Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft kommt dem Ifo-Institut zufolge wegen Engpässen bei Vorprodukten wie Mikrochips langsamer in Schwung als bislang angenommen.

Die Münchner Forscher senkten am Mittwoch ihre Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in diesem Jahr von 3,7 auf 3,3 Prozent. Sie sind damit pessimistischer als Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der zuletzt ein Plus von bis zu 4,0 Prozent in Aussicht gestellt hatte. Dafür erhöhte das Institut seine Schätzung für das nächste Jahr von 3,2 auf 4,3 Prozent.

"Kurzfristig dämpfend wirken vor allem die Engpässe bei der Lieferung von Vorprodukten", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser angesichts des Mangels etwa an Halbleitern, der beispielsweise die Autoindustrie belastet. "Die an sich kräftige Erholung, ausgelöst durch die Öffnungen, verschiebt sich etwas weiter nach hinten, als wir noch im Frühjahr erwartet hatten." Die Kosten der Corona-Krise für die Jahre 2020 bis 2022 belaufen sich den Ökonomen zufolge auf 382 Milliarden Euro. Dabei wird angenommen, dass die Wirtschaft in dieser Zeit ohne Pandemie mit durchschnittlich 1,2 Prozent im Jahr gewachsen wäre.

Die Zahl der Arbeitslosen dürfte der Vorhersage zufolge von 2,7 Millionen im vergangenen Jahr auf 2,4 Millionen im kommenden Jahr fallen. Die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Zeitraum werde um rund 600.000 auf 45,42 Millionen zulegen. Bei der Inflation erwarten die Experte eine vorübergehende Beschleunigung: In diesem Jahr sollen die Verbraucherpreise im Schnitt um 2,6 Prozent steigen. "Dazu tragen vor allem höhere Energiepreise und die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer bei", hieß es. Wollmershäuser erwartet deshalb, dass sich die Inflationsrate in der zweiten Jahreshälfte sogar zeitweise der Vier-Prozent-Marke nähern könnte. 2022 soll die Teuerungsrate auf 1,9 Prozent fallen.

Für den Staat werden wegen der Corona-Kosten weiter tiefrote Zahlen erwartet. Das Finanzierungsloch soll in diesem Jahr nochmals leicht auf 150,4 Milliarden Euro steigen. 2022 könnte es dann kräftig zurückgehen auf 49,6 Milliarden Euro - abhängig allerdings vom Wahlergebnis und den Entscheidungen der künftigen Bundesregierung. Ifo-Chef Clemens Fuest sagte, diese müsse die Weichen stellen für künftiges Wachstum. "Dazu brauchen wir eine gute Zuwanderungspolitik für Fachkräfte", sagte er angesichts des sinkenden Erwerbskräftepotenzials. Notwendig sei auch ein Steuer- und Transfersystem, das investitionsfreundlich sei. Eine Vermögens- oder höhere Einkommen- und Erbschaftsteuern würden private Investitionen in Deutschland erschweren.

Der Außenhandel wird der Ifo-Prognose zufolge deutlich zulegen, wobei die Exporte sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr langsamer wachsen sollen als die Importe. Dadurch könnte der viel kritisierte Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz erstmals seit Jahren unter die Marke von 6,0 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung rutschen, die die EU für kritisch hält.