Berlin (Reuters) - Die krisengebeutelte deutsche Industrie ist schwach in das letzte Quartal des Jahres gestartet: Im Oktober hat sie nach einem zuvor ungewöhnlich starken Zuwachs wieder weniger Aufträge erhalten.

Diese fielen wegen des schrumpfenden Inlandsgeschäfts um 1,5 Prozent niedriger aus als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten sogar mit einem Rückgang von 2,0 Prozent gerechnet. Im September hatte es noch einen starken Anstieg von revidiert 7,2 Prozent gegeben, der damit höher ausfiel als zunächst mit 4,2 Prozent angegeben. Notwendig wurde diese starke Korrektur durch nachträglich gemeldete Großaufträge im Schiffbau.

Die Bestellungen aus dem Inland fielen im Oktober um 5,3 Prozent schwächer aus. "Die Nachfrage aus dem Inland ist auf das niedrigste Niveau seit der Corona-Pandemie gefallen", sagte der Konjunkturexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Jupp Zenzen, und begründete das so: "Angesichts der schwachen Industrie und der anhaltend schlechten Baukonjunktur halten sich die Unternehmen mit Bestellungen weiter zurück."

Das Auslandsgeschäft legte dagegen um 0,8 Prozent zu. Im weniger schwankungsanfälligen Dreimonatsvergleich zog der gesamte Auftragseingang zwischen August und Oktober zwar um 2,7 Prozent an, ohne Großaufträge fiel er aber um 0,7 Prozent niedriger aus als in den drei Monaten zuvor.

"WENDE DERZEIT NICHT ABSEHBAR"

Experten erwarten daher keine schnelle Wende zum Besseren. "Hierfür ist die wirtschaftliche Entwicklung in den für Deutschland wichtigen Absatzmärkten zu schwach", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Gerade die chinesische Volkswirtschaft leidet unter einer zyklischen und strukturellen Schwäche, was sich auch auf den Auftragseingängen aus Fernost niederschlägt."

Bundeswirtschaftsministerium sieht die Industrie ebenfalls in einem Tal feststecken. Eingetrübte Stimmungsindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima sprächen dafür, "dass eine nachhaltige konjunkturelle Trendwende in der Industrie derzeit noch nicht absehbar ist". Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet mit einem schwierigen Winterhalbjahr, in dem Europas größte Volkswirtschaft bestenfalls stagnieren dürfte. Die tiefe Strukturkrise in der Industrie spreche gegen eine nennenswerte Erholung.

Nach wie vor prägen Großaufträge mit ihren starken Schwankungen die Entwicklung. Dies zeigt sich vor allem im sonstigen Fahrzeugbau, wozu etwa Schiffe und Flugzeuge zählen. Hier gab es im Oktober einen Rückgang um 7,0 Prozent, nachdem im September ein sehr kräftiger Anstieg um 175,7 Prozent gemeldet worden war. Weniger Nachfrage gab es auch im Maschinenbau (-7,6 Prozent) und in der Automobilindustrie (-3,7 Prozent). Zuwächse erzielten hingegen die Bereiche Metallerzeugung (+10,2 Prozent), Daten-, elektrische und optische Geräte (+8,0 Prozent) sowie Metallerzeugnisse (+4,1 Prozent).

Der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge wird Deutschland im kommenden Jahr mit 0,7 Prozent so langsam wachsen wie keine andere Industrienation. "Dies liegt besonders an der schwachen Exportnachfrage aus China, welche besonders die deutsche Industrie trifft", sagte OECD-Experte Robert Grundke. Diese weise stärkere Handelsverflechtungen mit der Volksrepublik auf als alle anderen großen Industrieländer. "Die Konkurrenz chinesischer Produkte macht deutschen Herstellern, vor allem der Autoindustrie, in anderen Absatzmärkten zu schaffen", fügte Grundke hinzu. Auch die Produktion in den energieintensiven Industrien liege noch immer weit unter dem Niveau vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)