HANNOVER (dpa-AFX) - Einen erneuten massiven Anstieg von Abrechnungsbetrügereien hat die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) mit Sitz in Hannover im vergangenen Jahr registriert. Bundesweit wurden 768 Verdachtsfälle gemeldet - 61 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie die Kasse am Montag mitteilte. Dazu zählten gepanschte Arzneimittel, die Abrechnung von Höchstsätzen für unqualifiziertes Personal, gefälschte Rezepte für Physio- und Ergotherapie oder Leistungen, die nur auf dem Papier existierten. Spitzenreiter im Betrugs-Ranking sind den Angaben zufolge Pflegedienste.

Auf sie entfielen mehr als die Hälfte der Fälle (391). Es folgten Pflegeheime (194 Fälle) sowie Krankengymnasten und Physiotherapeuten (64). Damit bezogen sich drei Viertel aller Hinweise im vergangenen Jahr auf Pflegeleistungen. "Der Pflegebereich ist besonders anfällig für Straftaten", sagte KKH-Chefermittlerin Dina Michels.

Die Kasse gab ein Beispiel: Ein Pflegedienst rechne das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab, obwohl dies täglich Angehörige erledigten. Die Pflegebedürftigen oder Angehörige unterschrieben dennoch Leistungsnachweise für die Abrechnung - dafür lasse der Pflegedienst die Wohnungen der Pflegebedürftigen von eigenem Personal reinigen.

"Betrugsdelikte im Gesundheitswesen sind alles andere als Bagatelldelikte", betonte Michels. "Wer in diesem Bereich rechtswidrig handelt, bereichert sich an Geldern, die Versicherten für die Behandlung von Krankheiten und die Vorsorge zustehen." Der Kranken- und Pflegeversicherung der KKH sei 2020 wegen bewusster Falschabrechnungen ein Schaden von einer halben Million Euro entstanden.

Mit 179 Hinweisen auf Betrugsfälle belegt Nordrhein-Westfalen den ersten Platz unter den Bundesländern, gefolgt von Bayern (121) und Sachsen-Anhalt (101). "Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus", sagte Michels. Den höchsten Schaden verursachten demnach Betrugsfälle in Apotheken, an zweiter Stelle folgten ambulante Pflegedienste.

Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts stiegen die Gesundheitsausgaben allein 2020 auf etwa 425 Milliarden Euro, mahnte die KKH. Diese Summe setze "bei einzelnen Leistungserbringern ein hohes Maß an Energie frei, gesetzwidrig Gelder einzustreichen". Die KKH ist nach eigenen Angaben eine der größten bundesweiten gesetzlichen Krankenkassen mit mehr als 1,6 Millionen Versicherten./tst/DP/eas