Frankfurt/Berlin (Reuters) - EZB-Chefin Christine Lagarde sieht trotz zuletzt rasant gestiegener Preise keine Gefahr, dass die Inflation aus dem Ruder läuft.

Es gebe zwar einige Faktoren, die die Teuerung stärker als erwartet hochtreiben könnten, sagte sie am Montag in einer Schalte für eine Anhörung vor einem Ausschuss des EU-Parlaments. Dies gelte beispielsweise für den Einfluss der Lohnrunden. Weitere mögliche Preistreiber seien Lieferengpässe und hohe Energiekosten. "Wir haben allen Grund zu glauben, dass dies keine dauerhaften Faktoren sind und sie sich insbesondere im Laufe des Jahres 2022 verringern werden", betonte Lagarde. Die Bundesbank erwartet allerdings bis weit ins kommende Jahr hinein eine erhöhte Inflation in Deutschland.

Die Volkswirte der deutschen Zentralbank gehen davon aus, dass ab September bis zum Jahresende vorübergehend sogar Teuerungsraten zwischen vier und fünf Prozent möglich sein werden, und sagen voraus: "Anfang 2022 dürfte sich die Teuerung zwar spürbar ermäßigen, aber bis zur Jahresmitte noch über zwei Prozent liegen."

Die Teuerungsrate war hierzulande wegen steigender Benzin- und Nahrungsmittelpreise im August mit 3,9 Prozent so stark ausgefallen wie seit fast 28 Jahren nicht mehr. Preistreibend wirken auch Lieferschwierigkeiten bei einigen Vorprodukten wie etwa Halbleitern, die in der Folge der Corona-Krise knapp geworden sind. Bundesbankchef Jens Weidmann hatte gemahnt, die EZB sollte die Gefahr einer zu hohen Inflation nicht aus den Augen verlieren. Angebotsengpässe könnten zusätzliche Preisschübe auslösen.

PROGNOSEN IM FOKUS

Die EZB geht laut Lagarde in ihrem Basis-Szenario weiter davon aus, dass die Inflation mittelfristig unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent bleiben werde. Für 2021 wird eine Teuerungsrate von 2,2 Prozent unterstellt, die 2022 auf 1,7 Prozent fallen soll. Im Dezember werden die Vorhersagen allerdings wieder aktualisiert. Die Inflationsrate in der Euro-Zone kletterte zuletzt auf 3,0 Prozent nach oben und erreichte den höchsten Stand seit zehn Jahren. Die EZB hält dennoch an ihrer Niedrigzinspolitik fest, da sie den Anstieg als vorübergehend ansieht.

Manche EZB-Währungshüter denken laut Insidern aber schon über ein Abschalten des Corona-Krisenprogramms im Frühjahr nach. Jüngste Daten bestärkten die Skeptiker im Führungskreis der EZB demnach darin, dass die Teuerung nächstes Jahr entgegen der Erwartungen nahe oder über der Zwei-Prozent-Marke liegen könnte. Dies liefere weitere Argumente für ein Aus des in der Corona-Krise eigens geschaffenen Anleihen-Ankaufprogramms PEPP Ende März.