Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Finanzstaatssekretär Jörg Kukies hat eine pragmatische Umsetzung des Eigenkapitalstandards Basel 3 in der EU in Aussicht gestellt. Bezugnehmend auf eine Initiative Deutschlands, Frankreichs, Dänemarks und Luxemburgs sagte Kukies der Financial Times, der Vorschlag ziele auf einen "pragmatischen" Weg, Basel 3 einerseits genau und regelgerecht zu implementieren, andererseits aber den von den G20 gegebenen Auftrag zu erfüllen, dass es dabei zu keinem signifikanten Anstieg der Eigenkapitalanforderungen kommen solle.

Basel 3 soll zwischen 2023 und 2028 in Kraft treten. Allerdings könnte das Reformpaket nach Berechnungen des europäischen Bankenregulierers Eba die Eigenkapitalanforderungen an europäische Banken um über 10 Prozent erhöhen. Dagegen sind für Banken in anderen Regionen der Welt weitaus geringere Anstiege oder sogar Rückgänge zu erwarten.

Die Chefs von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden (GHOS), die die Aufseher des federführenden Baseler Ausschusses sind, hatten 2017 trotz dieser Differenzen einer Umsetzung von Basel 3 zugestimmt. Im Vorfeld dieser Entscheidung war damals in Europa die gleiche Kritik wie aktuell laut geworden. Dem war mit dem Argument begegnet worden, dass sich die Zusage einer "nicht signifikanten Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen" auf den Durchschnitt der G20 bezogen habe und nicht auf einzelne Wirtschaftsräume.

Einer der Gründe dafür, dass Europa stärker als etwa die USA betroffen ist, ist die Einführung so genannter Output-Floors. Sie begrenzen den Nutzen, den Banken aus dem Einsatz interner Modelle bei der Berechnung ihrer Risikoaktiva und damit letzten Endes des erforderlichen Eigenkapitals ziehen dürfen. In den USA werden solche Modelle wenig benutzt.

Schwerer getroffen ist Europa außerdem, weil Banken hier in der Regel Hypothekenkredite in den Büchern behalten, während sie in den USA an staatliche Agenturen (Fannie Mae, Freddie Mac) abgegeben werden. Aus deutscher Sicht ist außerdem misslich, dass Basel 3 höhere Eigenkapitalanforderungen für Kredite an Unternehmen vorsieht, für die es kein externes Kreditrating gibt. Das gilt für einen Großteil des viel gelobten Mittelstands.

Laute Forderungen nach einer schonenden europäischen Umsetzung von Basel 3 haben in letzter Zeit die deutschen Bankenverbände erhoben. Eba-Chef Andrea Enria hatte sich gegen einen "kreativen" Ansatz ausgesprochen und darauf verwiesen, dass in einer Reihe von Mitgliedstaaten die Umsetzung des Basel-1-Output-Floors so lax gewesen sei, dass keine Bank tatsächlich durch ihn eingeschränkt wurde.

Daher ist es laut Enria auch nicht verwunderlich, dass die Einführung eines neuen Output Floor unter Basel 3 mehr Auswirkungen auf bestimmte Banken hat, die bisher durch die Reduzierung der risikogewichteten Aktiva-Dichte einen größeren Spielraum hatten.

Der Chef des Vereins Finanzwende, Gerhard Schick, kritisierte Kukies' Äußerungen. "Es ist extrem ärgerlich, dass sich der Ex-Goldman-Banker Jörg Kukies nun an die Seite der Finanzlobby stellt", schrieb er in einer Stellungnahme. Der Output Floor möge technisch klingen, sei aber entscheidend dafür, dass die Banken sich nicht stabiler rechnen könnten als sie es tatsächlichen seien. "Haben die Banken die Kapitalpuffer nicht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass in der nächsten Finanzkrise der Steuerzahler wieder mit Milliarden einspringen muss", so Schick.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/apo

(END) Dow Jones Newswires

June 09, 2021 06:52 ET (10:52 GMT)