktionskapazität in unserer eigenen Hand.

Ich halte den europäischen Ansatz also für richtig. Ich glaube, dass klar war, dass man am Anfang nicht so viel Impfstoff hat wie nach ein paar Monaten. Ich verstehe die Ungeduld. Es gibt überhaupt keinen Grund, insbesondere gegenüber BioNTech in irgendeiner Weise Kritik zu üben. Das sind Menschen, die arbeiten Tag und Nacht. Ich habe mit Herrn Şahin und seiner Frau gesprochen ‑ das kann man sich überhaupt nicht vorstellen, die haben keinen Tag frei. Der Inhaber dieser Firma, Herr Şahin, hat am 24. Januar des Jahres 2020 erkannt, dass eine Pandemie kommt, und hat seine gesamte Forschungsarbeit umgelenkt ‑ von einem Tag auf den anderen. Davon profitieren wir heute. Was wollen wir denn jetzt noch herummeckern?

Die Europäische Union hat getan, was sie konnte, und es geht nicht um die Summen und Bestellungen. Sie sehen ja: Wenn das neue Werk in Marburg eröffnet wird, kann Frau von der Leyen für das zweite Quartal sofort noch einmal 75 Millionen Dosen für die ganze Europäische Union sichern ‑ aber nur, wenn das Werk in Marburg da ist, und für das Werk in Marburg haben wir uns mit aller Kraft eingesetzt. Insofern ist vollkommen irrelevant, ob man 400 oder 800 Millionen Dosen bestellt hat: Wenn die im vierten Quartal 2021 kommen, sind sie für die Frage, wer bei uns geimpft wird, nicht mehr relevant.

Zum Thema der Altenheime bzw. auch der älteren Menschen: Ich finde es richtig, dass wir sie zuerst impfen. Ich will Ihnen auch ganz offen sagen: Mir bricht das Herz, wenn ich sehe, wie viele Menschen dort auch in Einsamkeit ‑ ich habe es am Anfang gesagt ‑ gestorben sind und wie sie fern von der Familie sind. Deshalb tun wir alles ‑ wir versuchen jedenfalls alles ‑, damit da möglichst wenig passiert. Es ist aber sehr viel passiert, und wie gesagt, das ist auch für mich emotional extrem schwierig.

Vorsitzender Detjen: Mathis Feldhoff hat einige Fragen von außen gesammelt. ‑ Bitte.

Frage Feldhoff: Ja, es sind so viele. ‑ Frau Bundeskanzlerin, ich will einmal drei kurze Fragen stellen.

Die erste Frage kommt von Herrn Buchsteiner von Media Pioneer: Bund und Länder wollen bis Mitte Februar eine Öffnungsstrategie entwickeln. Was wird aus Ihrer Sicht für die Ausgestaltung dieser Strategie entscheidend sein? Welche Rolle werden dabei etwa für Veranstaltungen Schnelltests und die Frage spielen, ob jemand geimpft ist oder nicht?

Frau Maier vom 'WESER-KURIER' fragt: Tag für Tag sterben gerade hunderte Menschen, unter ihnen viele, die ohne Corona noch leben würden. Warum wird von Ihrer Seite so wenig auf all diese Toten und ihre Angehörigen eingegangen? Braucht die Gesellschaft hier nicht eine neue Form des Gedenkens und des Respekts?

Zuletzt noch eine Frage von Herrn Heinrich von watson zu der Situation junger Menschen: Viele junge Erwachsene trifft diese Coronakrise besonders hart, etwa, weil für Studenten Nebenjobs wegfallen und Auszubildende Angst um ihre Zukunft haben. Wie stellen Sie sicher, dass junge Menschen bei der Coronahilfe nicht durchs Raster fallen?

BK'in Merkel: Wir haben gesagt, dass es wichtig ist, dass wir auch eine Öffnungsstrategie haben; denn wir können natürlich am 15. Februar ‑ oder wann immer wir unter einem Inzidenzwert von 50 sind ‑ nicht wieder alles aufmachen, sondern wir müssen da natürlich auch wieder Prioritäten setzen. Eine Priorität für mich ist ganz klar, dass zuerst Kitas und Schulen wieder geöffnet werden müssen.

