Von Andreas Kißler

HALLE/BERLIN (Dow Jones)--Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat prognostiziert, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2021 um 3,9 Prozent und im Jahr 2022 um 4,0 Prozent zunehmen wird. "Im Sommer sind die konjunkturellen Aussichten in Deutschland günstig", erklärten die Ökonomen. "Weil die Pandemie auf dem Rückzug ist, dürften die Restriktionen, die die Aktivität in vielen Dienstleistungsbranchen behindert haben, nach und nach aufgehoben werden, und es ist mit einem kräftigen Schub bei den privaten Käufen zu rechnen."

Im Sommer 2021 expandiere die weltwirtschaftliche Produktion kräftig. Allerdings sei die Weltindustrieproduktion zuletzt nicht mehr weiter gestiegen. Dies liege an vielerlei Engpässen bei der Produktion und an fehlenden Transportkapazitäten. Höhere Preise, zumal für Rohstoffe, hätten die Inflationsraten zuletzt deutlich steigen lassen. Die Geldpolitik bleibe aber, ebenso wie die Finanzpolitik, in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften expansiv.

In Deutschland werde der private Konsum im Zuge der Normalisierung des Wirtschaftslebens in den kommenden Monaten stark anziehen. "Davon profitieren insbesondere der Einzelhandel, das Gastgewerbe und andere Anbieter von Freizeitaktivitäten." Erwartet wird ein Zuwachs des privaten Konsums 2021 um 2,4 Prozent und 2022 um 7,4 Prozent. Von der Auslandsnachfrage nach Produkten des Verarbeitenden Gewerbes kämen ebenfalls kräftige Impulse.


   Kapazitäten Ende 2022 wieder normal ausgelastet 

Für die Ausrüstungsinvestitionen sehen die Ökonomen dieses Jahr ein Plus von 11,4 Prozent und nächstes von 6,3 Prozent. Allerdings bremsten auch in Deutschland Lieferengpässe im Verarbeitenden Gewerbe das Expansionstempo. Es dürfte nach Einschätzung des IWH bis Ende 2022 dauern, bis die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten wieder normal ausgelastet sind. Für die Exporte sieht das IWH dieses Jahr einen Zuwachs von 11,1 Prozent und kommendes von 6,7 Prozent und für die Importe Steigerungen um 12,0 Prozent und 9,2 Prozent.

Die Beschäftigungslage werde sich schon im zweiten Quartal 2021 leicht verbessern, und die registrierte Arbeitslosigkeit nehme im Verlauf des Jahres 2021 weiter ab. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt nach der Prognose 2022 auf 2,592 Millionen und 2023 auf 2,301 Millionen, was Arbeitslosenquoten von 5,7 Prozent und 5,0 Prozent entspricht.

Die Teuerung werde auch in den nächsten Monaten vor allem wegen Basiseffekten beim Erdölpreis deutlich oberhalb der Marke von 2 Prozent liegen. Weil die Finanzpolitik im Jahr 2021 nochmals expansiv ausgerichtet sei, steige das gesamtstaatliche Budgetdefizit trotz wirtschaftlicher Erholung von 4,5 Prozent in Relation zum BIP auf 5,1 Prozent. Im Jahr 2022 gehe es deutlich auf 1,4 Prozent zurück.

"Ein Abwärtsrisiko für die Konjunktur in Deutschland ist die Möglichkeit, dass sich das Leben zu einem Zeitpunkt normalisiert, zu dem die Herdenimmunität noch nicht erreicht ist und die Pandemie in der Folge im Sommer noch einmal aufflammt", sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller. "Dadurch könnte der Aufholprozess erneut verzögert werden." Zudem könnten Lieferengpässe das Verarbeitende Gewerbe noch stärker belasten. Ein Aufwärtsrisiko stelle die Möglichkeit dar, dass ein größerer Teil der in der Krise angesparten Einkommen verausgabt werde. Höhere Produktionszuwächse und eine stärkere Preisdynamik wären die Folge.

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June 15, 2021 06:03 ET (10:03 GMT)