BERLIN (dpa-AFX) - Die europapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Franziska Brantner, hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) vorgeworfen, er zeige bei der geplanten Reform des europäischen Asylsystems zu wenig Ehrgeiz. Hintergrund ihrer Kritik ist eine schriftliche Frage, die sie am 5. Oktober an sein Ministerium gestellt hatte.

Brantner wollte wissen, wann und wie oft sich Seehofer und die Leitungsebene seines Hauses in den vergangenen sechs Monaten physisch oder digital mit Vertretern anderer EU-Mitgliedstaaten getroffen haben, um die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems zu besprechen. Das Ministerium antwortete ihr, die Vertraulichkeit der Beratungen auf hoher politischer Ebene sei "entscheidend für den Schutz der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik". Daher könne man dazu keine Angaben an Parlamentarier weitergeben.

"Das lässt vermuten, dass das Innenministerium nur das fehlende Engagement von Seehofer verstecken will", sagte Brantner der Deutschen Presse-Agentur. Ohne persönlichen Einsatz und viel diplomatisches Engagement werde hier nun noch mehr Zeit verloren. "Darunter leiden die vielen Geflüchteten, die an Europas Außengrenzen unter menschenunwürdigen Bedingungen auf ihr Verfahren warten."

Die EU-Staaten streiten seit Jahren über die Asylpolitik - vor allem darüber, ob und wie Migranten auf alle verteilt werden sollen. Deshalb hatte die EU-Kommission im September ein neues Konzept vorgestellt, über das Mitgliedsländer und Europaparlament nun verhandeln. Demnach sollen Länder wie Griechenland und Italien insbesondere mit stärkerem Grenzschutz sowie mit Hilfe bei der Rückführung abgelehnter Schutzsuchender entlastet werden. Zugleich will die EU-Kommission, dass alle Staaten einen Beitrag leisten. Länder, die sich der Aufnahme von Migranten verweigern, sollen etwa für die Rückführung abgelehnter Asylbewerber zuständig sein.

Bis Ende des Jahres hat Deutschland noch den Vorsitz der EU-Staaten inne. Seehofer hatte am 8. Oktober nach einer Videokonferenz der Innenminister gesagt, er strebe an, dass sich die EU-Staaten bis Jahresende zu den wichtigsten Themen politisch einigen. Rechtsakte könnten dann während der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte 2021 verabschiedet werden./abc/DP/zb