Wir müssen dann ja ganz vorsichtig sein, damit wir nicht wieder das erleben, was in vielen Ländern passiert: Man macht einen harten Lockdown, man öffnet, und man öffnet zu viel, und dann hat man sozusagen das Ergebnis, dass man ganz schnell wieder im exponentiellen Wachstum ist. Was in Großbritannien passiert ist, ist ja ‑ und das ist das, was uns so bedenklich stimmt und was wir beachten müssen ‑: Dort gab es von November bis Anfang Dezember einen Lockdown ‑ ziemlich streng, nicht mehr als sechs Personen und viele Schließungen, aber die Schulen und die Kitas waren auf ‑, dann hat man sehr schnell vieles aufgemacht, und dann hat man nicht bemerkt, dass sich plötzlich das mutierte Virus sehr viel schneller ausgebreitet hat. Bei diesem Öffnen ist dann die Fallzahl für das alte Virus gestiegen, aber mit einer sechs- bis achtmal höheren Geschwindigkeit sind die Fallzahlen für das neue Virus gestiegen, und das hatte man nicht vorausgesehen.

Deshalb: Weil wir wissen, dass das britische Virus hier ist, muss jede Öffnungsstrategie sehr vorsichtig vorgehen. Auf Rang eins der Öffnung stehen Kitas und Schulen ‑ das ist, glaube ich, politisch völlig unstrittig. Danach wird es aber natürlich nicht ganz einfach. Ich würde einmal sagen: Aus praktischen Gründen müssten dann bald die Friseure drankommen ‑ das ist jetzt aber mehr anekdotisch. Dann geht es natürlich auch um den Einzelhandel, und dann muss man das immer weiter diskutieren. Man muss vor allen Dingen immer schauen: Was für eine Auswirkung hat das? Ansonsten würden wir uns, glaube ich, gleich wieder zurückwerfen. Darüber muss gesprochen werden, und deshalb ist das auch richtig.

Wir haben beim Impfen ja noch folgendes Problem ‑ und solange wir das haben, kann man über Privilegien überhaupt nicht reden ‑: Wir wissen nicht, ob der Geimpfte nicht trotzdem andere anstecken kann. Diese Frage ist noch nicht geklärt, und solange die nicht geklärt ist, stellt sich die Frage der Privilegien überhaupt noch nicht. Politisch gesehen würde ich aber sagen: Als Staat ist für uns schon der Punkt, an dem wir jedem ein Impfangebot machen können, ein wichtiger Punkt. Wenn dann jemand sagt 'Ich möchte nicht geimpft werden', kann es natürlich auch sein, dass jemand sagt: 'Dann ist das und das nicht möglich'. Das haben wir ja auch heute schon; zum Beispiel müssen Sie, wenn Sie in bestimmte afrikanische Länder reisen, gegen bestimmte Krankheiten geimpft sein, sonst kommen Sie da gar nicht rein. Darüber wird das sicherlich eine internationale Diskussion geben. Wichtig ist aber, dass wir im Augenblick keine doppelten Privilegien wollen ‑ nach dem Motto 'Ich habe das Privileg, schon geimpft zu sein, und dann habe ich noch mehr Privilegien' ‑, obwohl ganz viele andere Menschen auch gerne geimpft werden würden. Der Hauptgrund ist aber, dass wir nicht wissen, ob die Menschen weiter ansteckend sind.

Nächster Punkt: Ja, wir brauchen ein Gedenken an die Toten. Der Bundespräsident hat dazu ja auch das gesagt, was ihm wichtig ist. Ich gehe einmal davon aus, dass das auch in die Tat umgesetzt wird.

Ja, für junge Erwachsene ist es die schwierigste Zeit. Man hat großen Bewegungsdrang, man will die Welt kennenlernen, man will raus, man will etwas erleben, man muss lernen, man muss sich auf den Beruf vorbereiten. Wir haben versucht, durch die Unterstützung für Studierende und durch Kurzarbeitergeld ‑ das ja auch für junge Erwachsene gilt ‑ zu helfen. Wir bessern bei verschiedenen Programmen auch immer wieder nach, das sehen Sie ja auch ‑ gerade im Bereich der Soloselbstständigen, und auch beim Einzelhandel haben wir jetzt noch einmal nachgeschärft. Die Einschränkungen, denen sich junge Erwachsene gegenübersehen, können wir aber nicht voll kompensieren. Ich habe in meinen Bürgergesprächen ja auch mit Studenten gesprochen, die bestätigt haben, dass das Wegfallen der ganzen 450-Euro-Jobs usw. schon eine schwierige Sache ist. Deshalb haben wir ja auch versucht, hier zu helfen, und das werden wir auch weiter tun.

