Von Andreas Plecko

FRANKFURT (Dow Jones)--In der Woche stehen hochkarätige Konjunkturzahlen sowie das Ratstreffen der Europäischen Zentralbank (EZB) an. Zuletzt sind die Öl- und Gaspreise förmlich explodiert. Trotz der erhöhten Inflation sieht die EZB derzeit aber keinen Grund zum Handeln. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane machte deutlich, dass steigende Energiepreise kein Grund für die EZB sind, ihre Geldpolitik zu straffen. Ganz im Gegenteil: Wenn die Energiepreise schockartig stiegen, könnte das die Wirtschaft bremsen und damit den Preisdruck mittelfristig verringern.

Lane dämpfte zudem die Erwartung, dass die EZB auf die sich in einigen Ländern abzeichnenden höheren Tarifabschlüsse mit einer Straffung ihrer Geldpolitik reagieren wird. "Die Beobachtung der Lohnentwicklung und die Unterscheidung zwischen vorübergehenden und anhaltenden Veränderungen des Lohnwachstums wird eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der zugrunde liegenden Inflation spielen", sagte Lane bei einer EZB-Forschungskonferenz.

Es gibt zwar auch besorgte Stimmen aus dem Kreis des EZB-Rates über die Inflation. Aber die Mehrheit in dem Gremium hält wohl eher nichts von einem Kurswechsel in der Geldpolitik. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, die EZB sollte "auf Versorgungsengpässe oder steigende Energiepreise nicht überreagieren, da unsere Geldpolitik dies nicht direkt beeinflussen kann". Eine vorzeitige Straffung der Geldpolitik würde die Erholung der Wirtschaft von der Pandemie gefährden.


Ifo-Geschäftsklima sinkt im Oktober weiter 

Unterdessen ist im September das Ifo-Geschäftsklima zum dritten Mal in Folge gesunken, dem im Oktober ein weiterer Rückgang folgen dürfte, wie Ökonomen erwarten. Insbesondere die Industrie leidet unter einer "Flaschenhals-Rezession". Die Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten bremsten die deutsche Konjunktur, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Fast 80 Prozent der Industriebetriebe klagten über Engpässe bei Vorprodukten. Volkswirten zufolge ist ein Ende dieser Probleme nicht absehbar.

Es dürfte damit ein schwieriges viertes Quartal bevorstehen, in dem die Lieferprobleme sogar Corona als Hauptrisiko ablösen könnten. Die von Dow Jones Newswires befragten Ökonomen erwarten für Oktober einen weiteren Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas von 98,8 auf 98,0 Punkte.

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte im dritten Quartal ordentlich gewachsen sein.Von Dow Jones Newswires befragte Volkwirte sagen einen Zuwachs um 2,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal voraus. Die deutsche Wirtschaft hat im Sommer die im Frühjahr begonnene Erholung mit erhöhtem Tempo fortgesetzt. Besonders der private Verbrauch und die Dienstleister erhielten starken Schub, da die pandemiebedingten Einschränkungen gelockert wurden und mittlerweile zu einem großen Teil entfallen sind. Doch aktuell bremsen Engpässe und Preisexplosion den Aufschwung schon wieder aus.


Energiepreise sorgen für Inflationsdruck 

Im September ist die Inflationsrate in Deutschland erstmals seit 28 Jahren wieder über die Marke von 4 Prozent gestiegen. Vor allem die Preise für Energieprodukte lagen mit 14,3 Prozent deutlich über der Gesamtteuerung. Für Oktober erwarten von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen eine Rate von 4,4 Prozent. Nach Einschätzung der Bundesbank sind bis zum Jahresende vorübergehend Inflationsraten von rund 5 Prozent möglich. Anfang 2022 dürfte sich die Teuerung zwar spürbar ermäßigen, aber bis zur Jahresmitte noch über 2 Prozent liegen, so die Erwartung.

Auch in der Eurozone hat der Preisdruck im September deutlich zugenommen. Die jährliche Inflationsrate erhöhte sich auf 3,4 von 3,0 Prozent im Vormonat. Das ist die höchste Rate seit September 2008. Vor allem die Energiepreise sorgten für Auftrieb, die im Vorjahr wegen den Folgen der Corona-Pandemie in die Tiefe gerauscht waren. Für Oktober erwarten Ökonomen eine Rate von 3,7 Prozent. Die künftige Richtung der Verbraucherpreise hängt vor allem von der Lohnentwicklung ab; würden sich die höheren Konsumentenpreise in den Löhnen niederschlagen, bestünde das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale.


US-Wachstum lässt im dritten Quartal nach 

Die US-Wirtschaft ist in diesem Jahr dank massiver Konjunkturpakete und der Tatsache, dass die Amerikaner nach der Corona-Krise wieder kräftig konsumieren, stark gewachsen. Im dritten Quartal dürfte sich das Wachstum wegen der Delta-Variante deutlich verlangsamt haben. Aber die USA sind immer noch auf dem besten Weg, in den verbleibenden Monaten des Jahres solide zu wachsen, so die Prognosen von Ökonomen.

Für das dritte Quartal sagen Experten ein annualisiertes US-Wachstum von etwa 3,0 Prozent gegenüber dem Vorquartal voraus, wobei insbesondere starke Investitionen geholfen haben dürften. Die Nachfrage nach Gütern wird von Unternehmen angekurbelt, die verzweifelt versuchen, ihre Lagerbestände aufzufüllen, doch die angespannten Lieferketten bleiben eine Herausforderung.


Bank of Japan hält Kurs vor Parlamentswahl 

Es wird erwartet, dass die japanische Zentralbank bei ihrer Sitzung am 28. Oktober, die vor den Parlamentswahlen am 31. Oktober stattfindet, die Geldpolitik beibehält. Die Bank of Japan (BoJ) wird auch vierteljährliche Wirtschaftsprognosen veröffentlichen und wahrscheinlich eine drastische Senkung ihrer Inflationsprognose für das im März endende Fiskaljahr in Betracht ziehen.

Da die politischen Entscheidungsträger in Europa und den USA mit einer höheren Inflation zu kämpfen haben, hebt sich Japan mit seiner schwachen Inflation um den Nullpunkt von anderen großen Nationen ab, insbesondere nach mehr als acht Jahren der massiven Lockerungskampagne durch BoJ-Gouverneur Haruhiko Kuroda.

Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

DJG/apo/smh

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October 22, 2021 09:02 ET (13:02 GMT)