Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat nach einem Gespräch mit dem EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni vor einem Subventionswettlauf und Handelskrieg mit den USA gewarnt. Lindner betonte, dass die Europäische Union nicht mit einer exzessiven Ausdehnung von staatlichen Beihilfen als Antwort auf den amerikanische Inflation Reduction Act (IRA) reagieren sollte. Vielmehr müssten die europäischen Hilfen bei der grünen und digitalen Transformation agiler werden und mit weniger Bürokratie auskommen. Gentiloni stieß zudem bei Lindner mit seinem Wunsch nach gemeinsamen EU-Schulden und einer weitgehenden Flexibilität bei den EU-Schuldenregeln auf Widerstand.

"Das Beihilferecht muss agiler werden, wir müssen schneller zu Entscheidungen kommen. Wir brauchen aber keine exzessive Ausdehnung von Subventionen in der Europäischen Union. Wir müssen die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft, für die Industrie verbessern", sagte Lindner auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gentiloni.

Man könne auch Politik für die Wirtschaft ohne Geld machen, indem man einfach auf Regulierung und unnötige Bürokratie verzichtet. Zudem gebe es bereits die geplanten europäischen Ausgaben im Rahmen des Next Generation Programms zur Abmilderungen der Folgen der Covid-Pandemie.

"Im großen Umfang exzessiv einen Subventionswettkampf mit den USA beginnen - das ist nicht Gegenstand der Politik der Bundesregierung", so Lindner. "Aus diesem Grund sehen wir auch keinen Bedarf für neue Finanzierungsinstrumente auf der europäischen Ebene - gemeinsame Schulden. Wir sind überzeugt, dass das Geld, das zur Verfügung steht, ausreicht, um die grüne Transformation, die digitale Transformation zu unterstützen."

Er betonte, dass aktuell eine "Handelsdiplomatie" zwischen der EU und den USA und keine Handelskrieg oder Handelskonflikt nötig sei.


   Gentiloni will neue EU-Schulden 

Zuvor hatte Gentiloni die Bundesregierung aufgerufen, die Forderung nach neuen EU-Schulden zu unterstützen. Er verwies neben dem Subventionswettlauf mit den USA auch auf die hohen Energiepreise und den Wettbewerb mit China, welche die EU vor große Herausforderungen stellten. In Europa seien hohe Summen an Investitionen notwendig. Nicht jeder Mitgliedstaat könne hier allein agieren, sondern man benötige eine gemeinsame europäischen Lösung und neuen Schulden.

Gentiloni erklärte auf der Pressekonferenz, dass Europa aufgrund von politischen Entscheidungen der einzelnen Staaten und der EU auf ein Jahr mit "gedämpften Wachstum" zusteuere und nicht eine Jahr der Rezession. Die neue Wirtschaftsprognose der EU-Kommission, die er bald vorstellen will, werde dies reflektieren. Der EU stünden Herausforderungen mit "sehr reduziertem Wachstum" bevor und diesen Herausforderungen müsse man gemeinsam begegnen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.


   Lindner hat Zweifel an geplanter Reform der EU-Schuldenregeln 

Mit Blick auf die Reform des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts sagte Lindner, dass die Vorstellungen der Kommission noch nicht mit denen der Bundesregierung übereinstimmten.

Die Bundesregierung habe Zweifel, dass die Vorschläge zu einer verlässlichen Reduktion der Schulden führen würden. Dazu seien gemeinsame Regeln nötig statt bilaterale Vereinbarungen der Europäischen Kommission mit einzelnen Ländern, so Lindner.

Gentiloni hob wiederum hervor, dass die einzelnen Länder sehr unterschiedliche Schuldenniveaus hätten und dies bei der Reform des Schuldenpakts berücksichtigt werden müsste. Man müsse bei der Rückführung der Schulden differenziert vorgehen, so der Italiener.

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January 30, 2023 11:31 ET (16:31 GMT)