Frage Romaniec: Frau Bundeskanzlerin, Sie werden heute mit den europäischen Partnern sprechen. Man sucht nach einer Einigung über die Maßnahmen, damit das, was in Deutschland beschlossen worden ist, auch hält. Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass es zu Grenzschließungen kommen kann, wenn man sich nicht einigt?

Ich möchte außerdem noch fragen: Schließen Sie sich Ihren Kollegen von der EVP an und fordern Sie die sofortige Freilassung von Nawalny? Sie haben sich sehr für ihn engagiert. Wird das weiterhin der Fall sein?

BK'in Merkel: Ja, natürlich fordere ich die sofortige Freilassung von Herrn Nawalny, und das tut die ganze Bundesregierung. Wir glauben, dass das absolut richtig wäre und auch sehr dringlich ist.

Zu Ihrer ersten Frage: Heute werden wir zum allerersten Mal mit den europäischen Staats- und Regierungschefs über die Mutation sprechen. Wir werden sicherlich das gemeinsame Ziel haben, dieses Virus möglichst einzudämmen. Das heißt, es wird besondere Vorkehrungen ‑ darüber sind sich, glaube ich, alle einig ‑ bezüglich der Einreisen aus Großbritannien und zum Beispiel auch aus Südafrika geben müssen; das hat Deutschland ja auch bereits veranlasst. Es geht dann um die Frage: Wie können wir sicherstellen, dass wir alle miteinander das gleiche Ziel verfolgen, nämlich die Sieben-Tage-Inzidenz möglichst herunterzubringen?

Wenn ich mir heute einmal die Nachbarschaft von Deutschland anschaue, dann habe ich da auch gar nicht so sehr viele Bedenken. Der niederländische Kollege von Ihnen hat schon nach den niederländischen Maßnahmen gefragt, die verstärkt wurden. Belgien ist sehr aufmerksam. In Frankreich gibt es ähnliche Vorkehrungen. In Luxemburg gibt es eine Inzidenz, die mit der deutschen sehr vergleichbar ist. Mit der Schweiz werden wir sicherlich reden müssen. Mit Tschechien bin ich schon im Gespräch ‑ ich habe schon zweimal mit dem tschechischen Ministerpräsidenten gesprochen. Es geht nicht darum, flächendeckende Grenzkontrollen einzuführen, sondern wir werden versuchen, das zu vermeiden. Ich sage Ihnen aber ganz offen: Wenn ein Land mit einer vielleicht doppelt so hohen Inzidenz wie Deutschland alle Geschäfte aufmacht, während sie bei uns noch geschlossen sind, dann hat man natürlich ein Problem.

Das wird heute also eine erste Runde sein, in der es darum geht, wie wir da miteinander verfahren; das wird aber nicht abschließend sein. Ich glaube, dass es da sehr viel Einverständnis gibt. Die Tücke liegt dann im Detail. Richtig ist auch, dass wir für die Pendler Testregime entwickeln. Auch dazu sind wir mit den Nachbarländern im Gespräch. Das soll nicht holterdiepolter von einem Tag auf den anderen gehen, sodass keiner aus einem anderen Land mehr bei uns arbeiten kann ‑ da haben wir ja alle dazugelernt. Der freie Warenverkehr ist sowieso unstrittig. Aber wenn Sie sich einmal die Infektionskarte von Deutschland anschauen, dann sehen Sie schon, dass Infektionsgeschehen auch mit Grenzen zu tun hat. Es wäre ja auch ganz ungewöhnlich, wenn das nicht der Fall wäre.

Insofern erwarte ich heute keine abschließenden Ergebnisse, aber glaube, dass es viel Gemeinsamkeit gibt. Die Innenminister und die Gesundheitsminister werden dann noch einmal darüber reden müssen, wie man das alles auch praktisch regelt. Wir machen im Europäischen Rat ja keine Einreiseverordnungen oder Ähnliches. Ich glaube aber, ich kann darstellen, dass Deutschland einen kooperativen Ansatz sucht und dass flächendeckende Grenzkontrollen für uns die Ultima Ratio wären und dass wir viel tun werden, um zu versuchen, das zu verhindern. Wenn jemand ganz andere Vorstellungen hat, kann das aber auch nicht vollkommen ausgeschlossen werden.

