--Ifo-Lagebeurteilung und -Geschäftserwartungen dürften zulegen

--Verarbeitendes Gewerbe leidet zunehmend unter Materialknappheit

--Bank of England lässt Lagebeurteilung unverändert

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen dürfte sich im Juni etwas gebessert haben. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte erwarten, dass der Ifo-Geschäftsklimaindex auf 100,5 (Mai: 99,2) Punkte gestiegen ist, woran eine positivere Beurteilung der aktuellen Lage entscheidenden Anteil gehabt haben sollte. Positiven Tendenzen im Dienstleistungssektor im Zuge der Aufhebung von coronabedingten Beschränkungen dürfte zunehmende Materialknappheit in Teilen des verarbeitenden Gewerbes und in der Bauwirtschaft gegenübergestanden haben.

Für den Index der Geschäftslagebeurteilung wird ein Anstieg auf 97,7 (95,7) Punkte erwartet und für den Index der Geschäftserwartungen ein Zuwachs auf 103,6 (102,9) Punkte. Das Ifo-Institut veröffentlicht die Zahlen am Donnerstag (10.00 Uhr).


   Harte Konjunkturdaten für zweites Quartal bisher schwach 

Mit dem Juni geht bereits das zweite Quartal eines konjunkturell vom "zweiten Lockdown" geprägten Jahres zu Ende. Im ersten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,8 Prozent gesunken, im zweiten dürfte es kräftig zulegen - so jedenfalls die Erwartung von Ökonomen. Allerdings ist der Start ins zweite Quartal schwach ausgefallen, wie die bisher für April veröffentlichten Daten zeigen. So sanken die Industrieproduktion um 0,7 Prozent, die Bauproduktion um 4,3 Prozent, die Einzelhandelsumsätze um 6,5 Prozent und die Gastgewerbeumsätze um 6,3 Prozent.

Im Mai dürfte sich die Lage des Dienstleistungssektors wegen der beginnenden Lockerung der Anti-Corona-Maßnahmen weiter verbessert haben. Für die Industrie fiel der Befund weniger positiv aus. Immer mehr Unternehmen meldeten Unterbrechungen oder sogar Stillstände in der Produktion aufgrund von Materialmangel. Am stärksten davon betroffen war laut Einkaufsmanagerumfrage der Investitionsgüterbereich. In der Kfz-Industrie sank die Produktion wegen des Mangels an Halbleiterchips um 20 Prozent.

An dieser Situation dürfte sich im Juni nichts geändert haben. Daimler und Volkswagen kündigten Mitte Juni "für die nächsten Wochen" Kurzarbeit an. Die Wachstumshoffnungen ruhen also vor allem auf dem Dienstleistungssektor.


   Deutscher Dienstleistungs-PMI im Juni wohl deutlich gestiegen 

Dieses Bild spiegelt sich in den Prognosen für die Einkaufsmanagerindizes (Veröffentlichung am Mittwoch, 9.30 Uhr) wider, die die Erwartungen für den Ifo-Index noch beeinflussen werden. Für den Einkaufsmanagerindex (PMI) des verarbeitenden Gewerbes wird ein Rückgang auf 62,6 (64,4) Punkte prognostiziert, für den Dienstleistungs-PMI ein Anstieg auf 55,5 (52,8) Punkte.

Stets im Fokus der Aufmerksamkeit stehen derzeit Daten mit Inflationsbezug. Aus den USA kommen am Freitag der Preisindex der persönlichen Konsumausgaben (PCE-Deflator - 14.30 Uhr) und die zweite Veröffentlichung der von der Uni Michigan erhobenen Inflationserwartungen (16.00 Uhr). Der PCE-Deflator, die von der US-Notenbank bevorzugte Inflationsmessgröße, war im April mit einer Jahresrate von 3,6 (März: 2,4) Prozent gestiegen. Die Inflationserwartungen der Uni Michigan waren in erster Veröffentlichung von hohem Niveau aus etwas zurückgegangen.

Am Donnerstag (13.00 Uhr) veröffentlicht die Bank of England (BoE) ihre geldpolitischen Entscheidungen. Bei ihrer Mai-Sitzung hatte die BoE beschlossen, das Tempo ihrer Anleihekäufe zu verringern. Das derzeit 150 Milliarden Pfund umfassende Kaufprogramm wird voraussichtlich Ende 2021 auslaufen. Allerdings haben sich seither die Rahmenbedingungen wieder etwas eingetrübt: Wegen der rasanten Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus verschob die Regierung die zunächst für den 21. Juni angekündigte Wiedereröffnung der Wirtschaft um vier Wochen.


   Bank of England lässt Geldpolitik unverändert 

Für die Prognosen der BoE dürfte das aber keinen größeren Effekt haben, meinen Ökonomen der Credit Suisse. Die BoE wird nach ihrer Erwartung den Leitzins mit 9:0 Stimmen auf dem Rekordtief von 0,10 Prozent belassen. Das Kaufvolumen dürfte mit 8:1 Stimmen bestätigt werden. Wie im Mai werde sich Ratsmitglied Andrew Haldane wohl dafür aussprechen, das Kaufprogramm um 50 Milliarden auf 825 Milliarden Pfund zu kappen. Ökonomen rechnen damit, dass sich am Leitzins der BoE für lange Zeit nichts ändern wird. Erst für die zweite Jahreshälfte 2023 werden erste Zinserhöhungen erwartet.

(Mitarbeit: Andreas Plecko)

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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June 18, 2021 09:26 ET (13:26 GMT)