'Die Saarwirtschaft ist in diesem Jahr von der Corona-Pandemie stark ausgebremst worden. Das traf in erster Linie unseren Wachstumsmotor, die Industrie, die neben deutlich rückläufigen Exporten und einer schwachen Investitionsnachfrage aus Deutschland zusätzlich noch die Herausforderungen der Transformation im Fahrzeugbau schultern musste. Anders als in den Vorjahren konnte auch der private Verbrauch die Konjunktur nicht stützen. Vor diesem Hintergrund rechnen wir für dieses Jahr mit einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts im Saarland von rund zehn Prozent.' Mit diesen Worten resümierten IHK-Präsident Dr. Hanno Dornseifer und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Heino Klingen die Entwicklung der Saarwirtschaft im Jahr 2020.

'Für das kommende Jahr sind wir verhalten optimistisch. Der Erholungsprozess in der Industrie wird sich fortsetzen. Rückenwind für die Konjunktur kommt vor allem vom Export, aber auch vom privaten Konsum. Entscheidend für den weiteren Konjunkturverlauf ist, dass das Infektionsgeschehen nach dem Winter-Lockdown abklingt und sich das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben wieder normalisiert. Kommt es so, dann ist im nächsten Jahr ein Saarwachstum von wenigstens fünf Prozent möglich', so Dornseifer.

Deutlicher Dämpfer vom Export

Den Einschätzungen der IHK liegt eine detaillierte Analyse der saarländischen Industrie zugrunde. Danach musste diese im Jahr 2020 sowohl bei Umsätzen als auch bei Auftragseingängen deutliche Rückgänge verzeichnen. In den ersten zehn Monaten des Jahres gingen die Umsätze im Verarbeitenden Gewerbe um insgesamt 19,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück (Bund: -12,1 Prozent). Maßgeblich hierfür war insbesondere der herbe Einbruch der Auslandsnachfrage. Sie verringerte sich in diesem Zeitraum um 16,1 Prozent. Vor allem die Ausfuhren in die wichtigen westeuropäischen Absatzmärkte Frankreich (-14,9 Prozent), Großbritannien (-35,1 Prozent), Italien (-22,5 Prozent) und Spanien (-29,7 Prozent), aber auch nach China (-11,3 Prozent) und in die USA (-15,8 Prozent) waren davon betroffen. Alles in allem summierten sich die Ausfuhren bis einschließlich Oktober auf 10,9 Milliarden Euro. Da gleichzeitig Importe in Höhe von 11,1 Milliarden Euro getätigt wurden, zeichnet sich für 2020 erstmals seit 1998 wieder ein Handelsbilanzdefizit ab.

Blick in die Branchen: Viel Schatten, wenig Licht

Der Blick in die Branchen zeigt ein überwiegend eingetrübtes Bild. Die größten Umsatzeinbußen mussten der Maschinenbau, die Gießereien und die Stahlindustrie verkraften. In diesen Branchen fielen die Erlöse in den ersten zehn Monaten um rund ein Drittel. In der Fahrzeugindustrie sank der Umsatz um nahezu ein Fünftel. Ursächlich hierfür ist die weltweit nachlassende Nachfrage nach Automobilen. Nach einer Prognose des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA) sinkt im Jahr 2020 der globale PKW-Absatz von rund 79,5 Millionen auf 65,9 Millionen Einheiten. Dieser Rückgang trifft nicht zuletzt den deutschen Fahrzeugbau, der drei von vier hierzulande produzierten Autos im Ausland absetzt. Bis einschließlich September verzeichneten die heimischen Automobilbauer einen Einbruch bei Produktion und Exporten von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Etwas geringere, aber ebenfalls signifikante Umsatzeinbußen verzeichneten die Gummi- und Kunststoffindustrie (-14,9 Prozent), die Hersteller von Metallerzeugnissen (-10,3 Prozent) sowie die Keramikindustrie (-6,7 Prozent).

Positive Entwicklungen gab es dagegen im Ernährungsgewerbe (+11,7 Prozent) und bei den Herstellern von elektronischen Ausrüstungen (+4,2 Prozent).

Bei den Auftragseingängen musste das Verarbeitende Gewerbe im Saarland insgesamt einen Rückgang von 15,1 Prozent in den ersten zehn Monaten verbuchen (Bund: -9,8 Prozent). In den strukturprägenden Branchen (Fahrzeugbau, Stahlindustrie, Maschinenbau) gingen die Orders sogar noch stärker zurück. Über alle Branchen hinweg haben sich die Auftragsbestände inzwischen aber wieder deutlich verbessert. 'Das deutet darauf hin, dass das kommende Jahr im Saarland zu einem Aufholjahr werden kann', so Dornseifer.