Frage Reitschuster: Frau Merkel, Sie haben gesagt, die Frage 'Was erwartet uns in den nächsten Jahren?' werde später immer mehr in den Vordergrund rücken. Nun werfen Kritiker Ihnen vor, dass das bei Ihnen im Moment nicht genügend im Vordergrund stehe. Auch in der Unionsfraktion wurde Ihnen gestern vorgeworfen, dass Sie sich einseitig beraten ließen. In der Expertenrunde waren zwei Vertreter der Null-COVID-Strategie, es war aber kein einziger expliziter Kritiker dabei. Es gibt die Studie von Ioannidis ‑ wissenschaftlich belegt ‑, der sagt: Lockdown schadet und hilft nicht. Es gibt keine wissenschaftlich belegte Studie, die die Bundesregierung nennen konnte. Warum tauschen Sie sich nicht mit den expliziten Kritikern offensiver aus? Warum wird diese Ioannidis-Studie nicht berücksichtigt? Als Wissenschaftlerin müssen Sie doch immer beide Seiten hören. Woher kommt der Glaube, wie das Ihre Sprecherin ausdrückte, wenn viele Wissenschaftler auch andere Meinungen haben?

Ganz kurz die zweite Frage: Sie haben wiederholt gesagt, dass Sie sich zurückziehen wollen, aber da war immer so ein bisschen ein Hintertürchen offen. Zum Beispiel sagten Sie bei der Neujahrsansprache, das sei voraussichtlich die letzte. Da wäre noch die Frage ‑ um die Spekulationen zu beenden ‑: Schließen Sie ‑ ‑ ‑

Vorsitzender Detjen: Entschuldigung, wir haben gesagt: eine Frage.

Frage Reitschuster: Aber Herr Jung hat auch zwei Fragen gehabt, so wie auch die Dame gerade.

Vorsitzender Detjen: Ja, aber wenn Sie sagen, Sie wollen eine kurze Frage stellen, dann stellen Sie eine kurze Frage.

Frage Reitschuster: Schließen Sie definitiv aus, dass Sie nach dem Herbst noch einmal in hoher politischer Funktion weiter verantwortlich sind?

BK'in Merkel: Wenn Sie meiner Silvesteransprache so gut zugehört haben, dann haben Sie sicherlich alles gehört. Als Erstes habe ich ja gesagt, dass ich nicht wieder antrete ‑ Punkt.

Zusatzfrage Reitschuster: Als Kanzlerin?

BK'in Merkel: Ja. Weder als Bundestagsabgeordnete noch für das Amt der Bundeskanzlerin. Das 'voraussichtlich' habe ich dann mit Blick auf die letzte Regierungsbildung gesagt. Ich wünsche mir aber, dass die nächste Regierungsbildung superschnell vonstattengeht. Das hatte ich mir aber auch 2017 schon gewünscht, und dann hat die Regierungsbildung ja etwas länger gedauert. Deshalb kam das 'voraussichtlich' hinein. Der Kernsatz war aber: Ich trete nicht wieder an, und zwar für keine politische Funktion.

Dann zu den Wissenschaftlern. Wissen Sie, das überrascht mich ein bisschen. Erstens wählen wir die Wissenschaftler immer nach der Frage aus: Was steht im Zentrum der Beratung? Diesmal stand die Mutation im Zentrum. Da hatten wir sehr interessante Wissenschaftler, zum Beispiel Herrn Apweiler, der für Großbritannien die Sequenzierung durchgeführt hat, Herrn Professor Nagel von der Technischen Universität Berlin, der genauso wie Herr Meyer-Hermann Modellierungen macht, und Professor Krause vom Helmholtz-Zentrum in Braunschweig, der dezidiert in vielen Fragen anderer Meinung ist.

Schauen Sie: Es gibt ein breites Spektrum an Wissenschaftlern. Nicht nur die, die jetzt gerade eingeladen sind, sind diejenigen, mit denen ich spreche oder mit deren Ergebnisse ich mich befasse. Es gibt aber in dem Ganzen auch politische Grundentscheidungen, die mit Wissenschaft nichts zu tun haben. Jeder Wissenschaftler arbeitet nach bestem Wissen und Gewissen. Aber die Grundentscheidung heißt: Will ich ‑ natürlich durch den Impfstoff etwas weniger ausgeprägt ‑ darauf setzen, dass sich immer so viele Leute wie möglich anstecken, um dann doch vielleicht irgendwo zu einer besseren Durchseuchung ‑ das Wort hört sich schrecklich an ‑, zu einer besseren Infektionsimmunität jüngerer Altersgruppen zu kommen oder will ich das nicht?

