Von Joanne Chiu und Mischa Frankl-Duval

NEW YORK (Dow Jones)--Ehrgeizige Klimaziele in China haben an den dortigen Börsen eine Rally bei E-Autobauern ausgelöst, die traditionelle Hersteller alt aussehen lässt.

In der Hoffnung auf eine Wiederholung der Tesla-Erfolgsgeschichte hat sich der Kurs der Hinterlegungsscheine des chinesischen Elektroautobauers Nio in diesem Jahr verelffacht. 70 Milliarden US-Dollar bringt das Unternehmen jetzt an der Börse auf die Waage. Byd baut zwar auch herkömmliche Fahrzeuge, kommt durch seine Batterieproduktion und Hybridfahrzeuge im Portfolio aber auch auf einen Börsenwert von 69 Milliarden Dollar. Die beiden US-Konzerne General Motors und Ford werden dagegen nur mit 59 bzw 36 Milliarden Dollar bewertet.

Die hohen Bewertungen der chinesischen Unternehmen basieren allein auf Erwartungen. Bislang verdienen sie kaum nennenswert Geld, auch die Zahl der verkauften Autos kann bei weitem nicht mit denen von etablierten Herstellern mithalten. So hat etwa die Xpeng Inc in den ersten neun Monaten nur 14.000 Fahrzeuge ausgeliefert. GM kam dagegen auf über 1,9 Millionen.

Doch der Erfolg von Tesla verleitet Investoren, ihre Dollar auf Newcomer zu setzen. Investmentmanagerin Elizabeth Kwik von Aberdeen Standard Investments verweist auf die Pläne Chinas, bis 2060 klimaneutral werden zu wollen. Um dieses Ziel zu schaffen, muss schon 2025 jedes in China verkaufte Auto elektrisch betrieben sein. 2035 muss der Anteil der E-Autos an der Gesamtflotte bei der Hälfte liegen. Das allein verspricht ein hohes Marktwachstum.

Der Sektor hat bislang vor allem von Subventionen profitiert. Doch Investoren weiten ihren Blick. Die Produktionskosten der Elektroautos werden immer geringer. Die Reichweite der Fahrzeuge steigt. In manche Städte kommen Autos mit Verbrennungsmotoren nicht mehr so leicht hinein.


  Immer mehr Chinesen wollen Elektroautos kaufen 

Auch die Kunden ziehen so langsam mit. In einer Befragung haben jüngst mehr als die Hälfte der chinesischen Verbraucher angegeben, beim Kauf eines Neuwagens den Elektroantrieb zu bevorzugen. 2018 hatten sich nur ein Drittel der Befragten so geäußert. Fallende Preise und wachsende Qualität sorgen für neue Prioritäten.

Wie bei Tesla sind es viele Privatanleger, die die Rally an der Börse befördern. Der 43-jährige Dennis Coyle etwa hat seit Juni für mehr als 50.000 US-Dollar Nio-Aktien gekauft. Dieses Geld hat er eigenen Angaben zufolge durch Kursgewinne bereits vervierfacht. Er denkt derzeit aber nicht daran zu verkaufen.

Der 27 Jahre alte Produktmanager Ashar Qureshi aus Toronto wettet mit Derivaten sowohl auf Nio als auch auf Xpeng. Das hat ihm bereits zehntausende Dollar Gewinn eingebracht. Er hält Nio-Aktien im Wert von 100.000 Dollar.

Die Börsenrally macht die Aktien chinesischer E-Autohersteller teuer. Li Auto kommt beispielsweise inklusive Schulden auf eine Bewertung, die dem 7,7-fachen des erwarteten Jahresumsatzes entspricht. General Motors kommt nur auf das 1,1-Fache.

Um solche hohe Bewertungen zu rechtfertigen, müssen die Unternehmen rasant wachsen. Dabei liefern sie sich einen harten Wettbewerb mit Tesla und anderen etablierten Herstellern.

Das Model 3 von Tesla ist nach einer Umfrage zwar sehr beliebt in China, viele Käufer würden aber lieber eine chinesische Marke fahren. Der Heimvorteil der lokalen Produzenten ist beträchtlich, auch weil die Montage in China günstiger als in vielen anderen Ländern ist.

Fondsmanager Winnie Chwang von Matthews Asia hält die Zeit für gekommen, angesichts der raschen Ausbreitung der E-Autos über ein Investment in dem Sektor nachzudenken. Er verweist aber auch auf den wachsenden Wettbewerb.

Investor Qureshi aus Toronto erinnert sich an die riesigen Kurssprünge bei Kryptowährungen. Es fühle sich für ihn so an, als würde er immer noch mit Kryptowährungen handeln, so groß seien die Gewinne. Da werde auch schon etwas Schaum geschlagen, deshalb hat Qureshi sich mit Put-Optionen gegen mögliche Kursverluste abgesichert. "So langsam gerät das etwas außer Kontrolle", warnt der Anleger.

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December 18, 2020 05:37 ET (10:37 GMT)