Aufholchancen in 2021

Internationale Konjunkturbeobachter sind für die weltwirtschaftliche Entwicklung im nächsten Jahr positiv gestimmt. Global betrachtet dürfte es wieder deutlich aufwärts gehen. Die OECD sagt für 2021 ein Wachstum des weltweiten Sozialprodukts von 4,2 Prozent voraus. Das Handelsvolumen wird mit einem Plus von 3,9 Prozent ebenfalls in diesem Umfang steigen.

Positive Impulse für die Konjunktur sind vor allem von den wiedererstarkten Volkswirtschaften im südostasiatischen Raum zu erwarten. Insbesondere das prognostizierte Wachstum in China (+8,0 Prozent) und in den USA (+3,2 Prozent), die inzwischen zum zweitwichtigsten Absatzmarkt des Saarlandes geworden sind, versprechen Auftrieb für die Saarwirtschaft. 'Vorausgesetzt, dass keine neuen Hürden für den Welthandel errichtet werden, erwarten wir ein Exportplus von rund zehn Prozent. Der Export wird damit wieder zum Wachstumstreiber der Saarwirtschaft', so Klingen.

Positiv auf das Saarwachstum dürfte sich auch der geplante Anstieg der öffentlichen Investitionen auswirken. Die Landesregierung beabsichtigt, im Rahmen ihrer Investitionsoffensive in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro zu investieren. 'Entscheidend ist hierbei, dass öffentliche Leitinvestitionen in Bereichen getätigt werden, in denen sie hohe Innovationseffekte auslösen, also im Umfeld der Saarhochschulen und der Forschungseinrichtungen. Der CISPA Innovation Campus in St. Ingbert ist ein vielversprechender erster Schritt in diese Richtung', so Dornseifer.

Was den privaten Konsum anbetrifft, ist ebenfalls mit einer Steigerung zu rechnen. Dafür spricht, dass die coronabedingten Ersparnisse aufgelöst werden und in den Konsum fließen. Nach unseren Schätzungen könnte dieser nachholende Konsumeffekt eine Größenordnung von 500 bis 800 Millionen Euro annehmen. Allerdings gibt es auch dämpfende Effekte wie die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer oder höhere Energiekosten. Unter dem Strich dürften aber die positiven Effekte überwiegen.

Arbeitsmarkt: Bis zu 2.000 Arbeitsplätze weniger

Der saarländische Arbeitsmarkt hatte sich in den vergangenen zehn Jahren außerordentlich gut entwickelt. Die Beschäftigung ist im Trend kontinuierlich gestiegen und erreichte im vergangenen Jahr mit durchschnittlich rund 393.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ein Allzeithoch. In diesem Jahr gab es coronabedingt erstmals wieder einen Abbau von Arbeitsplätzen, vor allem in den Kernbranchen der Saarindustrie sowie in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Im Saldo fielen der Krise 4.600 Arbeitsplätze zum Opfer. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit deutlich an. Die Arbeitslosenquote lag im Jahresschnitt bei 7,2 Prozent.

Es bleibt abzuwarten, ob die diesjährige Entwicklung nur eine Delle im Aufwärtstrend am Arbeitsmarkt bleibt oder der Beginn einer Trendwende ist, die schwierigere Zeiten auf dem Arbeitsmarkt erwarten lässt. Wohin der Arbeitsmarkt sich letztlich entwickelt, hängt ganz wesentlich davon ab, wie schnell die Saarindustrie als Motor für Wachstum und Beschäftigung wieder das Vorkrisenniveau erreicht und die strukturellen Anpassungen im Fahrzeugbau und in der Stahlindustrie gelingen. Aktuelle Entwicklungen gerade im Fahrzeugbau geben diesbezüglich Anlass zu Hoffnung. Doch bis diese ausreifen, dürfte es noch etwas dauern. Für das kommende Jahr ist deshalb über alle Branchen gerechnet und wegen der noch nicht ausgestandenen Pandemie mit einem weiteren Minus an Arbeitsplätzen zu rechnen. Die Arbeitslosenquote dürfte sich bei einem Verlust von rund 2.000 Arbeitsplätzen bei rund acht Prozent einpendeln.

Industrie- und Handelskammer des Saarlandes veröffentlichte diesen Inhalt am 23 Dezember 2020 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
Unverändert und nicht überarbeitet weiter verbreitet am 23 Dezember 2020 09:14:07 UTC.

Originaldokumenthttp://www.ihksaarland.de/p/IHK_Fünf_Prozent_Wachstum_im_nächsten_Jahr_möglich-17-15765.html

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