Diese politische Entscheidung habe ich getroffen. Ich kann die wissenschaftlichen Studien lesen, aber uns nimmt ja trotzdem keiner die Entscheidung ab. Diese politische Entscheidung habe ich getroffen, weil ich weiß ‑ ‑ ‑ Professor Kroemer von der Charité hat mir gesagt, dass vor kurzer Zeit das Durchschnittsalter der dort liegenden Menschen 63 Jahre betrug. Wir wissen, dass die Todesrate ‑ oder der schwere Verlauf bei den Älteren ‑ natürlich viel, viel höher ist. Wenn 63 Jahre das Durchschnittsalter ist, dann wissen Sie, wie viele Jüngere auch davon betroffen sind. Ich finde, dieses Risiko kann man nicht eingehen. Ich möchte es nicht eingehen. Aber daraus leiten sich dann natürlich politische Handlungen ab.

Trotzdem verfolge ich natürlich alle Meinungsbildungen. Wir sind ja nicht jemand, der irgendwie ignorant ist. Mit der Einladung von bestimmten Wissenschaftlern wollen wir auf bestimmte Fragen, die uns interessieren und die nicht politischer Natur sind, Antworten bekommen. Aber dahinter liegen natürlich auch politische Grundentscheidungen. Was die Gruppe derjenigen angeht, die eher zur Herdenimmunität neigt ‑ da gibt es viele, viele Nuancen ‑, diese Grundentscheidung treffe ich anders.

Frage Wolf: Ich habe eine Frage zum Thema Grenzschließungen und der europäischen Abstimmung. Sie sprachen davon, dass das Ziel sei, möglichst gleichwertige Maßnahmen zu treffen und die Maßnahmen europaweit zu synchronisieren. Können Sie erläutern, welchen Maßstab Sie dabei ansetzen? Wer gibt sozusagen den Rahmen vor, woran sich auch die europäischen Länder orientieren sollten?

Können Sie den Unmut nachvollziehen, der jetzt schon in europäischen Nachbarländern laut wird, dass von deutscher Seite erneute Grenzkontrollen ins Gespräch kommen, dass hier diese Debatte erneut losgeht? ‑ Vielen Dank.

BK'in Merkel: Es gibt Worte, auf die reflexartig reagiert wird. Es sind ja auch sehr schlechte Erinnerungen mit der Grenzschließung verbunden, die im Übrigen damals zum Beispiel in Richtung Polen, verbunden mit kilometerlangen Staus, nicht von Deutschland ausging. Das wird es sowieso nicht wieder geben. Der freie Warenverkehr steht jetzt überhaupt nicht zur Debatte, sondern die Frage: Was passiert in Grenzregionen, wo es sehr viele Pendler gibt? Wir haben mit unserer Einreiseverordnung Teststrategien vorgegeben, die man nicht von dem einen Tag auf den anderen Tag einführen kann. Man kann aber auch nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Deutschland wird auch seinen Beitrag dazu leisten, dass die Pendler getestet werden können. Man wird das nicht nur von den Herkunftsländern erwarten. Da sind wir, wie gesagt, in einem guten Gespräch.

Als Bundeskanzlerin habe ich aber auch die Aufgabe, zu schauen ‑ ‑ ‑ Ich verlange von den Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik Deutschland eine Menge: geschlossene Schulen, geschlossene Geschäfte, geschlossene Restaurants, keine Kunstveranstaltungen. Dann ist es doch natürlich, dass ich jetzt nicht offenen Auges zusehen kann, dass wir, wenn anderswo ganz anders gehandelt wird, vielleicht sagen: Na gut, jetzt können alle Deutschen mit einer viel höheren Inzidenz in ein Nachbarland fahren und dort Kaffee trinken und in die Restaurants gehen. ‑ Das würden die Bürger zu Recht nicht verstehen.

'Gleichwertig' heißt, dass wir im Wesentlichen das gleiche Ziel haben. Dafür gibt es die europäische Gesundheitsbehörde ECDC, in deren Rahmen wir zusammenarbeiten. Ich weiß, dass von Frankreich bis zu den Niederlanden, also in vielen unserer Nachbarländer, die Vorstellung eines Inzidenzwerts von 50 pro 100 000 Einwohner ‑ Frankreich wollte damals 5000 Fälle pro sieben Tage ‑ das grundsätzliche Ziel ist. Es ist nicht einfach, das zu erreichen. Darauf arbeiten alle hin.

Darüber, ob jetzt die Ausgangsbeschränkung das Maß der Dinge ist, ob einer die Schule mehr oder weniger offen lässt, ob die Notbetreuung 20 oder 30 Prozent beträgt, wird man nicht richten. Man wird sich die Kurven anschauen und sagen: Wenn sich ein Land in einem exponentiellen Wachstum befindet und trotzdem noch alle Restaurants offen sind, gibt es vielleicht Grenzkontrollen. Was ich aber gar nicht so sehe, weil ich ja um uns herum sehe, dass auch härteste Beschränkungen eingeführt werden. Das ist der Maßstab.

Ich bin ganz entschieden dafür, dass wir sehr gut miteinander kooperieren, dass wir darüber sprechen und dass wir nicht sozusagen immer vom schlechtesten Fall ausgehen. Ich bin aber verpflichtet, den hier lebenden Menschen zu sagen: Wir können uns nicht alle eure Einschränkungen dadurch zunichtemachen lassen, dass woanders vielleicht etwas ganz anderes gilt.

Frage Dunz: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, dass nach den Ministerpräsidentenkonferenzen ein Gleichklang besteht. Der wird ja meistens schon am Tag darauf wieder kaputtgemacht, dass also etwa Baden-Württemberg früher die Schulen öffnet. Deswegen eine ganz persönliche Frage: Sie haben gesagt, dass Sie die Legislaturperiode so zu Ende regieren, wie es kommt. Aber mischt sich da nicht auch ein bisschen Erleichterung mit hinein? Ein letzter Januar, ein letzter Februar, die letzten EU-Gipfel, die letzten Ministerpräsidenten? Können Sie jetzt befreiter runterregieren?

BK'in Merkel: Eine ganz neue Kombination von Regieren. Durchregieren hatten wir ja schon. Ihr Wort würde ich mir nicht zu eigen machen.

Nein. Erstens ist ziemlich wenig Zeit. Zweitens wissen Sie gar nicht, was übermorgen passiert. Wir können noch mit ganz anderen Problemen konfrontiert werden. Ich glaube, jeder Regierungstag muss gleich ernst genommen werden und immer wieder mit dem gleichen wachen Blick betrachtet werden. Was für Probleme deuten sich an? Man kann sich nicht damit aufhalten, ob das jetzt der letzte 20. Januar oder der 21. Januar war. Deshalb ist das nichts, was mich so bewegt. Die Betrachtung habe ich nicht.

Schauen Sie: Sie schreiben ja über mich oder über das, was ich sage usw. Sie haben eine andere Perspektive. Aber meine Perspektive ist: Mitten im Leben und möglichst vernünftig regieren, und zwar bis zum letzten Tag, an dem ich die Verantwortung habe.

Zusatzfrage Dunz: Meine Frage war, wie Ihr persönliches Gefühl jetzt ist.

BK'in Merkel: Das Gefühl ist angespannte Aufmerksamkeit. Die unterscheidet sich nicht von dem fünften Tag meiner Amtsausübung.

Frage Remme: Frau Bundeskanzlerin, ich möchte kurz zurück zu den transatlantischen Beziehungen kommen und Sie nach Nord Stream 2 fragen. Sie kennen die inhaltlichen Kritikpunkte hinsichtlich dieses Projekts. Ich weiß, dass Sie auf ein vornehmliches Wirtschaftsunternehmen hinweisen. Aber es ist nun einmal eminent politisch. Gerade in diesem Moment, wo wir viel von einem Neustart der Beziehungen zu den USA und dem Umgang von Putin mit Nawalny reden, würde ich Sie gerne fragen, ob Sie uns noch einmal erläutern können, warum nicht wenigstens ein Moratorium, geschuldet den übergeordneten Interessen Deutschlands, die richtige Maßnahme wäre?

Mit anderen Worten: Ist die Zukunft von Nord Stream 2 aus Ihrer Sicht immer noch offen oder wird dieses Projekt zu Ende gebaut?

BK'in Merkel: Meine grundsätzliche Einstellung zu Nord Stream 2 hat sich nicht verändert. Für mich war wichtig, dass die Ukraine einen Gasvertrag bekommt. Wir werden natürlich mit der neuen amerikanischen Administration darüber sprechen, weil es ja in den Vereinigten Staaten von Amerika ‑ und auch in Teilen Europas ‑ sehr parteiübergreifend kritisch gesehen wird. Wir müssen aber auch darüber sprechen, welche Wirtschaftsbeziehungen im Gasbereich mit Russland akzeptabel sind und welche nicht.

Es ist auch nicht so, dass zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland zum Beispiel gar keine Handelsbeziehungen im Ölbereich bestehen. Das heißt, das müssen wir dann alles auf den Tisch legen und uns einmal darüber unterhalten, ob man mit Russland gar keinen Handel mehr im Gasbereich haben will und welche Abhängigkeit tolerabel ist. Des Weiteren finde ich, dass diese exterritorialen Sanktionen sowieso ein Mittel sind, das aus meiner Sicht nicht in Ordnung ist.

Es wird auch mit der Biden-Administration unterschiedliche Meinungen geben. Ich war zum Beispiel immer ‑ ich glaube, das hat früher auch eine Rolle gespielt ‑ gegen bestimmte Formen von Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Vereinigen Staaten von Amerika unter Barack Obama ‑ und gerade Joe Biden ‑ waren diesbezüglich unterschiedlicher Meinung. Glauben Sie nicht, dass es von morgen an nur Übereinstimmungen gibt. Da wird es auch unterschiedliche Meinungen geben.

Zusatzfrage Remme: Sie sagen, Ihre Position hat sich nicht geändert. Meine Erinnerung an Ihre letzte Position ist die nach der Vergiftung von Alexej Nawalny und die lautete, dass die Zukunft dieses Projekts offen ist. Stimmt das? Ist das Ihre letzte Position?

BK'in Merkel: Ich habe gesagt, dass das auch eine Rolle spielen kann. Ich sage heute, dass die Sanktionen ja sowieso noch einmal wieder verstärkt werden, aber dass sich meine Grundeinstellung noch nicht dahingehend verändert hat, dass ich sage: Das Projekt soll es nicht geben.

Vorsitzender Detjen: Zum Schluss eine Fragerunde von außen, vorgelesen von Mathis Feldhoff.

Frage Koch: Frau Bundeskanzlerin, nehmen wir in der Coronapandemie den Datenschutz zu wichtig? Sollte man mehr auf Techniken wie die Corona-Warn-App setzen?

Frage: Anfang Januar haben Sie in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Putin über mögliche Perspektiven für eine gemeinsame Herstellung von Impfstoffen gesprochen. Geht es Ihnen darum, dass Sie ein Interesse an dem russischen Impfstoff Sputnik haben?

Frage Beerheide: Nach Ihrem Gipfel zum öffentlichen Gesundheitsdienst im September sollten die Ämter besser ausgestattet werden. Offenbar ist das trotz Bemühungen weiterhin nicht passiert. Das sieht man auch an den Beschlüssen von vor zwei Tagen. Wie ist Ihr Appell an die Städte und Kommunen, die Ämter besser auszurüsten? Werden Sie das persönlich weiterhin eng verfolgen?

BK'in Merkel: Erstens zu der Corona-Warn-App und dem Datenschutz. Ich glaube, dass der Datenschutz sehr, sehr wichtig ist und dass er auch sehr viel mit der Akzeptanz einer Corona-Warn-App zu tun hat. Eine Corona-Warn-App für sehr viel weniger Nutzer mit einem geringeren Datenschutz wäre auch nicht gut.

Aber es wird auch immer wieder etwas diskutiert, was wir zwar versucht haben, schon sehr oft zu erklären, was aber offensichtlich sehr, sehr schwierig zu erklären ist. Sie können zwei Ansätze fahren, nämlich den zentralen und den dezentralen. Wir haben uns für den dezentralen Ansatz entschieden. Das heißt, wenn Sie in der Straßenbahn sitzen, neben Ihnen sitzen andere Leute und es ist jemand infiziert, bekommen alle, die in meiner Umgebung waren, eine Information, wenn der Infizierte sozusagen den Knopf drückt. Würde man das nicht anonymisiert machen, würden alle Handynummern von denjenigen, die jemals in meiner Umgebung waren, sichtbar werden und jeder würde vom Gesundheitsamt angerufen werden. Dann würde man sagen: Du warst dann und dann mit dem und dem in der Straßenbahn usw. Das würde schon einmal, wie ich finde ‑ ‑ ‑

Ob es die Gesundheitsämter so viel entlasten würde, weiß ich nicht, weil der Informierte ja die gleiche Information bekommt. Zweitens würde es, glaube ich, schon Debatten hervorrufen. Ich denke, dass die Akzeptanz geringer wäre.

Es gibt aber noch einen zweiten Grund, den man nicht unterschätzen darf. Wir müssen mit den Herstellern der Betriebssysteme arbeiten. In dem Falle des Ansatzes, der zentral wäre, müsste diese Bluetooth-Meldung ganz anders angelegt sein. Das wird nicht unterstützt, weil auch die Hersteller der Betriebssysteme auf den Datenschutz in ihren Handys stolz sind. Wenn man das nur für diese Warn-App anders machen müsste, müsste man das jedes Mal aus allen anderen Anwendungen herausnehmen und mit großem Stromverbrauch in den Vordergrund holen. Aber es wird zum Beispiel von Apple einfach auch nicht unterstützt, weil Apple eine andere Philosophie hat. Deshalb ist es müßig, sich jetzt immer wieder mit der Frage zu beschäftigen.

Es gibt die Möglichkeit der freiwilligen Datenspende. Niemand ist daran gehindert, dem Gesundheitsamt seine Daten zu geben. Da kann man mehr tun. Ich glaube, das ist der Weg, auf dem wir gehen sollten.

Ich habe in der Tat mit dem russischen Präsidenten gesprochen. Es wird immer wieder gesagt, dass Russland diesen Impfstoff Sputnik V hat. Ich habe gesagt: Wenn wir gemeinsam arbeiten wollen ‑ ich finde, über alle politischen Differenzen hinweg, die ja im Augenblick groß sind, kann man in einer Pandemie im humanitären Bereich zusammenarbeiten ‑, ist die Voraussetzung, dass ein Impfstoff, der in der Europäischen Union eingesetzt wird und den wir auch gemeinsam produzieren können, von der Europäischen Medizinagentur zugelassen wird.

Russland hat sich jetzt an die EMA gewandt. Ich habe angeboten, dass das Paul-Ehrlich-Institut, das ja unser Institut ist, Russland dabei unterstützen kann, weil man vielleicht mit diesem Weg, den die EMA fordert, und den Dokumenten nicht voll übereinstimmt. Ich finde, das ist eine gute Sache. Wenn dieser Impfstoff von der EMA zugelassen wird, können wir auch über eine gemeinsame Produktion oder auch über Anwendungen reden.

Drittens. Es gibt ungefähr 380 Gesundheitsämter, für die ich mich sehr interessiere und für die wir Geld bereitgestellt haben, damit neue Leute eingestellt werden können. Ich kann die Menschen nicht alle persönlich einstellen. Es ist nicht richtig, dass nirgendwo jemand eingestellt wurde. Es ist aber sicherlich richtig, dass nicht überall jemand eingestellt wurde.

Wir haben zusammen mit den Ministerpräsidenten gesagt, dass bis Anfang Januar ein gemeinsames Kontaktnachverfolgungssystem installiert werden soll, nämlich SORMAS. Das ist leider bis Anfang Januar nicht gelungen, weil einige Länder ‑ die Gesundheitsämter arbeiten jetzt ja auch unter Hochdruck ‑ gesagt haben: Wir haben andere gleichwertige Systeme, und wir wollen Schnittstellen zum RKI. Sie sagen jetzt: Wir stellen auf SORMAS um. Wir haben jetzt festgelegt, dass bis Ende Februar jeder SORMAS installiert haben soll. Aber wir können jetzt nicht mitten in der größten Anspannung, die die Gesundheitsämter erleben, von MIKADO in Rheinland-Pfalz auf den Gebrauch von SORMAS in dem gewünschten Format umstellen.

Ich plädiere allerdings sehr kurzfristig dafür, dass sich alle für ein System entscheiden, weil ansonsten die Weiterentwicklung des Systems natürlich nie harmonisch sein wird, weil sich MIKADO wahrscheinlich nicht so weiterentwickelt wie SORMAS und weil die Schnittstelle bei SurvNet usw. immer wieder neu gemacht werden muss. Das heißt, ein bundeseinheitlicher Ansatz wäre hier schon gut. Die Grundlage dafür ist da.

Ich bleibe weiterhin mit den Gesundheitsämtern im Gespräch, denn wir brauchen noch einmal eine verstärkte Kontaktnachverfolgung. Alle die, die ein digitales System ‑ insbesondere SORMAS ‑ installiert haben, können sehr viel einfacher von Callcentern aus die Kontaktnachverfolgung in Anspruch nehmen. Wir wollen gerade in den Semesterferien Studenten einen Anreiz für einen Nebenjob bieten. Es könnte ein guter Nebenjob sein, den man sonst nicht hat, die Kontaktnachverfolgung mit zu unterstützen, wenn wir langsam zu einer Öffnungsstrategie kommen.

Ich habe mich in den letzten Monaten sehr viel und mit großem Respekt für die Gesundheitsämter interessiert, weil die Gesundheitsämter neben manch anderer Gruppe auch Großes leisten.

Donnerstag, 21. Januar 2021

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